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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Parteiführer, der verpflichtet sei, in ihrem Sinn zu regieren. Die Partei als",
auf deren Sympathien sich Wilhelm stützen mußte, war in einem gewissen
Sinn antimonarchisch, und die monarchische Partei war ihm feindlich gesinnt.
Dazu kam noch der religiöse Fanatismus. Mit dem Symbol der Toleranz
hatte Jakob II. die allmälige Unterwerfung Englands unter das Papstthum
durchzuführen gesucht. Dieser Begriff war also allen kirchlichen Parteien gleich¬
mäßig verhaßt. Jede von ihnen beanspruchte die ausschließliche Herrschaft
und verlangte die Verfolgung gegen alle Andersgläubigen. ES war den Par¬
teien nicht blos um die Principien zu thun, sondern auch um den persönlichen
Vortheil. Die Staatsämter waren damals reichlicher ausgestattet und leiden¬
schaftlicher begehrt, als in unsern Tagen. Hätte sich nun aber auch Wilhelm
unbedingt den Whigs anvertrauen wollen, so trat die zweite Schwierigkeit ein,
daß diese doch eigentlich zum Theil der Geschäftsführung nicht mächtig waren.
Eine durchgreifende Reform des Staatslebens war allgemein als nothwendig
anerkannt, und der König hatte den ehrlichen und festen Willen, sie durchzu¬
führen; aber er konnte sich dazu keiner andern Werkzeuge bedienen, als der¬
jenigen, die unter dem alten Regiment groß geworden waren, und bei diesen
war die Korruption in einem Grade vorhanden, wie man sie nicht leicht in
einem Zeitalter wiederfinden wird: die vollständige Abwesenheit alles po¬
litischen Gewissens, eine principielle Treulosigkeit und Käuflichkeit, eine leicht¬
sinnige, uurechtliche Verwaltung und ein einziges leitendes Streben, daS Geld.
Abgesehen von den Abenteurern, die sich daran gewöhnt hatten, aus der Con-
spiration ein Geschäft zu machen, wie Ferguson, trieben die ersten Staats¬
männer und Feldherrn mir ihrer Ehre einen schimpflichen Handel. Das ab¬
scheulichste Beispiel ist Marlborougl), und wir müssen es dem Geschichtschreiber
Dank wissen, daß er die sittliche Verderbniß dieses großen Feldherrn ins hellste
Licht gestellt hat. Selbst das Recht mußte sich den Partcileidenschaften beugen,
wie die abscheuliche Geschichte des Lord Mosun zeigt. Alle diese Schäden
deS alten Regiments traten erst jetzt hervor, da man ernstlich Anstalt machte,
sie abzuschaffen. Das neue Princip fand nur die alten Menschen vor, und
die wankelmüthige Menge war schnell geneigt, die Schuld der Vergangenheit
dem neuen Herrscher aufzubürden. Die wichtigsten Fragen der Verwaltung
wie z.B. die indischen Angelegenheiten, das Finanzwesen, die Seemacht u. s. w.,
das alles war in der heillosesten Verwirrung.

Dazu kam die äußere Gefahr. Der mächtigste König in Europa sah in
Wilhelm seinen persönlichen Feind und setzte alle Mittel in Bewegung, um
ihn zu stürzen; und wie wenig es ihm bei der Wahl dieser Mittel darauf an¬
kam,'alle sittlichen Grundsätze mit Füßen zu treten, das zeigt die Charakeristik
seines Bevollmächtigten d'Avaur. Abgesehen von den eigentlichen Jakobiten,
fand er im Reich seines Gegners zwei wichtige Verbündete, die irischen Katho-


Parteiführer, der verpflichtet sei, in ihrem Sinn zu regieren. Die Partei als»,
auf deren Sympathien sich Wilhelm stützen mußte, war in einem gewissen
Sinn antimonarchisch, und die monarchische Partei war ihm feindlich gesinnt.
Dazu kam noch der religiöse Fanatismus. Mit dem Symbol der Toleranz
hatte Jakob II. die allmälige Unterwerfung Englands unter das Papstthum
durchzuführen gesucht. Dieser Begriff war also allen kirchlichen Parteien gleich¬
mäßig verhaßt. Jede von ihnen beanspruchte die ausschließliche Herrschaft
und verlangte die Verfolgung gegen alle Andersgläubigen. ES war den Par¬
teien nicht blos um die Principien zu thun, sondern auch um den persönlichen
Vortheil. Die Staatsämter waren damals reichlicher ausgestattet und leiden¬
schaftlicher begehrt, als in unsern Tagen. Hätte sich nun aber auch Wilhelm
unbedingt den Whigs anvertrauen wollen, so trat die zweite Schwierigkeit ein,
daß diese doch eigentlich zum Theil der Geschäftsführung nicht mächtig waren.
Eine durchgreifende Reform des Staatslebens war allgemein als nothwendig
anerkannt, und der König hatte den ehrlichen und festen Willen, sie durchzu¬
führen; aber er konnte sich dazu keiner andern Werkzeuge bedienen, als der¬
jenigen, die unter dem alten Regiment groß geworden waren, und bei diesen
war die Korruption in einem Grade vorhanden, wie man sie nicht leicht in
einem Zeitalter wiederfinden wird: die vollständige Abwesenheit alles po¬
litischen Gewissens, eine principielle Treulosigkeit und Käuflichkeit, eine leicht¬
sinnige, uurechtliche Verwaltung und ein einziges leitendes Streben, daS Geld.
Abgesehen von den Abenteurern, die sich daran gewöhnt hatten, aus der Con-
spiration ein Geschäft zu machen, wie Ferguson, trieben die ersten Staats¬
männer und Feldherrn mir ihrer Ehre einen schimpflichen Handel. Das ab¬
scheulichste Beispiel ist Marlborougl), und wir müssen es dem Geschichtschreiber
Dank wissen, daß er die sittliche Verderbniß dieses großen Feldherrn ins hellste
Licht gestellt hat. Selbst das Recht mußte sich den Partcileidenschaften beugen,
wie die abscheuliche Geschichte des Lord Mosun zeigt. Alle diese Schäden
deS alten Regiments traten erst jetzt hervor, da man ernstlich Anstalt machte,
sie abzuschaffen. Das neue Princip fand nur die alten Menschen vor, und
die wankelmüthige Menge war schnell geneigt, die Schuld der Vergangenheit
dem neuen Herrscher aufzubürden. Die wichtigsten Fragen der Verwaltung
wie z.B. die indischen Angelegenheiten, das Finanzwesen, die Seemacht u. s. w.,
das alles war in der heillosesten Verwirrung.

