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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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heute und doch so ernste Stimme, welche an das südjütische Volk erging, als
es im Begriff stand, sich seinem falschen Buhlen in die Arme zu werfen, denen
es noch entrissen werden konnte? -- Damals wäre es umgekehrt.
Nein, Dänemark sandte ihm Karl Moltke*) mit der Verfassung vom
-is. Februar in der einen Hand und der Peitsche in der andern! Er
ließ seine Launen wüthen über Getreue und Ungetreue; eine solche
Unterscheidung war unstatthaft; der Aufruhr war ja gedämpft, die Am¬
nestie ertheilt, kurz das ganze Land pacificirt, folglich waren Grade in
der Loyalität der Bevölkerung nicht denkbar, folglich mußten sie alle zusammen
die Peitsche fühlen. Es kann nicht geleugnet werden, baß Karl Moltke auf
diese Weise eine beispiellose Unparteilichkeit entfaltete. Oder glaubt man,
daß es z. B. allein Angelus oder Schleswigs oder Tonderns deutsch- und auf¬
rührerisch-gesinnte Bevölkerung war, welche er sein Regiment fühlen ließ? So
fraget z. B. die treuen Nordschleswiger, fraget Leute von Alsen und Sunde-
witt! Fraget die augustcnburgischen Untergehörigen, unter wem sie es am besten
hatten, unter dem Landesverräther Herzog oder dem Minister des Königs für
das Herzogthum Schleswig! Was that Karl Moltke, um das Herz des Volkes
nach Norden zu wenden statt nach Süden? -- Nichts, er konnte es auch nicht:
er war selbst ein Deutscher, und sein Herz ist gar nicht dem Norden zugewandt.
Er hielt das Sprachrescript nicht seiner Gerechtigkeit wegen aufrecht, sondern --
weil es ein Gesetz war. Er entzog den Grundeigenthümern die Jagdgerech¬
tigkeit, nicht um die königliche Kasse zu bereichern, sondern weil sie eine "Frei¬
heit" war -- und Schleswig dürfte keine Frucht vom Baume der Freiheit
kosten. So lange er für die Stempelpapierbrüchen schwärmte, welche doch wol
hauptsächlich die Beamten trafen, hatte er auch hierin eine erwünschte Gelegen¬
heit, den SchleSwigern zu zeigen, daß sie ein strenges Regiment hätten. --
Doch hiev ist nicht der Ort, die Kinder der Laune Karl Moltkes bekannt zu
machen; die Geschichte wird schon seiner Zeit einige Blätter zu einer "edioniciuc-
8eanelal>zu!-"z" für das Herzogthum Schleswig in dem Zeitraume vom A. Ja¬
nuar -1852 bis zum 3. December >I8Si haben; -- die meisten Beamten können
reiche Beiträge liefern. -- Aber in dieser Regierung Schleswigs von Karl
Moltke ist die wesentliche Schuld davon zu suchen, daß der Nationalhaß der
Deutschen gegen die Dänen gewachsen und das Nationalgefühl der treuen
Dänen abgekühlt ist. Wie sollten die Schleswiger das Mutterland lieben
können, wenn es ihnen nichts Anderes und nichts Besseres zu geben hatte als
-- Karl Moltkes eisernes Joch?

Und das Siegel auf die Trennung zwischen dem Königreich und dem
Herzogthum setzte dieser selbe Mann durch die sogenannte fchleswigfche Ver-



*) Minister für das Herzogthum Schleswig "an 2. Januar -I8L2 bis 3. Decbr. iLlli-

heute und doch so ernste Stimme, welche an das südjütische Volk erging, als
es im Begriff stand, sich seinem falschen Buhlen in die Arme zu werfen, denen
es noch entrissen werden konnte? — Damals wäre es umgekehrt.
Nein, Dänemark sandte ihm Karl Moltke*) mit der Verfassung vom
-is. Februar in der einen Hand und der Peitsche in der andern! Er
ließ seine Launen wüthen über Getreue und Ungetreue; eine solche
Unterscheidung war unstatthaft; der Aufruhr war ja gedämpft, die Am¬
nestie ertheilt, kurz das ganze Land pacificirt, folglich waren Grade in
der Loyalität der Bevölkerung nicht denkbar, folglich mußten sie alle zusammen
die Peitsche fühlen. Es kann nicht geleugnet werden, baß Karl Moltke auf
diese Weise eine beispiellose Unparteilichkeit entfaltete. Oder glaubt man,
daß es z. B. allein Angelus oder Schleswigs oder Tonderns deutsch- und auf¬
rührerisch-gesinnte Bevölkerung war, welche er sein Regiment fühlen ließ? So
fraget z. B. die treuen Nordschleswiger, fraget Leute von Alsen und Sunde-
witt! Fraget die augustcnburgischen Untergehörigen, unter wem sie es am besten
hatten, unter dem Landesverräther Herzog oder dem Minister des Königs für
das Herzogthum Schleswig! Was that Karl Moltke, um das Herz des Volkes
nach Norden zu wenden statt nach Süden? — Nichts, er konnte es auch nicht:
er war selbst ein Deutscher, und sein Herz ist gar nicht dem Norden zugewandt.
Er hielt das Sprachrescript nicht seiner Gerechtigkeit wegen aufrecht, sondern —
weil es ein Gesetz war. Er entzog den Grundeigenthümern die Jagdgerech¬
tigkeit, nicht um die königliche Kasse zu bereichern, sondern weil sie eine „Frei¬
heit" war — und Schleswig dürfte keine Frucht vom Baume der Freiheit
kosten. So lange er für die Stempelpapierbrüchen schwärmte, welche doch wol
hauptsächlich die Beamten trafen, hatte er auch hierin eine erwünschte Gelegen¬
heit, den SchleSwigern zu zeigen, daß sie ein strenges Regiment hätten. —
Doch hiev ist nicht der Ort, die Kinder der Laune Karl Moltkes bekannt zu
machen; die Geschichte wird schon seiner Zeit einige Blätter zu einer „edioniciuc-
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nuar -1852 bis zum 3. December >I8Si haben; — die meisten Beamten können
reiche Beiträge liefern. — Aber in dieser Regierung Schleswigs von Karl
Moltke ist die wesentliche Schuld davon zu suchen, daß der Nationalhaß der
Deutschen gegen die Dänen gewachsen und das Nationalgefühl der treuen
Dänen abgekühlt ist. Wie sollten die Schleswiger das Mutterland lieben
können, wenn es ihnen nichts Anderes und nichts Besseres zu geben hatte als
— Karl Moltkes eisernes Joch?

Und das Siegel auf die Trennung zwischen dem Königreich und dem
Herzogthum setzte dieser selbe Mann durch die sogenannte fchleswigfche Ver-



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/272>, abgerufen am 23.07.2024.