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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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sind die Rußland nächstgelegenen türkischen Distncte, wie diejenigen, welche
früher zu Achalzyk gehörten, die Schlupfwinkel kriegerischer und raublustigrr
Stämme, wie z. B. der Lasen, Kurden, Karapapacher, Adscharen und Turk-
manier. Sämmtlich durch ihre Gewandtheit zu Pferde und die Heftigkeit
ihrer Angriffe berühmt, bilden sie eine äußerst leichte, namentlich für den
Parteigängerkrieg brauchbare Reiterei, die jedoch in größer" Schlachten in der
Linie und besonders beim Agiren großer Streitmassen weniger brauchbar ist.
Da die Waghalsigsten unter den Bergstämmen des Kaukasus sich hierher zurück¬
gezogen haben, und jeder Bewohner muselmännischen Glaubens bis in die
neueste Zeit aller Abgaben ledig und dafür nur verpflichtet war, im Kriegs-
falle sich gut bewaffnet unter die Fahnen zu stellen, so erwächst hierdurch den
Russen eine ebenso gefährliche als zahlreiche Masse von Feinden, und bei
einer Invasion in das Innere der asiatischen Türkei ist es fast unmöglich, die
rückwärtigen Verbindungslinien und Zufuhren an Lebensmitteln und sonstigem
Kriegsbedarf gegen diese Nölkerstämme sicher zu stelle", wenn es nicht gelingt,
dieselben durch Güte oder Gewalt auf ihre Seite zu bringen. Ebenso ist es
in der Umgegend von Trapezunt am schwarzen Meere, dessen Ufergebirge uno
Bergrücken nach dem Kaukasus hin die Hauptschlupfwinkel der Lasen sind.
In der letzten Hälfte des -16. Jahrhunderts (Is80) nahm der Beherrscher
von Achalzyk, Menu-Scheher, ein Sohn Gasechö, nachdem er durch die Türken
unter Amurat III. eine Niederlage erlitten hatte, den Islam und den Namen
Atta Bey an und wurde zum Pascha von Achalzyk ernannt. Als solcher
schlug er seinen Wohnsitz in dem Städtchen Olty auf, wo sich noch jetzt ein
von den Türken ihm errichtetes prächtiges Denkmal befindet. Aber seine
Nachfolger verlegten ihren Wohnsitz nach dem kurz zuvor erbauten Achalzyk,
welcher Name, wie bereits angedeutet, im Georgischen neue Festung bedeutet
und vergrößerten und befestigten dasselbe. Später kam es auf einige Zeit in
den Besitz der Perser, aber unter Amurat IV. wurde es von den Türken unter
dem Pascha Hassan nach einer 23tägigen Belagerung wieder erobert. Hassan
wurde Pascha von Achalzyk und vererbte diese Würde auf seine Nachkommen.
Während der ganzen Zeit ihrer Herrschaft über Achalzyk suchte die osmanische
Psorte auf alle mögliche Weise das Einströmen der kriegerischen Stämme des
Kaukasus zu unterhalten, welche sie anfangs gegen Georgien , dann gegen
die Perser und endlich gegen Nußland vertheidigten. Sie gab ihnen Vorrechte
und befreite sie von Abgaben, um dadurch immer an der Grenze ihrer klein¬
asiatischen Besitzungen einen Anhalt zu haben. Die unruhigen Bewohner der
Provinz gingen aus die Absicht der Pforte ein, so oft sie diese nützlich fanden;
war dies jedoch nicht der Fall, so kümmerten sie sich wenig um ihre Befehle.
Aufgebracht über die Unbotmäßigkeit der Bewohner dieses Paschaliks, schickte
Sultan Achmed til. den bekannten Pehlewom Pascha mit As,000 Mann


sind die Rußland nächstgelegenen türkischen Distncte, wie diejenigen, welche
früher zu Achalzyk gehörten, die Schlupfwinkel kriegerischer und raublustigrr
Stämme, wie z. B. der Lasen, Kurden, Karapapacher, Adscharen und Turk-
manier. Sämmtlich durch ihre Gewandtheit zu Pferde und die Heftigkeit
ihrer Angriffe berühmt, bilden sie eine äußerst leichte, namentlich für den
Parteigängerkrieg brauchbare Reiterei, die jedoch in größer» Schlachten in der
Linie und besonders beim Agiren großer Streitmassen weniger brauchbar ist.
Da die Waghalsigsten unter den Bergstämmen des Kaukasus sich hierher zurück¬
gezogen haben, und jeder Bewohner muselmännischen Glaubens bis in die
neueste Zeit aller Abgaben ledig und dafür nur verpflichtet war, im Kriegs-
falle sich gut bewaffnet unter die Fahnen zu stellen, so erwächst hierdurch den
Russen eine ebenso gefährliche als zahlreiche Masse von Feinden, und bei
einer Invasion in das Innere der asiatischen Türkei ist es fast unmöglich, die
rückwärtigen Verbindungslinien und Zufuhren an Lebensmitteln und sonstigem
Kriegsbedarf gegen diese Nölkerstämme sicher zu stelle», wenn es nicht gelingt,
dieselben durch Güte oder Gewalt auf ihre Seite zu bringen. Ebenso ist es
in der Umgegend von Trapezunt am schwarzen Meere, dessen Ufergebirge uno
Bergrücken nach dem Kaukasus hin die Hauptschlupfwinkel der Lasen sind.
