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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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langen Stangen abschlagen. Deren standen früh gar viel aus dem Platz vor
der Apothecke und machten einen großen Lärm. Als ich das hörte, aufstand
und zum Laden herauslugte, vermeinte ich, es wären Kriegsleute mit Spießen,
und erschrack, bald aber empfing ich durch meinen Stubengenossen Bericht, daß
es Arbeiter waren. Es war in diesem Monat December nicht so kalt wie bei
uns, kein Eis noch Schnee. Man wärmt sich allein bei dem Feuer, das auf
der gewöhnlichen Herdstätte brennt, oder die Studenten zünden Rosmarin an,
der giebt eine mächtige Flamme und riecht gut. Rosmarin sah ich auf dem
Felde stehen in großer Menge, so gemein, daß man solchen mit Eseln hinein¬
führt, sich Winterzeit im Kamin zu wärmen -- die Gemächer hält man zu,
verschließt die Fenster, die nur Laden sind und größtentheils statt des Glases
Papier haben --.

Ich fing sogleich an Lectionen zu hören und nahm den I). Saporta pro
Mrk (zum Vater) an, da gebräuchlich ist, daß jeder Studiosus einen solchen
nimmt, den er in besondern Fällen um Rath fragen kann. Ich rüstete mich
ernstlich zum Studiren in der Medicin, hörte am Morgen zwei, manchmal drei,
nachmittag eben so viele Lectionen. Meines Vaters ernstliches Schreiben und
Mahnen vermochte viel bei mir, so daß ich emsig studirte, welches meinem
alten Herrn Catalan gar wohl gefiel. Er redete allezeit Latein mit mir'auf seine
Weise, schlecht; und wenn ich ihm etwas lateinischer antwortete, verwunderte
er sich darüber. Sonderlich aber, wenn wir nach dem Nachtessen am Herde
uns wärmten, gab mir der alte Catalvnier, mein Herr, eine alte lateinische
Bibel, worin kein neues Testament war, darin las ich ihm und legte ihm zu
Zeiten etliche Sprüche aus. Besonders da ich ihm im Propheten Baruch las,
wie er gegen die Bilder und Götzen schreibt, gefiel es ihm wohl. Denn da
er ein Marran war, hielt u, wie die Juden, nicht viel auf die Bilder, durfte
aber nicht öffentlich dagegen reden und sagte oft: <;rgc> nostei saeerclotes?
d. i. Warum also haben sie (die Bilder) unsere Priester? Da sagte ich ihm,
daß sie Unrecht thäten und daß wir es in unserer Religion nit litten, brachte
viele Sprüche zum Beweise, daß es von Gott verboten war. Das gefiel dem
Catalonier sehr wohl. Er sagte, wie ich bei meiner Jugend solches hätte be¬
greifen können und so weit mit dem Studiren kommen, denn er meinte, ich
wäre über die Maßen gelehrt.

In meines Herrn Haus lebte man gar gering, auf spanisch, und wie die
Marranen, welche die Speisen, so die Juden meiden, auch nicht zu essen pflegen.
Am Fleischtage zu Mittag ißt man eine Suppe, darauf nauraux oder Kraut
gekocht mit Hammelfleisch, selten mit Ochsen, ist gut. Es ist wenig Brühe
dabei, man ißt es mit den Händen, Jeder aus seiner Schüssel. Darauf das
gesottene Fleisch. Item Wein vollauf, der ganz roth ist, er wird nur gewässert
getrunken, welches Wasser einem die Magd bringt. Es kann sich einer viel oder


langen Stangen abschlagen. Deren standen früh gar viel aus dem Platz vor
der Apothecke und machten einen großen Lärm. Als ich das hörte, aufstand
und zum Laden herauslugte, vermeinte ich, es wären Kriegsleute mit Spießen,
und erschrack, bald aber empfing ich durch meinen Stubengenossen Bericht, daß
es Arbeiter waren. Es war in diesem Monat December nicht so kalt wie bei
uns, kein Eis noch Schnee. Man wärmt sich allein bei dem Feuer, das auf
der gewöhnlichen Herdstätte brennt, oder die Studenten zünden Rosmarin an,
der giebt eine mächtige Flamme und riecht gut. Rosmarin sah ich auf dem
Felde stehen in großer Menge, so gemein, daß man solchen mit Eseln hinein¬
führt, sich Winterzeit im Kamin zu wärmen — die Gemächer hält man zu,
verschließt die Fenster, die nur Laden sind und größtentheils statt des Glases
Papier haben —.

Ich fing sogleich an Lectionen zu hören und nahm den I). Saporta pro
Mrk (zum Vater) an, da gebräuchlich ist, daß jeder Studiosus einen solchen
nimmt, den er in besondern Fällen um Rath fragen kann. Ich rüstete mich
ernstlich zum Studiren in der Medicin, hörte am Morgen zwei, manchmal drei,
nachmittag eben so viele Lectionen. Meines Vaters ernstliches Schreiben und
Mahnen vermochte viel bei mir, so daß ich emsig studirte, welches meinem
alten Herrn Catalan gar wohl gefiel. Er redete allezeit Latein mit mir'auf seine
Weise, schlecht; und wenn ich ihm etwas lateinischer antwortete, verwunderte
er sich darüber. Sonderlich aber, wenn wir nach dem Nachtessen am Herde
uns wärmten, gab mir der alte Catalvnier, mein Herr, eine alte lateinische
Bibel, worin kein neues Testament war, darin las ich ihm und legte ihm zu
Zeiten etliche Sprüche aus. Besonders da ich ihm im Propheten Baruch las,
wie er gegen die Bilder und Götzen schreibt, gefiel es ihm wohl. Denn da
er ein Marran war, hielt u, wie die Juden, nicht viel auf die Bilder, durfte
aber nicht öffentlich dagegen reden und sagte oft: <;rgc> nostei saeerclotes?
d. i. Warum also haben sie (die Bilder) unsere Priester? Da sagte ich ihm,
daß sie Unrecht thäten und daß wir es in unserer Religion nit litten, brachte
viele Sprüche zum Beweise, daß es von Gott verboten war. Das gefiel dem
Catalonier sehr wohl. Er sagte, wie ich bei meiner Jugend solches hätte be¬
greifen können und so weit mit dem Studiren kommen, denn er meinte, ich
wäre über die Maßen gelehrt.

In meines Herrn Haus lebte man gar gering, auf spanisch, und wie die
Marranen, welche die Speisen, so die Juden meiden, auch nicht zu essen pflegen.
Am Fleischtage zu Mittag ißt man eine Suppe, darauf nauraux oder Kraut
gekocht mit Hammelfleisch, selten mit Ochsen, ist gut. Es ist wenig Brühe
dabei, man ißt es mit den Händen, Jeder aus seiner Schüssel. Darauf das
gesottene Fleisch. Item Wein vollauf, der ganz roth ist, er wird nur gewässert
getrunken, welches Wasser einem die Magd bringt. Es kann sich einer viel oder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/212>, abgerufen am 24.07.2024.