Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.schieden" englische Offizier- und Armeebeamtenfamilien ihren Sitz in Kadikoj genom¬ Es war am Tage nach dem Brande, zwischen drei und vier Uhr Nachmittags, Der kleine Dampfer, welcher uns zum andern Ufer überführen sollte, war der- schieden« englische Offizier- und Armeebeamtenfamilien ihren Sitz in Kadikoj genom¬ Es war am Tage nach dem Brande, zwischen drei und vier Uhr Nachmittags, Der kleine Dampfer, welcher uns zum andern Ufer überführen sollte, war der- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0524" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100444"/> <p xml:id="ID_1493" prev="#ID_1492"> schieden« englische Offizier- und Armeebeamtenfamilien ihren Sitz in Kadikoj genom¬<lb/> men, wiewol die eigentliche Residenz dieser britischen Einwanderer von Anfang an<lb/> Skutari war und seitdem geblieben ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1494"> Es war am Tage nach dem Brande, zwischen drei und vier Uhr Nachmittags,<lb/> als ich auf der sogenannten neuen oder der äußeren (seewärtigen), Konstantinopel<lb/> mit dem Gegenufer des Hafens (goldenen Hornes), verbindenden Brücke anlangte,<lb/> um am Bord eines der hier in der Regel anlegenden Bosporusdampfer nach dem<lb/> so schwer heimgesuchten Dorfe überzufahren. Der Brückenbelag ruht aus einer<lb/> langen Reihe nach beiden Seiten hin fest auf dem Meeresgrunde geankerter Pon¬<lb/> tons, und war eben erst wieder geschlossen worden, nachdem kurz zuvor ein mächtiger<lb/> englischer Dampfer seinen Weg durch die Oeffnung hindurch nach dem türkischen<lb/> Arsenal genommen hatte. Noch bewegte sich die Flut von den Schlägen der<lb/> Schaufelräder und mehr vielleicht unter der Einwirkung einer frischen Briefe, die<lb/> aus der Richtung der Prinzeninseln blies und die Wellen mit weißen Schaumkap¬<lb/> pen auf dem Haupt, im unaufhörlichen Andrange gegen die Serailspitze anprallen<lb/> und dort tosend, und indem sie hohe, im Sonnenschein regenbogenfarbig schillernde<lb/> Gischtsäulen aufspritzten, zerschellen ließ. Der kleine Raddampfer lag schon sertig da,<lb/> und ich hatte kaum Zeit unter dem Brückengeländer hinwegkriechcnd und von<lb/> Planke zu Planke springend, mich auf einem nur hier zu Lande für das Publicum<lb/> ausreichend erachteten Pfade an Bord zu begeben, als er schon abstieß und damit<lb/> viele Wartende enttäuschte, welche auf der Brücke stehend dieselbe Fahrgelegenheit<lb/> hatten benutzen wollen. Das Schiff hatte vordem bessere Tage gesehen. Es war<lb/> ursprünglich einer jener „Luxuswapurs" (im Türkischen heißt Wapur das Dampf¬<lb/> schiff) gewesen, die vor einem Jahrzehnt und länger unter den türkischen Großen<lb/> ein Modeartikel waren. Von dieser seiner früheren Bestimmung konnte man nur<lb/> wenig aus dem Verdeck, mehr noch in der kleinen und ziemlich bequem eingerichteten<lb/> Kajüte, die indeß für die zahlreichen Passagiere einen nicht zum achten Theil aus¬<lb/> reichenden Raum darbot, wahrnehmen. Hier hing noch einer der Spiegel mit<lb/> reich vergoldetem Rahmen, die sie früher geschmückt hatten; durch den Cigarrendampf<lb/> war er indeß mit der Zeit von einer Art Nußfarbe überzogen worden. Die<lb/> Divanüberzüge befanden sich in einem dem Spiegel entsprechenden Zustande. Ich<lb/> zog es vor, auf dem Verdeck zu verbleiben, welches dicht mit Passagieren, Franken<lb/> und Türken besetzt war, die auf jenen niedrigen, mit Binsen beflochtenen, vier¬<lb/> beinigen Holzschemeln saßen, wie man sie hier vor jedem Kaffeehause stehen sieht,<lb/> und die den Uebergang aus der sitzenden Position aus europäischen Stühlen zu der<lb/> anderen sitzenden auf ü la ^urka untergeschlagenen Beinen vermitteln zu sollen<lb/> scheinen. Durch Zufall hatte ich meinen Platz mitten unter Landsleuten genom¬<lb/> men, die meistens dem Kaufmannsstande angehörig, beiläufig bemerkt, in den<lb/> letzten Jahren hier immer zahlreicher geworden sind und unter den sonstigen Kolo¬<lb/> nisten sich eines besonders guten Rufes und auch als Kapitalisten eines mehr und<lb/> mehr wachsenden Ansehens erfreuen. Hauptthema des Gespräches war natürlich<lb/> der Brand, und neben diesem wurde ein auf dem Bosporus vorgekommener Un¬<lb/> glücksfall (ein Dampfschiff war auf eine Klippe aufgeräumt und lag dort noch fest)<lb/> discutirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1495" next="#ID_1496"> Der kleine Dampfer, welcher uns zum andern Ufer überführen sollte, war der-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0524]
schieden« englische Offizier- und Armeebeamtenfamilien ihren Sitz in Kadikoj genom¬
men, wiewol die eigentliche Residenz dieser britischen Einwanderer von Anfang an
Skutari war und seitdem geblieben ist.
