Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.den Gebäuden, die jetzt der Admiralitätscommission eingeräumt sind, lagerten mehre Wie Sie aus den Zeitungen erfahren haben werden, wurde mir Kertsch von Seit etwa acht Tagen haben wir hier viel von der Hitze zu leiden, die nur Ungeachtet die eigentliche oder alte Societe von Pera zur Zeit auf dem Lande, Zum Schluß noch eine Anfrage: Hat man in Deutschland schon vom "Seelen¬ den Gebäuden, die jetzt der Admiralitätscommission eingeräumt sind, lagerten mehre Wie Sie aus den Zeitungen erfahren haben werden, wurde mir Kertsch von Seit etwa acht Tagen haben wir hier viel von der Hitze zu leiden, die nur Ungeachtet die eigentliche oder alte Societe von Pera zur Zeit auf dem Lande, Zum Schluß noch eine Anfrage: Hat man in Deutschland schon vom „Seelen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100006"/> <p xml:id="ID_233" prev="#ID_232"> den Gebäuden, die jetzt der Admiralitätscommission eingeräumt sind, lagerten mehre<lb/> hundert, auch in dem hier sich tummelnden Gewühl der verschiedenartigsten<lb/> Nationen sich ziemlich fremdartig ausnehmende Gestalten. Man hatte in den<lb/> Gruppen, welche sie ausmachten, die mannigfaltigsten Sprachen, zum Theil neben<lb/> Spanisch und Russisch auch Deutsch. Die Leute, welche auf Kasten und Küsten saßen,<lb/> waren Juden aus Kertsch. Als die Verbündeten diesen Platz zu räumen beschlossen,<lb/> nahmen sie denjenigen Theil der Bevölkerung an Bord, welcher darnach den Wunsch<lb/> ausgesprochen und die Rückkunft der Russen fürchtete. Die darum Petitiouireuden<lb/> waren, wie sich denken läßt, keine Russen, sondern Ausländer, welche der Handel<lb/> aus den Platz geführt hatte. Anfangs scheint man seltsamer und unerklärlicherweise<lb/> die Absicht gehabt zu haben, diese Auswandrer aus der Krim selbst und zwar bei<lb/> Jolta ans Land zu setzen, bis man sich bestimmen ließ, sie hierher zu bringen.<lb/> Man weiß selbstredend noch nicht, was ans ihnen werden wird. Vor der Hand<lb/> scheint die englische Hafendirection ihre Verpflegung übernommen zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_234"> Wie Sie aus den Zeitungen erfahren haben werden, wurde mir Kertsch von<lb/> den Verbündeten wieder aufgegeben und darnach verbrannt. Jenikale dagegen<lb/> blieb von einer combinirten Diviston, bestehend aus 3000 Maun Türken, zwei<lb/> französischen und einem englischen Infanterieregiment besetzt. Aus Araya will man<lb/> hier wissen, dieser Platz sei von den Russen aufs neue besetzt worden. Mir scheint<lb/> die Nachricht alleu Zweifel zu verdienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_235"> Seit etwa acht Tagen haben wir hier viel von der Hitze zu leiden, die nur<lb/> dann und wann von einem sanften Nordwind abgekühlt wird. Auch des Nachts<lb/> erhält sich das Thermometer ans 20" Reaumur. Mir fällt dabei ein, daß ich<lb/> neulich in dem Lehrbuch der Physik von Müller und zwar in der darin mitgetheilten<lb/> Mahlmannschen Tabelle über mittlere Temperatur verschiedener Orte in Betreff<lb/> Konstantinopels mehre Angaben sand, die mir mit der Wahrheit, oder richtiger zu<lb/> sagen mit meinen eignen Beobachtungen dermaßen in Widerspruch zu stehen scheine»,<lb/> daß ich mich veranlaßt sehe, darauf aufmerksam zu machen. Die mittlere Wärme<lb/> der drei Wintermonate gibt Mahlmann auf -s- i,8 C. (der hunderttheiligen<lb/> Skala) an. Es ist ziemlich sicher, daß sie doppelt so hoch zu stehen kommt; des¬<lb/> gleichen ist die mittlere Temperatur der drei Frühjahrsmonate mit 11,0 C.<lb/> wol zu gering veranschlagt.'</p><lb/> <p xml:id="ID_236"> Ungeachtet die eigentliche oder alte Societe von Pera zur Zeit auf dem Lande,<lb/> zumeist in ihren Villen und Landhäusern am Bosporus weilt, herrscht dennoch in<lb/> der Stadt ein lautes und reges Leben. Alle Gasthöfe sind dicht besetzt, am meisten<lb/> das Hotel de l'Angleterre in der großen Pcrastraße, welches sein älteres Local<lb/> mit dem frühern der preußischen Gesandtschaft vertauscht hat und nunmehr die Re¬<lb/> sidenz der hier durchreisenden oder ansässig werdenden englischen Gesellschaft ist.