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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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eine skeptische und negative Natur von mephistophelischer Färbung, hatte den
überlieferten Zwiespalt mit Preußen geschürft, statt ihn zu mildern, hatte in den
Kampf für den großen gemeinsamen Zweck diplomatische Kabalen getragen und
Belgien, den Preis des Kampfes, aufgegeben, um dafür Baiern einzutauschen
und in Polen sich zu entschädigen. Der preußische Minister, Graf Haugwitz, ein
gewandter, vielerfahrener Höfling, kein Staatsmann, leer an gründlichen Kennt¬
nissen, ohne Geschäftserfahrung, faul, abgespannt, zerstreut, wußte gefügig den
wechselnden Zeitströmungen sich anzupassen und brachte die preußische Politik in
den Ruf jener verschlagenen Pfiffigkeit, welche doch nur die trügerische Kunst
vorübergehender Auskunftsmittel ist. Seine Staatskunst verscherzte, was mit '
dein guten, tapferen Schwerte der preußischen Soldaten gewonnen war. Sie
brachte es dahin, daß Frankreich an den Rhein mitten ins deutsche Gebiet
vorrückte, daß Rußland im Osten den Zwischenraum übersprang, der es von
Deutschland trennte.

In Preußen sprach sich über den baseler Separatfrieden eine selbstgenug-
same Zufriedenheit aus: es wurde sogar die Meinung laut, dieser Friede ge¬
nüge noch nicht: ein enges Bündniß mit der Republik Frankreich sei die
natürliche Politik Preußens. In der deutschen und östreichischen Presse erhob
sich dagegen ein Sturm gegen Preußen: es unterhalte mit dem Neichsfeinde
freundschaftlichen Zusammenhang: eS stimme wie Judas noch an dem Tische
des Kaisers und seiner versammelten Mitstände für die Eingehung eines ge¬
meinsamen Friedens. Preußen erwiederte, der Friede sei ihm eine Nothwendig¬
keit gewesen: da der allgemeine Friede nicht zu erreichen war, habe es einen
Separatfrieden schließen müssen, den es jedoch nur als Mittel zur Herstellung
des Reichsfriedens ansehe. Es hätte zu seiner Entschuldigung noch anführen
können, daß auch Oestreich und die Reichsfürsten ihre Sonderinteressen ver¬
folgten, daß von den bewilligten 30 Steuermonaten Ostern 1793 43 Reichs¬
stände nur einen Theil und 94 gar nichts bezahlt hatten.

Aus dem Reichstage zu Regens bürg suchte Preußen nunmehr zu seinem
Separatfrieden womöglich daS ganze Reich, wenn auch im Nothfall ohne den
Kaiser, herüberzuziehen: Oestreich dagegen strebte mit allen Mitteln die Mehr¬
zahl der Reichsstände bei seiner Politik festzuhalten und ihnen den Uebergang
zur preußischen Neutralität zu verwehren.

Nach bewegten Verhandlungen kam endlich am 3. Juli ein Reichsgutachten
zu Stande, das einen Mittelweg einschlug. Die preußische Friedensvermitte¬
lung wurde zwar nicht abgelehnt, aber doch in einer Weise genehmigt, daß
Oestreich zustimmen konnte. Man beschloß, "in ungetheilter, unwandelbarer
Vereinigung sämmtlicher Reichsstände mit dem Reichsoberhaupt einen allge¬
meinen Reichsfrieden im Wege der Konstitution und durch denselben Wieder¬
herstellung der Integrität seines Gebiets und Sicherheit seiner Verfassung je


eine skeptische und negative Natur von mephistophelischer Färbung, hatte den
überlieferten Zwiespalt mit Preußen geschürft, statt ihn zu mildern, hatte in den
Kampf für den großen gemeinsamen Zweck diplomatische Kabalen getragen und
Belgien, den Preis des Kampfes, aufgegeben, um dafür Baiern einzutauschen
und in Polen sich zu entschädigen. Der preußische Minister, Graf Haugwitz, ein
gewandter, vielerfahrener Höfling, kein Staatsmann, leer an gründlichen Kennt¬
nissen, ohne Geschäftserfahrung, faul, abgespannt, zerstreut, wußte gefügig den
wechselnden Zeitströmungen sich anzupassen und brachte die preußische Politik in
den Ruf jener verschlagenen Pfiffigkeit, welche doch nur die trügerische Kunst
vorübergehender Auskunftsmittel ist. Seine Staatskunst verscherzte, was mit '
dein guten, tapferen Schwerte der preußischen Soldaten gewonnen war. Sie
brachte es dahin, daß Frankreich an den Rhein mitten ins deutsche Gebiet
vorrückte, daß Rußland im Osten den Zwischenraum übersprang, der es von
Deutschland trennte.

In Preußen sprach sich über den baseler Separatfrieden eine selbstgenug-
same Zufriedenheit aus: es wurde sogar die Meinung laut, dieser Friede ge¬
nüge noch nicht: ein enges Bündniß mit der Republik Frankreich sei die
natürliche Politik Preußens. In der deutschen und östreichischen Presse erhob
sich dagegen ein Sturm gegen Preußen: es unterhalte mit dem Neichsfeinde
freundschaftlichen Zusammenhang: eS stimme wie Judas noch an dem Tische
des Kaisers und seiner versammelten Mitstände für die Eingehung eines ge¬
meinsamen Friedens. Preußen erwiederte, der Friede sei ihm eine Nothwendig¬
keit gewesen: da der allgemeine Friede nicht zu erreichen war, habe es einen
Separatfrieden schließen müssen, den es jedoch nur als Mittel zur Herstellung
des Reichsfriedens ansehe. Es hätte zu seiner Entschuldigung noch anführen
können, daß auch Oestreich und die Reichsfürsten ihre Sonderinteressen ver¬
folgten, daß von den bewilligten 30 Steuermonaten Ostern 1793 43 Reichs¬
stände nur einen Theil und 94 gar nichts bezahlt hatten.

Aus dem Reichstage zu Regens bürg suchte Preußen nunmehr zu seinem
Separatfrieden womöglich daS ganze Reich, wenn auch im Nothfall ohne den
Kaiser, herüberzuziehen: Oestreich dagegen strebte mit allen Mitteln die Mehr¬
zahl der Reichsstände bei seiner Politik festzuhalten und ihnen den Uebergang
zur preußischen Neutralität zu verwehren.

Nach bewegten Verhandlungen kam endlich am 3. Juli ein Reichsgutachten
zu Stande, das einen Mittelweg einschlug. Die preußische Friedensvermitte¬
lung wurde zwar nicht abgelehnt, aber doch in einer Weise genehmigt, daß
Oestreich zustimmen konnte. Man beschloß, „in ungetheilter, unwandelbarer
Vereinigung sämmtlicher Reichsstände mit dem Reichsoberhaupt einen allge¬
meinen Reichsfrieden im Wege der Konstitution und durch denselben Wieder¬
herstellung der Integrität seines Gebiets und Sicherheit seiner Verfassung je


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/413>, abgerufen am 22.12.2024.