Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Frau Landjägermeisterin in einem schönen Briefe voll Selbstgefühl und nobler
Gesinnung den Herzog um die Befreiung ihres Gatten, ihre Dimission aus
dem Hofdienst und die Erlaubniß einer gerichtlichen Defension gegen die Pfaffen¬
rath. Alles wurde ihr abgeschlagen. Im Gegentheil wurde sie von zwei
Musketieren in die Stube der Pfaffenrath getragen, um abzubitten und als
sie sich wieder weigerte, fuhr man sie auf den Markt von Meiningen, um¬
schloß sie mit einem Kreis von Soldaten und der Landrichter las ein Decret ab,
das Pasquill solle vor den Augen der Landjägermeisterin durch den Schinder
verbrannt werden, und jedermann solle bei hundert Thaler Strafe und sechs
Wochen Gefängniß verboten sein, noch von der Sache zu sprechen. Der
Brief wurde von dem Henker verbrannt und Frau von Gleichen wieder in
das Gefängniß zurückgeführt.

Jetzt aber erhoben die Freunde der Gleichen Klage beim Reichskammer¬
gericht. Dem wiederholten Mandat des Neichskammergerichts an den Herzog
Anton Ulrich und seine Regierung, die gleichcnschen Eheleute freizugeben und
nach geschriebenen Recht zu verfahren, wurde nicht gehorcht. Darauf erhielt
der Herzog Friedrich lit. von Gotha von demselben Gericht das Commissariale,
die Frau von Gleichen und ihren Ehemann gegen alle fernere Gewalt zu
schützen und selbige aus der Gefangenschaft in Meiningen in sichere, doch
ohnnachthcilige Verwahrung zu bringen. Herzog Friedrich forderte von
Meiningen die Auslieferung der Gefangenen, man ließ aber seinen Beauf¬
tragten nicht in die Stadt, nahm ihm seine Briefe nicht ab, sondern bedeutete
ihn, wenn Gotha etwa die Befreiung mit Gewalt erzwingen wolle, so habe
man anch zu-Meiningen Pulver und Blei. Denn zwischen Meiningen und
Gotha bestanden zahlreiche Händel und große Erbitterung.

Darauf rüstete Herzog Friedrich von Gotha zu bewaffneter Erecution. Er
war ein wehrhafter Herr, der in holländischem und in kaiserlichem Dienste ge¬
gen Subsidien 6000 Mann Infanterie und 1300 Mann Cavalerie unterhielt.
Außerdem besaß er eine große Anzahl Geschütze und ein starkes Offiziercorps
mit mehrern Generalen. Die Wehrkraft von Meiningen dagegen war gering,
sie bestand fast nur aus Landtruppen (Milizen) von geringem militärischen
Geschick. Diese zog man zusammen und befestigte Meiningen, so gut man in der
Eile konnte. ES war aber vom Kriegsgott nicht bestimmt, daß Meiningen
selbst das Kampfvbject werden sollte, denn die losgelassene Kriegsfurie begnügte
sich, um die meiningensche Landstadt Wasungen zu rasen. Und zwar war es ein >
verhängnißvoller Zufall, daß grade dieser Ort Schauplatz des Kriegs werden '
mußte, denn von Alters her galt er für das Schild" oder Schöppenstädt Meinin-
gens, und von seinen Rathsherrn wurde erzählt, daß dieselben einst versucht
hätten, einen Kürbis, der ihnen als arabisches Pferdeei untergeschoben war, aus¬
zubrüten, was ihnen jedoch nicht gelang.


Frau Landjägermeisterin in einem schönen Briefe voll Selbstgefühl und nobler
Gesinnung den Herzog um die Befreiung ihres Gatten, ihre Dimission aus
dem Hofdienst und die Erlaubniß einer gerichtlichen Defension gegen die Pfaffen¬
rath. Alles wurde ihr abgeschlagen. Im Gegentheil wurde sie von zwei
Musketieren in die Stube der Pfaffenrath getragen, um abzubitten und als
sie sich wieder weigerte, fuhr man sie auf den Markt von Meiningen, um¬
schloß sie mit einem Kreis von Soldaten und der Landrichter las ein Decret ab,
das Pasquill solle vor den Augen der Landjägermeisterin durch den Schinder
verbrannt werden, und jedermann solle bei hundert Thaler Strafe und sechs
Wochen Gefängniß verboten sein, noch von der Sache zu sprechen. Der
Brief wurde von dem Henker verbrannt und Frau von Gleichen wieder in
das Gefängniß zurückgeführt.

