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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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auf, brachen.unsre Hüte voll schöne rothe Trauben, assen vor uns her nach
Herzenslust; und mir, und denen welche "eben mir stunden, kam nichts Arges
in den Sinn, obgleich wir von der Höhe herunter unsre Brüder noch in Feuer
und Rauch stehen sahen, ein fürchterlich donnerndes Gelärm hörte" und nicht
entscheiden konnten, auf welcher Seite der Sieg war. Mittlerweile trieben
unsre Anführer uns immer höher den Berg hinan, auf dessen Gipfel ein enger
Paß zwischen Felsen durchgieng, der auf der andern Seite wieder hünmterführte.
Sobald nun unsre Avantgarde den erwähnten Gipfel erreicht hatte, gieng ein
entsetzlicher Musketenhagel an; und nun merkten wir erst, wo der Haas im
Stroh lag. Etliche Tausend Kaiserliche Pandureu waren nämlich auf der
audern Seite den Berg hinaus beordert, um unsrer Armee in den Rücken zu
fallen; dies? muß unsern Anführern verrathen worden seyn und wir mußten
ihnen darum zuvor kommen: ^Nur etliche Minuten späthcr, so hatten sie uns
die Höhe abgewonnen und wir. wahrscheinlich den Kürzern gezogen. Nu" setzte
es ein unbeschreibliches Blutbad ab, ehe man die Panduren aus jenem Gehölz
vertreiben konnte. Unsre Vordertruppen litten stark, allein die hintern drangen
ebenfalls über Kopf und Hals "ach, bis zuletzt alle die Höhe gewonnen
hatten.

Da mußten wir über Hügel vo" Todten und Verwundeten hinstolpern.
Alsdann giengs Hudri, Hudri, mit den Panduren die Weinberge hinunter,
sprungweise über eine Mauer nach der andern herab in die Ebene. Unsre ge-
borne Preussen und Brandenburger packten die Panduren wie Furien. Ich
selber war in Jast und Hitze wie vertaumelt, und, mir weder Furcht uoch
Schreckens bewußt, schoß ich eines Schiessens fast alle meine 60. Patronen
los, bis meine Flinte halb glühend war, und ich sie am Riemen nachschleppen
mußte; indessen glaub ich nicht, daß ich eine lebendige Seele traf, sondern
alles gieng in die freye Lust. Auf der Ebene am Wasser vor dem Städtchen
Lowositz posiirten sich die Panduren wieder, und pülferten tapfer in die Wein¬
berge hinauf, daß noch mancher vor und neben mir ins Gras biß. Preussen
und Panduren lagen überall durcheinander; und wo sich einer von diesen
letztern noch regte, wurde er mit der Kolbe vor den Kopf geschlagen, oder ihm
ein Bajonett durch den Leib geflossen. Und nun gieng in der Ebene das Ge¬
fecht von neuem an. Aber wer wird das beschreiben wollen, wo jetzt Rauch
und Dampf von Lowositz ausgieng; wo es krachte und donnerte, als ob
Himmel und Erde hätten zergehen wollen; wo das unaufhörliche Rumpeln
vieler hundert Trommeln, das herzzerschneidende und herzerhelnnde Ertönen
aller Art Feldmusik, das Rufen so vieler Commandeurs und das Brüllen ihrer
Adjutanten, das Zelter- und Mordivgeheul so vieler tausend elenden, zerquetsch¬
ten, halbtodten Opfer dieses Tages alle Sinnen betäubte! Um diese Zeit --
'es mochte etwa 3. Uhr seyn -- da Lowositz schon im Feuer stand, viele hun-


auf, brachen.unsre Hüte voll schöne rothe Trauben, assen vor uns her nach
Herzenslust; und mir, und denen welche »eben mir stunden, kam nichts Arges
in den Sinn, obgleich wir von der Höhe herunter unsre Brüder noch in Feuer
und Rauch stehen sahen, ein fürchterlich donnerndes Gelärm hörte» und nicht
entscheiden konnten, auf welcher Seite der Sieg war. Mittlerweile trieben
unsre Anführer uns immer höher den Berg hinan, auf dessen Gipfel ein enger
Paß zwischen Felsen durchgieng, der auf der andern Seite wieder hünmterführte.
Sobald nun unsre Avantgarde den erwähnten Gipfel erreicht hatte, gieng ein
entsetzlicher Musketenhagel an; und nun merkten wir erst, wo der Haas im
Stroh lag. Etliche Tausend Kaiserliche Pandureu waren nämlich auf der
audern Seite den Berg hinaus beordert, um unsrer Armee in den Rücken zu
fallen; dies? muß unsern Anführern verrathen worden seyn und wir mußten
ihnen darum zuvor kommen: ^Nur etliche Minuten späthcr, so hatten sie uns
die Höhe abgewonnen und wir. wahrscheinlich den Kürzern gezogen. Nu» setzte
es ein unbeschreibliches Blutbad ab, ehe man die Panduren aus jenem Gehölz
vertreiben konnte. Unsre Vordertruppen litten stark, allein die hintern drangen
ebenfalls über Kopf und Hals »ach, bis zuletzt alle die Höhe gewonnen
hatten.