In der letzten Hälfte des -16. Jahrhunderts (Is80) nahm der Beherrscher
von Achalzyk, Menu-Scheher, ein Sohn Gasechö, nachdem er durch die Türken
unter Amurat III. eine Niederlage erlitten hatte, den Islam und den Namen
Atta Bey an und wurde zum Pascha von Achalzyk ernannt. Als solcher
schlug er seinen Wohnsitz in dem Städtchen Olty auf, wo sich noch jetzt ein
von den Türken ihm errichtetes prächtiges Denkmal befindet. Aber seine
Nachfolger verlegten ihren Wohnsitz nach dem kurz zuvor erbauten Achalzyk,
welcher Name, wie bereits angedeutet, im Georgischen neue Festung bedeutet
und vergrößerten und befestigten dasselbe. Später kam es auf einige Zeit in
den Besitz der Perser, aber unter Amurat IV. wurde es von den Türken unter
dem Pascha Hassan nach einer 23tägigen Belagerung wieder erobert. Hassan
wurde Pascha von Achalzyk und vererbte diese Würde auf seine Nachkommen.
Während der ganzen Zeit ihrer Herrschaft über Achalzyk suchte die osmanische
Psorte auf alle mögliche Weise das Einströmen der kriegerischen Stämme des
Kaukasus zu unterhalten, welche sie anfangs gegen Georgien , dann gegen
die Perser und endlich gegen Nußland vertheidigten. Sie gab ihnen Vorrechte
und befreite sie von Abgaben, um dadurch immer an der Grenze ihrer klein¬
asiatischen Besitzungen einen Anhalt zu haben. Die unruhigen Bewohner der
Provinz gingen aus die Absicht der Pforte ein, so oft sie diese nützlich fanden;
war dies jedoch nicht der Fall, so kümmerten sie sich wenig um ihre Befehle.
Aufgebracht über die Unbotmäßigkeit der Bewohner dieses Paschaliks, schickte
Sultan Achmed til. den bekannten Pehlewom Pascha mit As,000 Mann


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[0282] sind die Rußland nächstgelegenen türkischen Distncte, wie diejenigen, welche früher zu Achalzyk gehörten, die Schlupfwinkel kriegerischer und raublustigrr Stämme, wie z. B. der Lasen, Kurden, Karapapacher, Adscharen und Turk- manier. Sämmtlich durch ihre Gewandtheit zu Pferde und die Heftigkeit ihrer Angriffe berühmt, bilden sie eine äußerst leichte, namentlich für den Parteigängerkrieg brauchbare Reiterei, die jedoch in größer» Schlachten in der Linie und besonders beim Agiren großer Streitmassen weniger brauchbar ist. Da die Waghalsigsten unter den Bergstämmen des Kaukasus sich hierher zurück¬ gezogen haben, und jeder Bewohner muselmännischen Glaubens bis in die neueste Zeit aller Abgaben ledig und dafür nur verpflichtet war, im Kriegs- falle sich gut bewaffnet unter die Fahnen zu stellen, so erwächst hierdurch den Russen eine ebenso gefährliche als zahlreiche Masse von Feinden, und bei einer Invasion in das Innere der asiatischen Türkei ist es fast unmöglich, die rückwärtigen Verbindungslinien und Zufuhren an Lebensmitteln und sonstigem Kriegsbedarf gegen diese Nölkerstämme sicher zu stelle», wenn es nicht gelingt, dieselben durch Güte oder Gewalt auf ihre Seite zu bringen. Ebenso ist es in der Umgegend von Trapezunt am schwarzen Meere, dessen Ufergebirge uno Bergrücken nach dem Kaukasus hin die Hauptschlupfwinkel der Lasen sind. In der letzten Hälfte des -16. Jahrhunderts (Is80) nahm der Beherrscher von Achalzyk, Menu-Scheher, ein Sohn Gasechö, nachdem er durch die Türken unter Amurat III. eine Niederlage erlitten hatte, den Islam und den Namen Atta Bey an und wurde zum Pascha von Achalzyk ernannt. Als solcher schlug er seinen Wohnsitz in dem Städtchen Olty auf, wo sich noch jetzt ein von den Türken ihm errichtetes prächtiges Denkmal befindet. Aber seine Nachfolger verlegten ihren Wohnsitz nach dem kurz zuvor erbauten Achalzyk, welcher Name, wie bereits angedeutet, im Georgischen neue Festung bedeutet und vergrößerten und befestigten dasselbe. Später kam es auf einige Zeit in den Besitz der Perser, aber unter Amurat IV. wurde es von den Türken unter dem Pascha Hassan nach einer 23tägigen Belagerung wieder erobert. Hassan wurde Pascha von Achalzyk und vererbte diese Würde auf seine Nachkommen. Während der ganzen Zeit ihrer Herrschaft über Achalzyk suchte die osmanische Psorte auf alle mögliche Weise das Einströmen der kriegerischen Stämme des Kaukasus zu unterhalten, welche sie anfangs gegen Georgien , dann gegen die Perser und endlich gegen Nußland vertheidigten. Sie gab ihnen Vorrechte und befreite sie von Abgaben, um dadurch immer an der Grenze ihrer klein¬ asiatischen Besitzungen einen Anhalt zu haben. Die unruhigen Bewohner der Provinz gingen aus die Absicht der Pforte ein, so oft sie diese nützlich fanden; war dies jedoch nicht der Fall, so kümmerten sie sich wenig um ihre Befehle. Aufgebracht über die Unbotmäßigkeit der Bewohner dieses Paschaliks, schickte Sultan Achmed til. den bekannten Pehlewom Pascha mit As,000 Mann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/282>, abgerufen am 23.07.2024.