Jetzt aber erhoben die Freunde der Gleichen Klage beim Reichskammer¬
gericht. Dem wiederholten Mandat des Neichskammergerichts an den Herzog
Anton Ulrich und seine Regierung, die gleichcnschen Eheleute freizugeben und
nach geschriebenen Recht zu verfahren, wurde nicht gehorcht. Darauf erhielt
der Herzog Friedrich lit. von Gotha von demselben Gericht das Commissariale,
die Frau von Gleichen und ihren Ehemann gegen alle fernere Gewalt zu
schützen und selbige aus der Gefangenschaft in Meiningen in sichere, doch
ohnnachthcilige Verwahrung zu bringen. Herzog Friedrich forderte von
Meiningen die Auslieferung der Gefangenen, man ließ aber seinen Beauf¬
tragten nicht in die Stadt, nahm ihm seine Briefe nicht ab, sondern bedeutete
ihn, wenn Gotha etwa die Befreiung mit Gewalt erzwingen wolle, so habe
man anch zu-Meiningen Pulver und Blei. Denn zwischen Meiningen und
Gotha bestanden zahlreiche Händel und große Erbitterung.

Darauf rüstete Herzog Friedrich von Gotha zu bewaffneter Erecution. Er
war ein wehrhafter Herr, der in holländischem und in kaiserlichem Dienste ge¬
gen Subsidien 6000 Mann Infanterie und 1300 Mann Cavalerie unterhielt.
Außerdem besaß er eine große Anzahl Geschütze und ein starkes Offiziercorps
mit mehrern Generalen. Die Wehrkraft von Meiningen dagegen war gering,
sie bestand fast nur aus Landtruppen (Milizen) von geringem militärischen
Geschick. Diese zog man zusammen und befestigte Meiningen, so gut man in der
Eile konnte. ES war aber vom Kriegsgott nicht bestimmt, daß Meiningen
selbst das Kampfvbject werden sollte, denn die losgelassene Kriegsfurie begnügte
sich, um die meiningensche Landstadt Wasungen zu rasen. Und zwar war es ein >
verhängnißvoller Zufall, daß grade dieser Ort Schauplatz des Kriegs werden '
mußte, denn von Alters her galt er für das Schild« oder Schöppenstädt Meinin-
gens, und von seinen Rathsherrn wurde erzählt, daß dieselben einst versucht
hätten, einen Kürbis, der ihnen als arabisches Pferdeei untergeschoben war, aus¬
zubrüten, was ihnen jedoch nicht gelang.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101016"/>
            <p xml:id="ID_38" prev="#ID_37"> Frau Landjägermeisterin in einem schönen Briefe voll Selbstgefühl und nobler<lb/>
Gesinnung den Herzog um die Befreiung ihres Gatten, ihre Dimission aus<lb/>
dem Hofdienst und die Erlaubniß einer gerichtlichen Defension gegen die Pfaffen¬<lb/>
rath. Alles wurde ihr abgeschlagen. Im Gegentheil wurde sie von zwei<lb/>
Musketieren in die Stube der Pfaffenrath getragen, um abzubitten und als<lb/>
sie sich wieder weigerte, fuhr man sie auf den Markt von Meiningen, um¬<lb/>
schloß sie mit einem Kreis von Soldaten und der Landrichter las ein Decret ab,<lb/>
das Pasquill solle vor den Augen der Landjägermeisterin durch den Schinder<lb/>
verbrannt werden, und jedermann solle bei hundert Thaler Strafe und sechs<lb/>
Wochen Gefängniß verboten sein, noch von der Sache zu sprechen. Der<lb/>
Brief wurde von dem Henker verbrannt und Frau von Gleichen wieder in<lb/>
das Gefängniß zurückgeführt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_39"> Jetzt aber erhoben die Freunde der Gleichen Klage beim Reichskammer¬<lb/>
gericht. Dem wiederholten Mandat des Neichskammergerichts an den Herzog<lb/>
Anton Ulrich und seine Regierung, die gleichcnschen Eheleute freizugeben und<lb/>
nach geschriebenen Recht zu verfahren, wurde nicht gehorcht. Darauf erhielt<lb/>
der Herzog Friedrich lit. von Gotha von demselben Gericht das Commissariale,<lb/>
die Frau von Gleichen und ihren Ehemann gegen alle fernere Gewalt zu<lb/>
schützen und selbige aus der Gefangenschaft in Meiningen in sichere, doch<lb/>
ohnnachthcilige Verwahrung zu bringen. Herzog Friedrich forderte von<lb/>
Meiningen die Auslieferung der Gefangenen, man ließ aber seinen Beauf¬<lb/>
tragten nicht in die Stadt, nahm ihm seine Briefe nicht ab, sondern bedeutete<lb/>
ihn, wenn Gotha etwa die Befreiung mit Gewalt erzwingen wolle, so habe<lb/>
man anch zu-Meiningen Pulver und Blei. Denn zwischen Meiningen und<lb/>
Gotha bestanden zahlreiche Händel und große Erbitterung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_40"> Darauf rüstete Herzog Friedrich von Gotha zu bewaffneter Erecution. Er<lb/>