Da mußten wir über Hügel vo» Todten und Verwundeten hinstolpern.
Alsdann giengs Hudri, Hudri, mit den Panduren die Weinberge hinunter,
sprungweise über eine Mauer nach der andern herab in die Ebene. Unsre ge-
borne Preussen und Brandenburger packten die Panduren wie Furien. Ich
selber war in Jast und Hitze wie vertaumelt, und, mir weder Furcht uoch
Schreckens bewußt, schoß ich eines Schiessens fast alle meine 60. Patronen
los, bis meine Flinte halb glühend war, und ich sie am Riemen nachschleppen
mußte; indessen glaub ich nicht, daß ich eine lebendige Seele traf, sondern
alles gieng in die freye Lust. Auf der Ebene am Wasser vor dem Städtchen
Lowositz posiirten sich die Panduren wieder, und pülferten tapfer in die Wein¬
berge hinauf, daß noch mancher vor und neben mir ins Gras biß. Preussen
und Panduren lagen überall durcheinander; und wo sich einer von diesen
letztern noch regte, wurde er mit der Kolbe vor den Kopf geschlagen, oder ihm
ein Bajonett durch den Leib geflossen. Und nun gieng in der Ebene das Ge¬
fecht von neuem an. Aber wer wird das beschreiben wollen, wo jetzt Rauch
und Dampf von Lowositz ausgieng; wo es krachte und donnerte, als ob
Himmel und Erde hätten zergehen wollen; wo das unaufhörliche Rumpeln
vieler hundert Trommeln, das herzzerschneidende und herzerhelnnde Ertönen
aller Art Feldmusik, das Rufen so vieler Commandeurs und das Brüllen ihrer
Adjutanten, das Zelter- und Mordivgeheul so vieler tausend elenden, zerquetsch¬
ten, halbtodten Opfer dieses Tages alle Sinnen betäubte! Um diese Zeit —
'es mochte etwa 3. Uhr seyn — da Lowositz schon im Feuer stand, viele hun-


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[0118] auf, brachen.unsre Hüte voll schöne rothe Trauben, assen vor uns her nach Herzenslust; und mir, und denen welche »eben mir stunden, kam nichts Arges in den Sinn, obgleich wir von der Höhe herunter unsre Brüder noch in Feuer und Rauch stehen sahen, ein fürchterlich donnerndes Gelärm hörte» und nicht entscheiden konnten, auf welcher Seite der Sieg war. Mittlerweile trieben unsre Anführer uns immer höher den Berg hinan, auf dessen Gipfel ein enger Paß zwischen Felsen durchgieng, der auf der andern Seite wieder hünmterführte. Sobald nun unsre Avantgarde den erwähnten Gipfel erreicht hatte, gieng ein entsetzlicher Musketenhagel an; und nun merkten wir erst, wo der Haas im Stroh lag. Etliche Tausend Kaiserliche Pandureu waren nämlich auf der audern Seite den Berg hinaus beordert, um unsrer Armee in den Rücken zu fallen; dies? muß unsern Anführern verrathen worden seyn und wir mußten ihnen darum zuvor kommen: ^Nur etliche Minuten späthcr, so hatten sie uns die Höhe abgewonnen und wir. wahrscheinlich den Kürzern gezogen. Nu» setzte es ein unbeschreibliches Blutbad ab, ehe man die Panduren aus jenem Gehölz vertreiben konnte. Unsre Vordertruppen litten stark, allein die hintern drangen ebenfalls über Kopf und Hals »ach, bis zuletzt alle die Höhe gewonnen hatten. Da mußten wir über Hügel vo» Todten und Verwundeten hinstolpern. Alsdann giengs Hudri, Hudri, mit den Panduren die Weinberge hinunter, sprungweise über eine Mauer nach der andern herab in die Ebene. Unsre ge- borne Preussen und Brandenburger packten die Panduren wie Furien. Ich selber war in Jast und Hitze wie vertaumelt, und, mir weder Furcht uoch Schreckens bewußt, schoß ich eines Schiessens fast alle meine 60. Patronen los, bis meine Flinte halb glühend war, und ich sie am Riemen nachschleppen mußte; indessen glaub ich nicht, daß ich eine lebendige Seele traf, sondern alles gieng in die freye Lust. Auf der Ebene am Wasser vor dem Städtchen Lowositz posiirten sich die Panduren wieder, und pülferten tapfer in die Wein¬ berge hinauf, daß noch mancher vor und neben mir ins Gras biß. Preussen und Panduren lagen überall durcheinander; und wo sich einer von diesen letztern noch regte, wurde er mit der Kolbe vor den Kopf geschlagen, oder ihm ein Bajonett durch den Leib geflossen. Und nun gieng in der Ebene das Ge¬ fecht von neuem an. Aber wer wird das beschreiben wollen, wo jetzt Rauch und Dampf von Lowositz ausgieng; wo es krachte und donnerte, als ob Himmel und Erde hätten zergehen wollen; wo das unaufhörliche Rumpeln vieler hundert Trommeln, das herzzerschneidende und herzerhelnnde Ertönen aller Art Feldmusik, das Rufen so vieler Commandeurs und das Brüllen ihrer Adjutanten, das Zelter- und Mordivgeheul so vieler tausend elenden, zerquetsch¬ ten, halbtodten Opfer dieses Tages alle Sinnen betäubte! Um diese Zeit — 'es mochte etwa 3. Uhr seyn — da Lowositz schon im Feuer stand, viele hun-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/118>, abgerufen am 23.07.2024.