Es war am Tage nach dem Brande, zwischen drei und vier Uhr Nachmittags,
als ich auf der sogenannten neuen oder der äußeren (seewärtigen), Konstantinopel
mit dem Gegenufer des Hafens (goldenen Hornes), verbindenden Brücke anlangte,
um am Bord eines der hier in der Regel anlegenden Bosporusdampfer nach dem
so schwer heimgesuchten Dorfe überzufahren. Der Brückenbelag ruht aus einer
langen Reihe nach beiden Seiten hin fest auf dem Meeresgrunde geankerter Pon¬
tons, und war eben erst wieder geschlossen worden, nachdem kurz zuvor ein mächtiger
englischer Dampfer seinen Weg durch die Oeffnung hindurch nach dem türkischen
Arsenal genommen hatte. Noch bewegte sich die Flut von den Schlägen der
Schaufelräder und mehr vielleicht unter der Einwirkung einer frischen Briefe, die
aus der Richtung der Prinzeninseln blies und die Wellen mit weißen Schaumkap¬
pen auf dem Haupt, im unaufhörlichen Andrange gegen die Serailspitze anprallen
und dort tosend, und indem sie hohe, im Sonnenschein regenbogenfarbig schillernde
Gischtsäulen aufspritzten, zerschellen ließ. Der kleine Raddampfer lag schon sertig da,
und ich hatte kaum Zeit unter dem Brückengeländer hinwegkriechcnd und von
Planke zu Planke springend, mich auf einem nur hier zu Lande für das Publicum
ausreichend erachteten Pfade an Bord zu begeben, als er schon abstieß und damit
viele Wartende enttäuschte, welche auf der Brücke stehend dieselbe Fahrgelegenheit
hatten benutzen wollen. Das Schiff hatte vordem bessere Tage gesehen. Es war
ursprünglich einer jener „Luxuswapurs" (im Türkischen heißt Wapur das Dampf¬
schiff) gewesen, die vor einem Jahrzehnt und länger unter den türkischen Großen
ein Modeartikel waren. Von dieser seiner früheren Bestimmung konnte man nur
wenig aus dem Verdeck, mehr noch in der kleinen und ziemlich bequem eingerichteten
Kajüte, die indeß für die zahlreichen Passagiere einen nicht zum achten Theil aus¬
reichenden Raum darbot, wahrnehmen. Hier hing noch einer der Spiegel mit
reich vergoldetem Rahmen, die sie früher geschmückt hatten; durch den Cigarrendampf
war er indeß mit der Zeit von einer Art Nußfarbe überzogen worden. Die
Divanüberzüge befanden sich in einem dem Spiegel entsprechenden Zustande. Ich
zog es vor, auf dem Verdeck zu verbleiben, welches dicht mit Passagieren, Franken
und Türken besetzt war, die auf jenen niedrigen, mit Binsen beflochtenen, vier¬
beinigen Holzschemeln saßen, wie man sie hier vor jedem Kaffeehause stehen sieht,
und die den Uebergang aus der sitzenden Position aus europäischen Stühlen zu der
anderen sitzenden auf ü la ^urka untergeschlagenen Beinen vermitteln zu sollen
scheinen. Durch Zufall hatte ich meinen Platz mitten unter Landsleuten genom¬
men, die meistens dem Kaufmannsstande angehörig, beiläufig bemerkt, in den
letzten Jahren hier immer zahlreicher geworden sind und unter den sonstigen Kolo¬
nisten sich eines besonders guten Rufes und auch als Kapitalisten eines mehr und
mehr wachsenden Ansehens erfreuen. Hauptthema des Gespräches war natürlich
der Brand, und neben diesem wurde ein auf dem Bosporus vorgekommener Un¬
glücksfall (ein Dampfschiff war auf eine Klippe aufgeräumt und lag dort noch fest)
discutirt.
Der kleine Dampfer, welcher uns zum andern Ufer überführen sollte, war der-
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