<lb/> Im Gegensatz zu den Engländern haben die Franzosen ihren geselligen Mittel¬<lb/> punkt, wo die ho Herr Offiziere absteigen und speisen, im Hotel de l'Europe, neben<lb/> dem erstgenannten der zweitbeste nnter den hiesigen Gastlwfen. Man kann<lb/> interessante vergleichende Studien über den Charakter der beiden Nationen anstellen,<lb/> wenn man nacheinander den einen und andern Ort besucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_237" next="#ID_238"> Zum Schluß noch eine Anfrage: Hat man in Deutschland schon vom „Seelen¬<lb/> schreiben" (Psychographie) gehört? Lassen Sie sich über diesen Punkt Nachstehendes</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
den Gebäuden, die jetzt der Admiralitätscommission eingeräumt sind, lagerten mehre
hundert, auch in dem hier sich tummelnden Gewühl der verschiedenartigsten
Nationen sich ziemlich fremdartig ausnehmende Gestalten. Man hatte in den
Gruppen, welche sie ausmachten, die mannigfaltigsten Sprachen, zum Theil neben
Spanisch und Russisch auch Deutsch. Die Leute, welche auf Kasten und Küsten saßen,
waren Juden aus Kertsch. Als die Verbündeten diesen Platz zu räumen beschlossen,
nahmen sie denjenigen Theil der Bevölkerung an Bord, welcher darnach den Wunsch
ausgesprochen und die Rückkunft der Russen fürchtete. Die darum Petitiouireuden
waren, wie sich denken läßt, keine Russen, sondern Ausländer, welche der Handel
aus den Platz geführt hatte. Anfangs scheint man seltsamer und unerklärlicherweise
die Absicht gehabt zu haben, diese Auswandrer aus der Krim selbst und zwar bei
Jolta ans Land zu setzen, bis man sich bestimmen ließ, sie hierher zu bringen.
Man weiß selbstredend noch nicht, was ans ihnen werden wird. Vor der Hand
scheint die englische Hafendirection ihre Verpflegung übernommen zu haben.
Wie Sie aus den Zeitungen erfahren haben werden, wurde mir Kertsch von
den Verbündeten wieder aufgegeben und darnach verbrannt. Jenikale dagegen
blieb von einer combinirten Diviston, bestehend aus 3000 Maun Türken, zwei
französischen und einem englischen Infanterieregiment besetzt. Aus Araya will man
hier wissen, dieser Platz sei von den Russen aufs neue besetzt worden. Mir scheint
die Nachricht alleu Zweifel zu verdienen.
Seit etwa acht Tagen haben wir hier viel von der Hitze zu leiden, die nur
dann und wann von einem sanften Nordwind abgekühlt wird. Auch des Nachts
erhält sich das Thermometer ans 20" Reaumur. Mir fällt dabei ein, daß ich
neulich in dem Lehrbuch der Physik von Müller und zwar in der darin mitgetheilten
Mahlmannschen Tabelle über mittlere Temperatur verschiedener Orte in Betreff
Konstantinopels mehre Angaben sand, die mir mit der Wahrheit, oder richtiger zu
sagen mit meinen eignen Beobachtungen dermaßen in Widerspruch zu stehen scheine»,
daß ich mich veranlaßt sehe, darauf aufmerksam zu machen. Die mittlere Wärme
der drei Wintermonate gibt Mahlmann auf -s- i,8 C. (der hunderttheiligen
Skala) an. Es ist ziemlich sicher, daß sie doppelt so hoch zu stehen kommt; des¬
gleichen ist die mittlere Temperatur der drei Frühjahrsmonate mit 11,0 C.
wol zu gering veranschlagt.'
Ungeachtet die eigentliche oder alte Societe von Pera zur Zeit auf dem Lande,
zumeist in ihren Villen und Landhäusern am Bosporus weilt, herrscht dennoch in
der Stadt ein lautes und reges Leben. Alle Gasthöfe sind dicht besetzt, am meisten
das Hotel de l'Angleterre in der großen Pcrastraße, welches sein älteres Local
mit dem frühern der preußischen Gesandtschaft vertauscht hat und nunmehr die Re¬
sidenz der hier durchreisenden oder ansässig werdenden englischen Gesellschaft ist.
Im Gegensatz zu den Engländern haben die Franzosen ihren geselligen Mittel¬
punkt, wo die ho Herr Offiziere absteigen und speisen, im Hotel de l'Europe, neben
dem erstgenannten der zweitbeste nnter den hiesigen Gastlwfen. Man kann
interessante vergleichende Studien über den Charakter der beiden Nationen anstellen,
wenn man nacheinander den einen und andern Ort besucht.
Zum Schluß noch eine Anfrage: Hat man in Deutschland schon vom „Seelen¬
schreiben" (Psychographie) gehört? Lassen Sie sich über diesen Punkt Nachstehendes
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |