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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Eduardus und promovirte ihn v. Saporta, in der Kirche mit großer Solleni-
tät und Orgel. Er dankte in fünf oder sechserlei Sprachen, worunter auch die
deutsche, obgleich er sonst nicht deutsch reden konnte. Man führte ihn zierlich
herum mit einem seidenen Busch auf dem viereckigen Baret, mit Schalmeien,
und man trug in dieser Prozession Fenchelstengel mit verzuckerten Bildern,
hielt darnach eine stattliche Kollation mit viel Confect, das man austheilt,
mehr als einen Centner, item mit köstlichem Hippokras, und zuletzt tanzte
man.

Um die Zeit erhob sich ein Rumor unter den Studenten wider die Pro-
fessores, weil sie so wenig lasen. Die Studenten sammelten sich zusammen,
zogen mit bewaffneter Hand vor die Kollegien und wo sie StudiosoS fanden,
die Lection hörten, forderten sie die heraus. So hieß Hochstetter auch mich
aus der Lection des Sapvrta, den ich nicht gern erzürnte, heraus kommen und
ließ nicht nach, bis ich kam und mit einer großen Zahl anderer Studenten
von allerlei Nationen fortzog auf das Parlamenthauö. Dort hatten wir einen
Procurator, der in, unserm Namen gegen die Doctores ihres UnfleißeS halber
klagte und begehrte, daß man nach altem Brauch uns wieder zwei Procuratores
aus den Studenten anstellen lassen sollte, die Gewalt hätten den Professoren
ihre Stipcndia vorzuenthalten, im Fall sie nicht lasen; worauf die Doctores
sich durch einen andern Procurator verantworten. Doch wurden zwei Procura-
torem bestellt und so die Unruhe gestillt.

Am 16. October hatte man den Guillaume d'Alm^on von Mon-
tauban, der ein Priester gewesen und sich zur Religion bekehrt, von Genf kam
und Bücher mit sich gebracht hatte, und die längste Zeit in Gefangenschaft ge¬
halten worden war, degradirt. Man legte ihm priesterliche Kleider an, und
führte ihn auf eine Brücke.*) Dort saß der Weihbischof, der machte viel
Ceremonien, las Latein, zog ihm das Meßgewand aus, legte ihm weltliche Kleider
an, schabte ihm die Platte auf dem Kopf und zwei Finger und übergab ihn
darnach der weltlichen Obrigkeit, die nahm ihn alsdann und legte ihn wieder
gefangen.

Am 16. Jenner des folgenden Jahres hat man ihn zum Tode verur-
theilt. Man brachte ihn am Nachmittag und trug ihn einer auf der Achsel
vor das Thor neben ein Kloster, wo die Richtstätte und ein Hausen Holz auf¬
gerichtet war und gingen ihm zwei Gefangene nach, ein Tuchscheerer im Hemde



") Brücke, schweiz. Brügc, heißt im sechzehnten Jahrhundert die hölzerne Tribüne, welche bei
feierlichen Gelegenheiten, Turnieren, Schcuispielen ". s. w, aufgerichtet wird, in der Lieget mit
zwei Treppeuzngängen ans den schmalen Seite". Sie ist ein stehender Bestandtheil sowol
der shaispearischcn Bühne, als der dentschen von Hans Sachs und Ayrer, Bei dramatischen
Darstellungen repräsentirte sie bald den Himmel, bald die Höhe einer Mauer, bei Turnieren
den Ehrenplatz, auf welchen: die Kampfrichter oder die Frauen saßen. Ihre Brüstung auf der
dem Publicum zugekehrten Langseite, heißt beim deutschen Theater die "Zinne".

Eduardus und promovirte ihn v. Saporta, in der Kirche mit großer Solleni-
tät und Orgel. Er dankte in fünf oder sechserlei Sprachen, worunter auch die
deutsche, obgleich er sonst nicht deutsch reden konnte. Man führte ihn zierlich
herum mit einem seidenen Busch auf dem viereckigen Baret, mit Schalmeien,
und man trug in dieser Prozession Fenchelstengel mit verzuckerten Bildern,
hielt darnach eine stattliche Kollation mit viel Confect, das man austheilt,
mehr als einen Centner, item mit köstlichem Hippokras, und zuletzt tanzte
man.

Um die Zeit erhob sich ein Rumor unter den Studenten wider die Pro-
fessores, weil sie so wenig lasen. Die Studenten sammelten sich zusammen,
zogen mit bewaffneter Hand vor die Kollegien und wo sie StudiosoS fanden,
die Lection hörten, forderten sie die heraus. So hieß Hochstetter auch mich
aus der Lection des Sapvrta, den ich nicht gern erzürnte, heraus kommen und
ließ nicht nach, bis ich kam und mit einer großen Zahl anderer Studenten
von allerlei Nationen fortzog auf das Parlamenthauö. Dort hatten wir einen
Procurator, der in, unserm Namen gegen die Doctores ihres UnfleißeS halber
klagte und begehrte, daß man nach altem Brauch uns wieder zwei Procuratores
aus den Studenten anstellen lassen sollte, die Gewalt hätten den Professoren
ihre Stipcndia vorzuenthalten, im Fall sie nicht lasen; worauf die Doctores
sich durch einen andern Procurator verantworten. Doch wurden zwei Procura-
torem bestellt und so die Unruhe gestillt.

