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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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und geht's nicht,. Ich. So will ich's dem Herr König klagen.-- Hier lachten alle
hoch auf. -- Er. Da kömmt er sein Tage nicht hin. Ich. Oder, wo muß ich
mich sonst denn melden? Er. Bey unserm Major, wenn Er will. Aber das ist
alles umsonst. Ich. Nun so will ich's doch probieren,ob's -- ob's so gelte?
-- Die Bursche lachten wieder. -- (Der Major prügelt ihn zur Thür hinaus.) --

Des Nachmittags brachte mir der Feldweibel mein Commisbrodt, nebst
Unter- und Uebergewehr, u. s. s. und fragte: Ob ich mich nun eines Bessern
bedacht? "Warum nicht"? antwortete Zittemann für mich: "Er ist der beste
Bursch' von der Welt". Jtzt führte man mich in die Montirungskammer,
und paßte mir Hosen, Schuh und Stiefeletten an; gab mir einen Hut, Hals¬
binde, Strümpfe u. s. f. Dann mußte ich mit noch etwa zwanzig andern
Rekruten zum Herrn Oberst Latorf. Man führte uns in ein Gemach, so
groß wie eine Kirche, brachte etliche zerlöcherte Fahnen herbey, und befahl jedem
einen Zipfel anzufassen. Ein Adjutant, oder wer er war, las' uns einen ganzen
Sack voll Kriegsartikel her, und sprach uns einige Worte vor, welche die
mehrern nachmurmcUen; ich regte mein Maul nicht -- dachte dafür was ich
gern wollte -- ich glaube an Aermchen; schwung dann die Fahne über unsre
Köpfe, und entließ uns. Hierauf gieng ich in eine Garküche, und ließ mir
ein Mittagessen, nebst einem Krug Bier, geben. Dafür mußt ich zwei Groschen
zahlen. Nun blieben mir von jenen sechsen noch viere übrig; mit diesen sollt
ich auf vier Tage wirthschaften -- und sie reichten doch blos für zweene hin.
Bey dieser Ueberrechnuug fieng ich gegen meine Kameraden schrecklich zu
lamentiren an. Allein Crau, einer derselben, sagte mir mit Lachen: "Es wird
dich schon lehren. Jtzt thut es nichts; hast ja noch allerley zu verkaufen!
Per Exempel deine ganze Dienermontur. Dann bist du gar itzt doppelt ar-
mirt; das läßt sich alles versilbern. Und dann des Menage wegen, nur fein
aufmerksam zugesehn, wie's die andern machen. Da Heben's drey, vier bis
fünf mit einander an; kaufen Dinkel, Erbsen, Erdbirn u. d. gi. und kochen
selbst. Des Morgens um en Dreyer Fusel und en Stück Commisbrodt:
Mittags hohlen sie in der Garküche um en andern Dreyer Suppe, und
nehmen wieder en Stück Commis: Des Abends um zwey Pfenning Kovent
oder Dünnbier, und abermals Commis." "Aber, das ist beim strebt ein
verdammtes Leben", versetzt ich; und Er: Ja! So kommt man aus, und än¬
derst nicht. Ein Soldat muß das lernen; denn eS braucht noch viel andre
Waar: Kreide, Puder, Schuhwar, Oehl, Schmiergel, Seife, und was der
hundert Siebensachen mehr sind. -- Ich. Und das muß einer alles aus den
sechs Groschen bezahlen? Er. Ja! und noch viel mehr; wie z. B. den Lohn
für die Wasche, für daS Gewehrputzen u. s. f. wenn er solche Dinge nicht
selber kann. -- Damit giengen wir in unser Quartier; und ich machte alles
so gut ich konnte und mochte.


und geht's nicht,. Ich. So will ich's dem Herr König klagen.— Hier lachten alle
hoch auf. — Er. Da kömmt er sein Tage nicht hin. Ich. Oder, wo muß ich
mich sonst denn melden? Er. Bey unserm Major, wenn Er will. Aber das ist
alles umsonst. Ich. Nun so will ich's doch probieren,ob's — ob's so gelte?
— Die Bursche lachten wieder. — (Der Major prügelt ihn zur Thür hinaus.) —

Des Nachmittags brachte mir der Feldweibel mein Commisbrodt, nebst
Unter- und Uebergewehr, u. s. s. und fragte: Ob ich mich nun eines Bessern
bedacht? „Warum nicht"? antwortete Zittemann für mich: „Er ist der beste
Bursch' von der Welt". Jtzt führte man mich in die Montirungskammer,
und paßte mir Hosen, Schuh und Stiefeletten an; gab mir einen Hut, Hals¬
binde, Strümpfe u. s. f. Dann mußte ich mit noch etwa zwanzig andern
Rekruten zum Herrn Oberst Latorf. Man führte uns in ein Gemach, so
groß wie eine Kirche, brachte etliche zerlöcherte Fahnen herbey, und befahl jedem
einen Zipfel anzufassen. Ein Adjutant, oder wer er war, las' uns einen ganzen
Sack voll Kriegsartikel her, und sprach uns einige Worte vor, welche die
mehrern nachmurmcUen; ich regte mein Maul nicht — dachte dafür was ich
gern wollte — ich glaube an Aermchen; schwung dann die Fahne über unsre
Köpfe, und entließ uns. Hierauf gieng ich in eine Garküche, und ließ mir
ein Mittagessen, nebst einem Krug Bier, geben. Dafür mußt ich zwei Groschen
zahlen. Nun blieben mir von jenen sechsen noch viere übrig; mit diesen sollt
ich auf vier Tage wirthschaften — und sie reichten doch blos für zweene hin.
Bey dieser Ueberrechnuug fieng ich gegen meine Kameraden schrecklich zu
lamentiren an. Allein Crau, einer derselben, sagte mir mit Lachen: „Es wird
dich schon lehren. Jtzt thut es nichts; hast ja noch allerley zu verkaufen!
Per Exempel deine ganze Dienermontur. Dann bist du gar itzt doppelt ar-
mirt; das läßt sich alles versilbern. Und dann des Menage wegen, nur fein
aufmerksam zugesehn, wie's die andern machen. Da Heben's drey, vier bis
fünf mit einander an; kaufen Dinkel, Erbsen, Erdbirn u. d. gi. und kochen
selbst. Des Morgens um en Dreyer Fusel und en Stück Commisbrodt:
Mittags hohlen sie in der Garküche um en andern Dreyer Suppe, und
nehmen wieder en Stück Commis: Des Abends um zwey Pfenning Kovent
oder Dünnbier, und abermals Commis." „Aber, das ist beim strebt ein
verdammtes Leben", versetzt ich; und Er: Ja! So kommt man aus, und än¬
derst nicht. Ein Soldat muß das lernen; denn eS braucht noch viel andre
Waar: Kreide, Puder, Schuhwar, Oehl, Schmiergel, Seife, und was der
hundert Siebensachen mehr sind. — Ich. Und das muß einer alles aus den
sechs Groschen bezahlen? Er. Ja! und noch viel mehr; wie z. B. den Lohn
für die Wasche, für daS Gewehrputzen u. s. f. wenn er solche Dinge nicht
selber kann. — Damit giengen wir in unser Quartier; und ich machte alles
so gut ich konnte und mochte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/112>, abgerufen am 23.07.2024.