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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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es sich von selbst, daß für dasselbe die Zusammensetzung der Besatzung, auch
die Beschaffenheit der Festungswerke, und im Besondern das inneliegende Ter¬
rain entscheidend sind. Ein Platz in der freien offenen Ebene wird verhält¬
nißmäßig viel Cavalerie zu seiner Einschließung erheischen. Desgleichen
im Allgemeinen jede größere Festung. Am wenigsten verlangen kleine Plätze
und die im durchschnittenen und bergigen Terrain gelegen sind.

Es gibt einen Umstand, der im Belagerungskrieg von der höchsten Be¬
deutung ist und auf den ich hier gleich anfangs zu sprechen komme, weil er
die ersten Arrangements des Angreifers tangirt. Die Festung kann als ein
kleiner, in sich selbst basirter Kriegs- oder Vertheidigungsraum angesehen wer¬
den. Ihre Besatzung verhält sich zum Gesammtkriegstheater durchaus anders,
wie eine operirende Armee, nicht nur weil sie nicht, wie jene, mobil, sondern
local gebunden ist, sondern auch weil sie alles was sie bedarf, und zwar nicht
allein um zu eristiren, sondern zugleich und hauptsächlich um zu widerstehen,
aus ihrer unmittelbaren Nähe, oder richtiger zu sagen aus ihrem Defensivkreis
entnehmen kann. Es wird dadurch eine Schnelligkeit, ja Verzuglostgkeit jedwe¬
den Ersatzes, sei es an Munition, an Armatur oder an Lebensmitteln erreicht,
die für die Energie und ununterbrochene Aufeinanderfolge der Vertheidigungs¬
operationen von der höchsten Wichtigkeit ist, und nur dadurch ermöglicht wird,
daß sich im Platz Magazine aller Art an Lebensmitteln, wie an Kriegsbedarf,
vornehmlich auch große Werkstätten, also Etablissements für die Erzeugung des
Bedarfs und für Reparaturen befinden.

Gleich anfangs muß die Sorge des Angreifers daraus hingewendet sein,
dem Belagerungsheere mindestens annähernd dieselben Vortheile zu sichern.
Es handelt sich sür ihn mithin schon zur Zeit, wenn die ersten Einschließungs¬
truppen vor der Festung anlangen, um die Anlage von Proviantmagazinen,
um die Sammlung oder Beschaffung von Belagerungsmaterialien, um Requi-
rirung von Pferden, Zugochsen und Saumthieren, um Ausmittclung der Punkte,
auf welchen demnächst die größeren militärischen Etablissements, vor allen
anderen der große Artilleriepark, desgleichen der kleine Park, die Pulver¬
depots, das Laboratorium, die Feldlazarethe u. s w. eingerichtet werden sollen.
Es ist Regel, diese Anlagen außerhalb der weiteren Schußdistance zu etabliren.
Früher erachtete man eine Entfernung von 6000 Schritt für ausreichend; heute,
wo Pairhans bis über 3000 Schritt weit treiben, wird man auf mindestens
6000 Schritt von der Festung abbleiben müssen. Da zur Zeit, wo mit der
Anlage dieser Etablissements begonnen wird, die Belagerungsarmee meistens
erst zum Theil vor dem Platze angekommen zu sein pflegt, und die Be¬
satzung desselben sich durch diesen Umstand aufgefordert fühlen dürfte, einen
Angriff auf die in der Formation und Organisation begriffenen Parks, Depots
und Magazine zu machen, so ist es Regel, dieselben durch flüchtige Verschan-


es sich von selbst, daß für dasselbe die Zusammensetzung der Besatzung, auch
die Beschaffenheit der Festungswerke, und im Besondern das inneliegende Ter¬
rain entscheidend sind. Ein Platz in der freien offenen Ebene wird verhält¬
nißmäßig viel Cavalerie zu seiner Einschließung erheischen. Desgleichen
im Allgemeinen jede größere Festung. Am wenigsten verlangen kleine Plätze
und die im durchschnittenen und bergigen Terrain gelegen sind.

Es gibt einen Umstand, der im Belagerungskrieg von der höchsten Be¬
deutung ist und auf den ich hier gleich anfangs zu sprechen komme, weil er
die ersten Arrangements des Angreifers tangirt. Die Festung kann als ein
kleiner, in sich selbst basirter Kriegs- oder Vertheidigungsraum angesehen wer¬
den. Ihre Besatzung verhält sich zum Gesammtkriegstheater durchaus anders,
wie eine operirende Armee, nicht nur weil sie nicht, wie jene, mobil, sondern
local gebunden ist, sondern auch weil sie alles was sie bedarf, und zwar nicht
allein um zu eristiren, sondern zugleich und hauptsächlich um zu widerstehen,
aus ihrer unmittelbaren Nähe, oder richtiger zu sagen aus ihrem Defensivkreis
entnehmen kann. Es wird dadurch eine Schnelligkeit, ja Verzuglostgkeit jedwe¬
den Ersatzes, sei es an Munition, an Armatur oder an Lebensmitteln erreicht,
die für die Energie und ununterbrochene Aufeinanderfolge der Vertheidigungs¬
operationen von der höchsten Wichtigkeit ist, und nur dadurch ermöglicht wird,
daß sich im Platz Magazine aller Art an Lebensmitteln, wie an Kriegsbedarf,
vornehmlich auch große Werkstätten, also Etablissements für die Erzeugung des
Bedarfs und für Reparaturen befinden.

Gleich anfangs muß die Sorge des Angreifers daraus hingewendet sein,
dem Belagerungsheere mindestens annähernd dieselben Vortheile zu sichern.
Es handelt sich sür ihn mithin schon zur Zeit, wenn die ersten Einschließungs¬
truppen vor der Festung anlangen, um die Anlage von Proviantmagazinen,
um die Sammlung oder Beschaffung von Belagerungsmaterialien, um Requi-
rirung von Pferden, Zugochsen und Saumthieren, um Ausmittclung der Punkte,
auf welchen demnächst die größeren militärischen Etablissements, vor allen
anderen der große Artilleriepark, desgleichen der kleine Park, die Pulver¬
depots, das Laboratorium, die Feldlazarethe u. s w. eingerichtet werden sollen.
Es ist Regel, diese Anlagen außerhalb der weiteren Schußdistance zu etabliren.
Früher erachtete man eine Entfernung von 6000 Schritt für ausreichend; heute,
wo Pairhans bis über 3000 Schritt weit treiben, wird man auf mindestens
6000 Schritt von der Festung abbleiben müssen. Da zur Zeit, wo mit der
Anlage dieser Etablissements begonnen wird, die Belagerungsarmee meistens
erst zum Theil vor dem Platze angekommen zu sein pflegt, und die Be¬
satzung desselben sich durch diesen Umstand aufgefordert fühlen dürfte, einen
Angriff auf die in der Formation und Organisation begriffenen Parks, Depots
und Magazine zu machen, so ist es Regel, dieselben durch flüchtige Verschan-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/300>, abgerufen am 22.12.2024.