war ein wehrhafter Herr, der in holländischem und in kaiserlichem Dienste ge¬<lb/>
gen Subsidien 6000 Mann Infanterie und 1300 Mann Cavalerie unterhielt.<lb/>
Außerdem besaß er eine große Anzahl Geschütze und ein starkes Offiziercorps<lb/>
mit mehrern Generalen. Die Wehrkraft von Meiningen dagegen war gering,<lb/>
sie bestand fast nur aus Landtruppen (Milizen) von geringem militärischen<lb/>
Geschick. Diese zog man zusammen und befestigte Meiningen, so gut man in der<lb/>
Eile konnte. ES war aber vom Kriegsgott nicht bestimmt, daß Meiningen<lb/>
selbst das Kampfvbject werden sollte, denn die losgelassene Kriegsfurie begnügte<lb/>
sich, um die meiningensche Landstadt Wasungen zu rasen. Und zwar war es ein &gt;<lb/>
verhängnißvoller Zufall, daß grade dieser Ort Schauplatz des Kriegs werden '<lb/>
mußte, denn von Alters her galt er für das Schild« oder Schöppenstädt Meinin-<lb/>
gens, und von seinen Rathsherrn wurde erzählt, daß dieselben einst versucht<lb/>
hätten, einen Kürbis, der ihnen als arabisches Pferdeei untergeschoben war, aus¬<lb/>
zubrüten, was ihnen jedoch nicht gelang.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Frau Landjägermeisterin in einem schönen Briefe voll Selbstgefühl und nobler Gesinnung den Herzog um die Befreiung ihres Gatten, ihre Dimission aus dem Hofdienst und die Erlaubniß einer gerichtlichen Defension gegen die Pfaffen¬ rath. Alles wurde ihr abgeschlagen. Im Gegentheil wurde sie von zwei Musketieren in die Stube der Pfaffenrath getragen, um abzubitten und als sie sich wieder weigerte, fuhr man sie auf den Markt von Meiningen, um¬ schloß sie mit einem Kreis von Soldaten und der Landrichter las ein Decret ab, das Pasquill solle vor den Augen der Landjägermeisterin durch den Schinder verbrannt werden, und jedermann solle bei hundert Thaler Strafe und sechs Wochen Gefängniß verboten sein, noch von der Sache zu sprechen. Der Brief wurde von dem Henker verbrannt und Frau von Gleichen wieder in das Gefängniß zurückgeführt. Jetzt aber erhoben die Freunde der Gleichen Klage beim Reichskammer¬ gericht. Dem wiederholten Mandat des Neichskammergerichts an den Herzog Anton Ulrich und seine Regierung, die gleichcnschen Eheleute freizugeben und nach geschriebenen Recht zu verfahren, wurde nicht gehorcht. Darauf erhielt der Herzog Friedrich lit. von Gotha von demselben Gericht das Commissariale, die Frau von Gleichen und ihren Ehemann gegen alle fernere Gewalt zu schützen und selbige aus der Gefangenschaft in Meiningen in sichere, doch ohnnachthcilige Verwahrung zu bringen. Herzog Friedrich forderte von Meiningen die Auslieferung der Gefangenen, man ließ aber seinen Beauf¬ tragten nicht in die Stadt, nahm ihm seine Briefe nicht ab, sondern bedeutete ihn, wenn Gotha etwa die Befreiung mit Gewalt erzwingen wolle, so habe man anch zu-Meiningen Pulver und Blei. Denn zwischen Meiningen und Gotha bestanden zahlreiche Händel und große Erbitterung. Darauf rüstete Herzog Friedrich von Gotha zu bewaffneter Erecution. Er war ein wehrhafter Herr, der in holländischem und in kaiserlichem Dienste ge¬ gen Subsidien 6000 Mann Infanterie und 1300 Mann Cavalerie unterhielt. Außerdem besaß er eine große Anzahl Geschütze und ein starkes Offiziercorps mit mehrern Generalen. Die Wehrkraft von Meiningen dagegen war gering, sie bestand fast nur aus Landtruppen (Milizen) von geringem militärischen Geschick. Diese zog man zusammen und befestigte Meiningen, so gut man in der Eile konnte. ES war aber vom Kriegsgott nicht bestimmt, daß Meiningen selbst das Kampfvbject werden sollte, denn die losgelassene Kriegsfurie begnügte sich, um die meiningensche Landstadt Wasungen zu rasen. Und zwar war es ein > verhängnißvoller Zufall, daß grade dieser Ort Schauplatz des Kriegs werden ' mußte, denn von Alters her galt er für das Schild« oder Schöppenstädt Meinin- gens, und von seinen Rathsherrn wurde erzählt, daß dieselben einst versucht hätten, einen Kürbis, der ihnen als arabisches Pferdeei untergeschoben war, aus¬ zubrüten, was ihnen jedoch nicht gelang.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/23>, abgerufen am 23.07.2024.