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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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sie sagten, sie machten nicht auf, und wir könnten thun was wir wollten.
Hierauf rief der Herr Major: Allons Zimmerleute! hauet die, Thore ein.
Darauf fingen die Zimmerleute an zu hauen. Wie sich das Pochen und
Krachen ansinge, hätte ein Mensch sehen sollen, wie die Rathsherren, worunter
der dreckige Bürgermeister mit war und der halbtodte Bartputzer Lieutenant
ansingen zu lausen, als ob sie der Teufel fortführte. Augenblicklich waren
beide Thore eingehauen und marschirte das ganze Commando mit Trompeten,
Trommeln und Pfeifen zur Stadt hinein.

Als wir nun zum Thore hineinmarschirten, standen der gute Barbier¬
lieutenant und der Schusterfähndrich mit ihrer Mannschaft da, präsentirten ihr
Gewehr und salutirten alle beide vor unsern Offiziere" des Commandos. --

So besetzte das gothaische Commando die Stadt Wasungen und blieb da¬
selbst im Quartier. -- Ach, aber, nicht ohne schmerzliche Perturbation! --

Den 22. Ma.i, am 2. Pfingsttage ->7i7 mußte vermuthlich beim Herrn
Major v. S . . . ein Rapport eingelaufen sein, von dem wir Offiziers alle
nichts erfuhren. Hieraus war ein Laufen und Rennen nach dem Bären, zu
dem Geheimenrath Flörcke, daß es ganz erstaunlich war; bald liefen sie hinein
in den Bären, bald wieder heraus. Ich dachte: was Teufel ist das? Doch
gedachte ich, wenn etwas passirt, mußt du es doch erfahren. -- Die Bürgers¬
leute fingen selbst an und fragten: Was läuft aber der Herr Commandant so
in den Bären? Ja ich konnte keine Antwort darüber geben.

Während des vielen Laufens und Rennens ging ich mit dem Fähndrich
Köhler an die Thore, um die Schildwachen zu visttiren, und als wir an das
Oberthor kamen, kamen uns die Majors v. S... und v. V.. und der Ka¬
pitän v. W...... entgegen. Der Major v. S .. . ging gerade auf mich los
und fragte mich insgeheim, ob ich etwas Neues wüßte? Ich antwortete: Nein!
darauf er mir sagte, ob ich wüßte, daß uns die Meininger heute Nacht atta-
quiren wollten? Ich antwortete: Immerhin, wenn sie kommen, müssen sie an¬
pochen, wir wollen schon mit ihnen fertig werden. -- Ob ich denn meine
Frau nicht wollte fortschicken? -- Nein, sagte ich, sie ist am heiligen Abend
erst gekommen und geht nicht eher wieder weg, als den Tag nach Pfingsten.
-- Ja wenn aber die Meininger kommen? -- So hänge ich ihr auch einen
Degen um, war meine Antwort, so mag sie sich auch mit wehren. --

Hier sing der Major v. S . .. an und sagte: Ich sollte hier meine Dis¬
position machen, wie alle Thore und Posten besetzt werden sollten. Da hieß
es recht: mit sichtlichen Augen betrogen werden. Vor menschlichen Augen
Disposition zu machen und sie nicht zu halten! --

Alle Vorschläge, die ich nach meinem einfältigen Lieutenantsverstand ge¬
than, wurden gut acceptirt und kurz ausgezogen, um sie bei der Parole auszu¬
geben. --


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sie sagten, sie machten nicht auf, und wir könnten thun was wir wollten.
Hierauf rief der Herr Major: Allons Zimmerleute! hauet die, Thore ein.
Darauf fingen die Zimmerleute an zu hauen. Wie sich das Pochen und
Krachen ansinge, hätte ein Mensch sehen sollen, wie die Rathsherren, worunter
der dreckige Bürgermeister mit war und der halbtodte Bartputzer Lieutenant
ansingen zu lausen, als ob sie der Teufel fortführte. Augenblicklich waren
beide Thore eingehauen und marschirte das ganze Commando mit Trompeten,
Trommeln und Pfeifen zur Stadt hinein.

Als wir nun zum Thore hineinmarschirten, standen der gute Barbier¬
lieutenant und der Schusterfähndrich mit ihrer Mannschaft da, präsentirten ihr
Gewehr und salutirten alle beide vor unsern Offiziere» des Commandos. —

So besetzte das gothaische Commando die Stadt Wasungen und blieb da¬
selbst im Quartier. — Ach, aber, nicht ohne schmerzliche Perturbation! —

Den 22. Ma.i, am 2. Pfingsttage ->7i7 mußte vermuthlich beim Herrn
Major v. S . . . ein Rapport eingelaufen sein, von dem wir Offiziers alle
nichts erfuhren. Hieraus war ein Laufen und Rennen nach dem Bären, zu
dem Geheimenrath Flörcke, daß es ganz erstaunlich war; bald liefen sie hinein
in den Bären, bald wieder heraus. Ich dachte: was Teufel ist das? Doch
gedachte ich, wenn etwas passirt, mußt du es doch erfahren. — Die Bürgers¬
leute fingen selbst an und fragten: Was läuft aber der Herr Commandant so
in den Bären? Ja ich konnte keine Antwort darüber geben.

Während des vielen Laufens und Rennens ging ich mit dem Fähndrich
Köhler an die Thore, um die Schildwachen zu visttiren, und als wir an das
Oberthor kamen, kamen uns die Majors v. S... und v. V.. und der Ka¬
pitän v. W...... entgegen. Der Major v. S .. . ging gerade auf mich los
und fragte mich insgeheim, ob ich etwas Neues wüßte? Ich antwortete: Nein!
darauf er mir sagte, ob ich wüßte, daß uns die Meininger heute Nacht atta-
quiren wollten? Ich antwortete: Immerhin, wenn sie kommen, müssen sie an¬
pochen, wir wollen schon mit ihnen fertig werden. — Ob ich denn meine
Frau nicht wollte fortschicken? — Nein, sagte ich, sie ist am heiligen Abend
erst gekommen und geht nicht eher wieder weg, als den Tag nach Pfingsten.
— Ja wenn aber die Meininger kommen? — So hänge ich ihr auch einen
Degen um, war meine Antwort, so mag sie sich auch mit wehren. —

Hier sing der Major v. S . .. an und sagte: Ich sollte hier meine Dis¬
position machen, wie alle Thore und Posten besetzt werden sollten. Da hieß
es recht: mit sichtlichen Augen betrogen werden. Vor menschlichen Augen
Disposition zu machen und sie nicht zu halten! —

Alle Vorschläge, die ich nach meinem einfältigen Lieutenantsverstand ge¬
than, wurden gut acceptirt und kurz ausgezogen, um sie bei der Parole auszu¬
geben. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/27>, abgerufen am 23.07.2024.