Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.gedacht worden; Herr Schneider hatte vielfach mit der für ihn besonders Den Schluß des Concerts machte die Lmoll Synfonie. Wenn es ein Der dritte Tag brachte in dem Künstlerconcert vorwiegend Leistungen gedacht worden; Herr Schneider hatte vielfach mit der für ihn besonders Den Schluß des Concerts machte die Lmoll Synfonie. Wenn es ein Der dritte Tag brachte in dem Künstlerconcert vorwiegend Leistungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99950"/> <p xml:id="ID_53" prev="#ID_52"> gedacht worden; Herr Schneider hatte vielfach mit der für ihn besonders<lb/> ungünstigen diesen Lage der Tenorpartie zu kämpfen, übrigens bewährte er sich<lb/> auch hier als einen Sänger von richtigem Gefühl und Verständniß für das<lb/> Poetische. Für Herrn M itterwurzer war die Partie, die übrigens die wenigst<lb/> bedeutende ist, besser gelegen, er konnte daher auch seine Stimmmittel besser<lb/> entfalten und trug Manches sehr gut vor.</p><lb/> <p xml:id="ID_54"> Den Schluß des Concerts machte die Lmoll Synfonie. Wenn es ein<lb/> Orchesterstück gibt, das für ein Musikfest paßt, so ist es diese Synfonie; alles<lb/> kommt zusammen, Kraft und Kühnheit, Einfachheit und Größe, massenhafte<lb/> Wirkung, um Spieler und Zuhörer fortzureißen, und so geschah es auch hier.<lb/> Man kann bei der Aufführung von Jnstrumentalcompvsitionen auf Musikfesten,<lb/> einen im Einzelnen raffinirten und ausstudirtcn Vortrag billigerweise nicht<lb/> verlangen, da das Orchester sich dort erst zusammenfindet. In dieser Hinsicht<lb/> hätte der zweite Satz hie und da zu wünschen übrig gelassen; auch passirten<lb/> sonst einige Versehen. Indessen konnten sie der großartigen Wirkung keinen<lb/> Eintrag thun, und in der Hauptsache gelang die Synfonie sehr gut; die<lb/> Bässe z. B. zogen sich im Scherzo mit Glanz aus der schwierigen Affaire.<lb/> Nicht wenig trug zu der guten Wirkung auch das angemessene Tempo bei,<lb/> das nicht nur den feurigen Schwung, sondern auch die männliche Kraft und<lb/> die stolze Würde zur vollen Geltung gelangen ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_55" next="#ID_56"> Der dritte Tag brachte in dem Künstlerconcert vorwiegend Leistungen<lb/> der Virtuosität. Frau Goldschmidt sang statt der ursprünglich angekündigten<lb/> Arie aus der Zauberflöte die letzte Arie der Susanne ans dem Figaro,<lb/> und statt der Mazurka von Chopin ein Lied von Mendelssohn. Mit<lb/> der ersten Aenderung war wol jeder zufrieden; denn diese Arie von Frau<lb/> Goldschmidt gesungen ist eine wahre Verkörperung der Poesie im Wohllaut.<lb/> Die Wirkung war von der Art, daß nicht allein das Publicum lautlos lauschte,<lb/> sondern auch die begleitenden Geigen in kaum noch hörbaren Seufzern erstarben,<lb/> wobei dem Orchester das Lob nicht vorenthalten bleiben soll, daß überhaupt<lb/> sehr discret begleitet wurde. Wer sich etwa auf die Kehlfertigkeit beim Vortrag<lb/> der Mazurka gefreut hatte, konnte in der Arie aus Beatrice ti Tenda<lb/> von Bellini sich an allen Chikanen einer fabelhaften Bravour, welche die<lb/> Sängerin bis ins hohe Ds führte, die spielend besiegt wurden, ersättigen.<lb/> Gewiß sind diese Leistungen der Virtuosin bei weitem nicht die höchsten der<lb/> Künstlerin, doch mag man wohl bedenken, daß ohne die unbedingte Herrschaft<lb/> über alle Mittel der Kunst, jene höchsten Leistungen nicht möglich sind. Daher<lb/> haben auch große Künstler meistens nicht verschmäht, mit dieser Herrschaft<lb/> gelegentlich einmal ein freies, ja übermüthiges Spiel zu treiben, das man als<lb/> solches auch gelten lassen kann; nur wo sie mit der Prätension auftritt, an sich<lb/> schon selbst das Höchste zu leisten, wird sie verwerflich. Es war merkwürdig,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
gedacht worden; Herr Schneider hatte vielfach mit der für ihn besonders
ungünstigen diesen Lage der Tenorpartie zu kämpfen, übrigens bewährte er sich
auch hier als einen Sänger von richtigem Gefühl und Verständniß für das
Poetische. Für Herrn M itterwurzer war die Partie, die übrigens die wenigst
bedeutende ist, besser gelegen, er konnte daher auch seine Stimmmittel besser
entfalten und trug Manches sehr gut vor.