Dazu kam die äußere Gefahr. Der mächtigste König in Europa sah in
Wilhelm seinen persönlichen Feind und setzte alle Mittel in Bewegung, um
ihn zu stürzen; und wie wenig es ihm bei der Wahl dieser Mittel darauf an¬
kam,'alle sittlichen Grundsätze mit Füßen zu treten, das zeigt die Charakeristik
seines Bevollmächtigten d'Avaur. Abgesehen von den eigentlichen Jakobiten,
fand er im Reich seines Gegners zwei wichtige Verbündete, die irischen Katho-


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[0389] Parteiführer, der verpflichtet sei, in ihrem Sinn zu regieren. Die Partei als», auf deren Sympathien sich Wilhelm stützen mußte, war in einem gewissen Sinn antimonarchisch, und die monarchische Partei war ihm feindlich gesinnt. Dazu kam noch der religiöse Fanatismus. Mit dem Symbol der Toleranz hatte Jakob II. die allmälige Unterwerfung Englands unter das Papstthum durchzuführen gesucht. Dieser Begriff war also allen kirchlichen Parteien gleich¬ mäßig verhaßt. Jede von ihnen beanspruchte die ausschließliche Herrschaft und verlangte die Verfolgung gegen alle Andersgläubigen. ES war den Par¬ teien nicht blos um die Principien zu thun, sondern auch um den persönlichen Vortheil. Die Staatsämter waren damals reichlicher ausgestattet und leiden¬ schaftlicher begehrt, als in unsern Tagen. Hätte sich nun aber auch Wilhelm unbedingt den Whigs anvertrauen wollen, so trat die zweite Schwierigkeit ein, daß diese doch eigentlich zum Theil der Geschäftsführung nicht mächtig waren. Eine durchgreifende Reform des Staatslebens war allgemein als nothwendig anerkannt, und der König hatte den ehrlichen und festen Willen, sie durchzu¬ führen; aber er konnte sich dazu keiner andern Werkzeuge bedienen, als der¬ jenigen, die unter dem alten Regiment groß geworden waren, und bei diesen war die Korruption in einem Grade vorhanden, wie man sie nicht leicht in einem Zeitalter wiederfinden wird: die vollständige Abwesenheit alles po¬ litischen Gewissens, eine principielle Treulosigkeit und Käuflichkeit, eine leicht¬ sinnige, uurechtliche Verwaltung und ein einziges leitendes Streben, daS Geld. Abgesehen von den Abenteurern, die sich daran gewöhnt hatten, aus der Con- spiration ein Geschäft zu machen, wie Ferguson, trieben die ersten Staats¬ männer und Feldherrn mir ihrer Ehre einen schimpflichen Handel. Das ab¬ scheulichste Beispiel ist Marlborougl), und wir müssen es dem Geschichtschreiber Dank wissen, daß er die sittliche Verderbniß dieses großen Feldherrn ins hellste Licht gestellt hat. Selbst das Recht mußte sich den Partcileidenschaften beugen, wie die abscheuliche Geschichte des Lord Mosun zeigt. Alle diese Schäden deS alten Regiments traten erst jetzt hervor, da man ernstlich Anstalt machte, sie abzuschaffen. Das neue Princip fand nur die alten Menschen vor, und die wankelmüthige Menge war schnell geneigt, die Schuld der Vergangenheit dem neuen Herrscher aufzubürden. Die wichtigsten Fragen der Verwaltung wie z.B. die indischen Angelegenheiten, das Finanzwesen, die Seemacht u. s. w., das alles war in der heillosesten Verwirrung. Dazu kam die äußere Gefahr. Der mächtigste König in Europa sah in Wilhelm seinen persönlichen Feind und setzte alle Mittel in Bewegung, um ihn zu stürzen; und wie wenig es ihm bei der Wahl dieser Mittel darauf an¬ kam,'alle sittlichen Grundsätze mit Füßen zu treten, das zeigt die Charakeristik seines Bevollmächtigten d'Avaur. Abgesehen von den eigentlichen Jakobiten, fand er im Reich seines Gegners zwei wichtige Verbündete, die irischen Katho-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/389>, abgerufen am 23.07.2024.