Am 16. October hatte man den Guillaume d'Alm^on von Mon-
tauban, der ein Priester gewesen und sich zur Religion bekehrt, von Genf kam
und Bücher mit sich gebracht hatte, und die längste Zeit in Gefangenschaft ge¬
halten worden war, degradirt. Man legte ihm priesterliche Kleider an, und
führte ihn auf eine Brücke.*) Dort saß der Weihbischof, der machte viel
Ceremonien, las Latein, zog ihm das Meßgewand aus, legte ihm weltliche Kleider
an, schabte ihm die Platte auf dem Kopf und zwei Finger und übergab ihn
darnach der weltlichen Obrigkeit, die nahm ihn alsdann und legte ihn wieder
gefangen.

Am 16. Jenner des folgenden Jahres hat man ihn zum Tode verur-
theilt. Man brachte ihn am Nachmittag und trug ihn einer auf der Achsel
vor das Thor neben ein Kloster, wo die Richtstätte und ein Hausen Holz auf¬
gerichtet war und gingen ihm zwei Gefangene nach, ein Tuchscheerer im Hemde



") Brücke, schweiz. Brügc, heißt im sechzehnten Jahrhundert die hölzerne Tribüne, welche bei
feierlichen Gelegenheiten, Turnieren, Schcuispielen ». s. w, aufgerichtet wird, in der Lieget mit
zwei Treppeuzngängen ans den schmalen Seite». Sie ist ein stehender Bestandtheil sowol
der shaispearischcn Bühne, als der dentschen von Hans Sachs und Ayrer, Bei dramatischen
Darstellungen repräsentirte sie bald den Himmel, bald die Höhe einer Mauer, bei Turnieren
den Ehrenplatz, auf welchen: die Kampfrichter oder die Frauen saßen. Ihre Brüstung auf der
dem Publicum zugekehrten Langseite, heißt beim deutschen Theater die „Zinne".
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[0216] Eduardus und promovirte ihn v. Saporta, in der Kirche mit großer Solleni- tät und Orgel. Er dankte in fünf oder sechserlei Sprachen, worunter auch die deutsche, obgleich er sonst nicht deutsch reden konnte. Man führte ihn zierlich herum mit einem seidenen Busch auf dem viereckigen Baret, mit Schalmeien, und man trug in dieser Prozession Fenchelstengel mit verzuckerten Bildern, hielt darnach eine stattliche Kollation mit viel Confect, das man austheilt, mehr als einen Centner, item mit köstlichem Hippokras, und zuletzt tanzte man. Um die Zeit erhob sich ein Rumor unter den Studenten wider die Pro- fessores, weil sie so wenig lasen. Die Studenten sammelten sich zusammen, zogen mit bewaffneter Hand vor die Kollegien und wo sie StudiosoS fanden, die Lection hörten, forderten sie die heraus. So hieß Hochstetter auch mich aus der Lection des Sapvrta, den ich nicht gern erzürnte, heraus kommen und ließ nicht nach, bis ich kam und mit einer großen Zahl anderer Studenten von allerlei Nationen fortzog auf das Parlamenthauö. Dort hatten wir einen Procurator, der in, unserm Namen gegen die Doctores ihres UnfleißeS halber klagte und begehrte, daß man nach altem Brauch uns wieder zwei Procuratores aus den Studenten anstellen lassen sollte, die Gewalt hätten den Professoren ihre Stipcndia vorzuenthalten, im Fall sie nicht lasen; worauf die Doctores sich durch einen andern Procurator verantworten. Doch wurden zwei Procura- torem bestellt und so die Unruhe gestillt. Am 16. October hatte man den Guillaume d'Alm^on von Mon- tauban, der ein Priester gewesen und sich zur Religion bekehrt, von Genf kam und Bücher mit sich gebracht hatte, und die längste Zeit in Gefangenschaft ge¬ halten worden war, degradirt. Man legte ihm priesterliche Kleider an, und führte ihn auf eine Brücke.*) Dort saß der Weihbischof, der machte viel Ceremonien, las Latein, zog ihm das Meßgewand aus, legte ihm weltliche Kleider an, schabte ihm die Platte auf dem Kopf und zwei Finger und übergab ihn darnach der weltlichen Obrigkeit, die nahm ihn alsdann und legte ihn wieder gefangen. Am 16. Jenner des folgenden Jahres hat man ihn zum Tode verur- theilt. Man brachte ihn am Nachmittag und trug ihn einer auf der Achsel vor das Thor neben ein Kloster, wo die Richtstätte und ein Hausen Holz auf¬ gerichtet war und gingen ihm zwei Gefangene nach, ein Tuchscheerer im Hemde ") Brücke, schweiz. Brügc, heißt im sechzehnten Jahrhundert die hölzerne Tribüne, welche bei feierlichen Gelegenheiten, Turnieren, Schcuispielen ». s. w, aufgerichtet wird, in der Lieget mit zwei Treppeuzngängen ans den schmalen Seite». Sie ist ein stehender Bestandtheil sowol der shaispearischcn Bühne, als der dentschen von Hans Sachs und Ayrer, Bei dramatischen Darstellungen repräsentirte sie bald den Himmel, bald die Höhe einer Mauer, bei Turnieren den Ehrenplatz, auf welchen: die Kampfrichter oder die Frauen saßen. Ihre Brüstung auf der dem Publicum zugekehrten Langseite, heißt beim deutschen Theater die „Zinne".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/216>, abgerufen am 23.07.2024.