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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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ist es schwer, und erheischt die ganze Ueberlegung und namentlich umfassende
Vorstudien des mit der Wahl betrauten Ingenieurs. Die Rücksichten, welche
derselbe zu nehmen hat, sind doppelte, und zwar hauptsächlich in Bezug darauf,
daß der Angriff nicht allein auf die Offensive Bedacht zu nehmen hat, sondern
auch gewisse Momente ins Auge fassen muß, in welchen er sich, etwa einem
Ausfalle oder irgendeinem Rückschläge der Festung gegenüber, in defensiver
Situation befindet. Außerdem theilen Festung und Vorterrain die Aufmerksam¬
keit. In Hinsicht auf die Festung ist es entscheidend, ob die anzugreifende
Fronte umfaßt werden kann, also eine vorspringende Lage hat, ob sie von
ihren Nebenfronten eine möglichst geringe Unterstützung erhält, die Haupt¬
linien ihrer Werke bequem der Länge nach bestrichen werden können, und keine
vorgelegenen Schanzen oder detaschirte Forts, weder direct, noch durch Feuer
von der Flanke her den Zugang behindern. Das Vorterrain dagegen ist den
Angriffsoperationen günstig, wenn es verhältnißmäßig nahe zur Festung hin
eine gedeckte Annäherung gestattet, die gesicherte Zufuhr der Belagerungsbe¬
dürfnisse erleichtert, ein nahelegen der Parks und Depots ermöglicht, zugleich
durch seine Bodenbeschaffenheit die Erdarbeiten erleichtert.

Untersucht man, inwiefern diese Grundsätze von den Verbündeten vor
Sebastopol beobachtet worden sind, so kann man zunächst nicht unbemerkt
lassen, daß dieselben im Grunde genommen gar keine bestimmte Wahl getroffen
haben. An und sür sich kann es schwerlich gebilligt werden, daß man, an Statt
das Fort Severnaja (im Norden) anzugreifen, welches als Schlüssel des Platzes
betrachtet werden muß, sich gegen die Stadtbefestigung wendete; glaubt man
aber, daß Oertlichkeit und Stärkenverhältnisse zu diesem Entschlüsse zwangen,
so war es mindestens entschieden falsch, die Mittel des Angriffs auf einen
Raum, der von dem Quarantänefort bis zur Kielbucht reicht, zu zerstreuen und
damit ihre Wirkung zu schwächen. Dies hieß den Vortheil aus der Hand
geben, den der Belagerer vor dem Vertheidiger dadurch voraus hat, daß er
seine Kraftanstrengungen vor einer oder zwei Fronten concentriren kann, um
hier durchzubrechen und damit die Entscheidung zu geben, während der Be¬
lagerte mehr oder weniger in dem Fall ist, seine Widerstandskräfte und Mittel
über alle Fronten zu vertheilen. Was endlich die Verlegung des Hauvtaccents
auf den Angriff gegen die Fronten des Malakowthurms (Fronte I. und U,
rechts und links von demselben) angeht, so will mir scheine", als ob man eben
damit den oben erwähnten, größtmöglichen Mißgriff gethan hätte, indem grade
hier das Vorterrain felsig ist, grade hier detaschirte Werke (Kamtschatka, Sele-
ghinsk und Volhynien) vorliegen und die nebeneinander gelegenen Linien sich
die kräftigste Unterstützung (ich erinnere an das Flankenseuer des Redan) ge¬
währen.

Bei Führung eines jeden förmlichen Angriffs ist es Endzweck, sich einer


ist es schwer, und erheischt die ganze Ueberlegung und namentlich umfassende
Vorstudien des mit der Wahl betrauten Ingenieurs. Die Rücksichten, welche
derselbe zu nehmen hat, sind doppelte, und zwar hauptsächlich in Bezug darauf,
daß der Angriff nicht allein auf die Offensive Bedacht zu nehmen hat, sondern
auch gewisse Momente ins Auge fassen muß, in welchen er sich, etwa einem
Ausfalle oder irgendeinem Rückschläge der Festung gegenüber, in defensiver
Situation befindet. Außerdem theilen Festung und Vorterrain die Aufmerksam¬
keit. In Hinsicht auf die Festung ist es entscheidend, ob die anzugreifende
Fronte umfaßt werden kann, also eine vorspringende Lage hat, ob sie von
ihren Nebenfronten eine möglichst geringe Unterstützung erhält, die Haupt¬
linien ihrer Werke bequem der Länge nach bestrichen werden können, und keine
vorgelegenen Schanzen oder detaschirte Forts, weder direct, noch durch Feuer
von der Flanke her den Zugang behindern. Das Vorterrain dagegen ist den
Angriffsoperationen günstig, wenn es verhältnißmäßig nahe zur Festung hin
eine gedeckte Annäherung gestattet, die gesicherte Zufuhr der Belagerungsbe¬
dürfnisse erleichtert, ein nahelegen der Parks und Depots ermöglicht, zugleich
durch seine Bodenbeschaffenheit die Erdarbeiten erleichtert.

Untersucht man, inwiefern diese Grundsätze von den Verbündeten vor
Sebastopol beobachtet worden sind, so kann man zunächst nicht unbemerkt
lassen, daß dieselben im Grunde genommen gar keine bestimmte Wahl getroffen
haben. An und sür sich kann es schwerlich gebilligt werden, daß man, an Statt
das Fort Severnaja (im Norden) anzugreifen, welches als Schlüssel des Platzes
betrachtet werden muß, sich gegen die Stadtbefestigung wendete; glaubt man
aber, daß Oertlichkeit und Stärkenverhältnisse zu diesem Entschlüsse zwangen,
so war es mindestens entschieden falsch, die Mittel des Angriffs auf einen
Raum, der von dem Quarantänefort bis zur Kielbucht reicht, zu zerstreuen und
damit ihre Wirkung zu schwächen. Dies hieß den Vortheil aus der Hand
geben, den der Belagerer vor dem Vertheidiger dadurch voraus hat, daß er
seine Kraftanstrengungen vor einer oder zwei Fronten concentriren kann, um
hier durchzubrechen und damit die Entscheidung zu geben, während der Be¬
lagerte mehr oder weniger in dem Fall ist, seine Widerstandskräfte und Mittel
über alle Fronten zu vertheilen. Was endlich die Verlegung des Hauvtaccents
auf den Angriff gegen die Fronten des Malakowthurms (Fronte I. und U,
rechts und links von demselben) angeht, so will mir scheine», als ob man eben
damit den oben erwähnten, größtmöglichen Mißgriff gethan hätte, indem grade
hier das Vorterrain felsig ist, grade hier detaschirte Werke (Kamtschatka, Sele-
ghinsk und Volhynien) vorliegen und die nebeneinander gelegenen Linien sich
die kräftigste Unterstützung (ich erinnere an das Flankenseuer des Redan) ge¬
währen.

Bei Führung eines jeden förmlichen Angriffs ist es Endzweck, sich einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/302>, abgerufen am 22.12.2024.