Den Schluß des Concerts machte die Lmoll Synfonie. Wenn es ein
Orchesterstück gibt, das für ein Musikfest paßt, so ist es diese Synfonie; alles
kommt zusammen, Kraft und Kühnheit, Einfachheit und Größe, massenhafte
Wirkung, um Spieler und Zuhörer fortzureißen, und so geschah es auch hier.
Man kann bei der Aufführung von Jnstrumentalcompvsitionen auf Musikfesten,
einen im Einzelnen raffinirten und ausstudirtcn Vortrag billigerweise nicht
verlangen, da das Orchester sich dort erst zusammenfindet. In dieser Hinsicht
hätte der zweite Satz hie und da zu wünschen übrig gelassen; auch passirten
sonst einige Versehen. Indessen konnten sie der großartigen Wirkung keinen
Eintrag thun, und in der Hauptsache gelang die Synfonie sehr gut; die
Bässe z. B. zogen sich im Scherzo mit Glanz aus der schwierigen Affaire.
Nicht wenig trug zu der guten Wirkung auch das angemessene Tempo bei,
das nicht nur den feurigen Schwung, sondern auch die männliche Kraft und
die stolze Würde zur vollen Geltung gelangen ließ.
Der dritte Tag brachte in dem Künstlerconcert vorwiegend Leistungen
der Virtuosität. Frau Goldschmidt sang statt der ursprünglich angekündigten
Arie aus der Zauberflöte die letzte Arie der Susanne ans dem Figaro,
und statt der Mazurka von Chopin ein Lied von Mendelssohn. Mit
der ersten Aenderung war wol jeder zufrieden; denn diese Arie von Frau
Goldschmidt gesungen ist eine wahre Verkörperung der Poesie im Wohllaut.
Die Wirkung war von der Art, daß nicht allein das Publicum lautlos lauschte,
sondern auch die begleitenden Geigen in kaum noch hörbaren Seufzern erstarben,
wobei dem Orchester das Lob nicht vorenthalten bleiben soll, daß überhaupt
sehr discret begleitet wurde. Wer sich etwa auf die Kehlfertigkeit beim Vortrag
der Mazurka gefreut hatte, konnte in der Arie aus Beatrice ti Tenda
von Bellini sich an allen Chikanen einer fabelhaften Bravour, welche die
Sängerin bis ins hohe Ds führte, die spielend besiegt wurden, ersättigen.
Gewiß sind diese Leistungen der Virtuosin bei weitem nicht die höchsten der
Künstlerin, doch mag man wohl bedenken, daß ohne die unbedingte Herrschaft
über alle Mittel der Kunst, jene höchsten Leistungen nicht möglich sind. Daher
haben auch große Künstler meistens nicht verschmäht, mit dieser Herrschaft
gelegentlich einmal ein freies, ja übermüthiges Spiel zu treiben, das man als
solches auch gelten lassen kann; nur wo sie mit der Prätension auftritt, an sich
schon selbst das Höchste zu leisten, wird sie verwerflich. Es war merkwürdig,
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