Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

inutiles über das allgemeine Getöse. -- Ein Ausländer hätte nicht länger
über die englische Schweigsamkeit klagen können. Einige von den aufgebote¬
nen Unternehmungen waren von der abenteuerlichsten Art; unter andern finden
wir darunter: eine Compagnie für das Herausfischen von untergegangenen
Schiffen an der irländischen Küste, andere zur Versicherung gegen Verluste durch
Dienstboten, um Meerwasser trinkbar zu machen, um Spitäler für uneheliche
Kinder zu bauen, um Schiffe gegen Seeräuber auszurüsten, um Oel aus
Sonnenblumensamen zu Pressen, um das Bier zu verbessern, um Matrosen¬
löhnungen einzuziehen, um Silber aus Blei zu gewinnen, um Quecksilber in ein
hämmerbares und schönes Metall zu verwandeln, um eine Herde von großen
Eseln aus Spanien zu importiren, um einen Handel mit Menschenhaar zu er¬
richten, um Schweine zu mästen, zur Herstellung eines Perpetuum mobile. Die
seltsamste Einladung war jedenfalls die "zu einem Unternehmen, welches seiner
Zeit bekannt gemacht werden sollte." Jeder Unterzeichner sollte zwei Guineen
baar anzahlen und später eine Actie von hundert Guineen mit einer Eröffnung
über den Zweck des Unternehmens erhalten; und so verlockend war das Aner¬
bieten, daß an dem ersten Morgen tausend Actien gezeichnet wurden, mit deren
Ertrag der Erfinder Nachmittags verschwunden war. Mitten unter diesen
wirklichen Thorheiten erscheint ein Vorschlag, der die Speculalionswuth ver¬
spotten sollte, kaum als übertrieben. Der Plan lautete auf Begründung
einer Aktiengesellschaft, "um Säge- und Hobelspäne zu schmelzen und da¬
raus gute Bieter ohne Nisse und Astkuoten zu gießen." Nachdem, wie man
behauptet, die ungeheure Summe von 300 Millionen Pfund Sterling gezeich¬
net worden war, begann der Rückschlag, und zwar schon im September, und
in weniger als einem Monat waren die Südseeaetien auf 300 gesunken. Das
schreckliche Mißverhältniß zwischen den papiernen Versprechungen zu zahlen
und dem vorhandenen baaren Geld machte sich bald fühlbar und es entstand
eine allgemeine Geldkrisis, die viele und selbst vornehme Familien an den
Bettelstab brachte und im ganzen Lande eine ungeheure Aufregung gegen die¬
jenigen, welche als Speculanten den Neigen geführt hatten, erregte, namentlich
gegen die Südseedirectoren und gegen Sunderland, den Lord des Schatzes uno
Aislabie, den Schatzkanzler, welche die Südseebill im Parlament eingebracht
hatten. Das Parlament begann eine Untersuchung und sein Zorn fiel schwer
auf die Hauptangeklagten außer Sunderland, der freigesprochen wurde. Es
stellte sich heraus, daß die Direktoren sich der Bestechung als Mittel bedient
hatten, um die Bill durchs Parlament zu bringen. Von den deshalb Ange¬
klagten starb der Staatssekretär Craggs während der Untersuchung an den
Pocken. Sein Vater, der Generalpostmeister, vergiftete sich, Aislabie wurde ein¬
stimmig aus dem Unterhause gestoßen, nach dem Tower geschickt und mit der
Confiscation des größten Theils seines Vermögens bestraft. Die Direktoren


Grenzboten. III. -1866. 33

inutiles über das allgemeine Getöse. — Ein Ausländer hätte nicht länger
über die englische Schweigsamkeit klagen können. Einige von den aufgebote¬
nen Unternehmungen waren von der abenteuerlichsten Art; unter andern finden
wir darunter: eine Compagnie für das Herausfischen von untergegangenen
Schiffen an der irländischen Küste, andere zur Versicherung gegen Verluste durch
Dienstboten, um Meerwasser trinkbar zu machen, um Spitäler für uneheliche
Kinder zu bauen, um Schiffe gegen Seeräuber auszurüsten, um Oel aus
Sonnenblumensamen zu Pressen, um das Bier zu verbessern, um Matrosen¬
löhnungen einzuziehen, um Silber aus Blei zu gewinnen, um Quecksilber in ein
hämmerbares und schönes Metall zu verwandeln, um eine Herde von großen
Eseln aus Spanien zu importiren, um einen Handel mit Menschenhaar zu er¬
richten, um Schweine zu mästen, zur Herstellung eines Perpetuum mobile. Die
seltsamste Einladung war jedenfalls die „zu einem Unternehmen, welches seiner
Zeit bekannt gemacht werden sollte." Jeder Unterzeichner sollte zwei Guineen
baar anzahlen und später eine Actie von hundert Guineen mit einer Eröffnung
über den Zweck des Unternehmens erhalten; und so verlockend war das Aner¬
bieten, daß an dem ersten Morgen tausend Actien gezeichnet wurden, mit deren
Ertrag der Erfinder Nachmittags verschwunden war. Mitten unter diesen
wirklichen Thorheiten erscheint ein Vorschlag, der die Speculalionswuth ver¬
spotten sollte, kaum als übertrieben. Der Plan lautete auf Begründung
einer Aktiengesellschaft, „um Säge- und Hobelspäne zu schmelzen und da¬
raus gute Bieter ohne Nisse und Astkuoten zu gießen." Nachdem, wie man
behauptet, die ungeheure Summe von 300 Millionen Pfund Sterling gezeich¬
net worden war, begann der Rückschlag, und zwar schon im September, und
in weniger als einem Monat waren die Südseeaetien auf 300 gesunken. Das
schreckliche Mißverhältniß zwischen den papiernen Versprechungen zu zahlen
und dem vorhandenen baaren Geld machte sich bald fühlbar und es entstand
eine allgemeine Geldkrisis, die viele und selbst vornehme Familien an den
Bettelstab brachte und im ganzen Lande eine ungeheure Aufregung gegen die¬
jenigen, welche als Speculanten den Neigen geführt hatten, erregte, namentlich
gegen die Südseedirectoren und gegen Sunderland, den Lord des Schatzes uno
Aislabie, den Schatzkanzler, welche die Südseebill im Parlament eingebracht
hatten. Das Parlament begann eine Untersuchung und sein Zorn fiel schwer
auf die Hauptangeklagten außer Sunderland, der freigesprochen wurde. Es
stellte sich heraus, daß die Direktoren sich der Bestechung als Mittel bedient
hatten, um die Bill durchs Parlament zu bringen. Von den deshalb Ange¬
klagten starb der Staatssekretär Craggs während der Untersuchung an den
Pocken. Sein Vater, der Generalpostmeister, vergiftete sich, Aislabie wurde ein¬
stimmig aus dem Unterhause gestoßen, nach dem Tower geschickt und mit der
Confiscation des größten Theils seines Vermögens bestraft. Die Direktoren


Grenzboten. III. -1866. 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100185"/>
          <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783" next="#ID_785"> inutiles über das allgemeine Getöse. &#x2014; Ein Ausländer hätte nicht länger<lb/>
über die englische Schweigsamkeit klagen können. Einige von den aufgebote¬<lb/>
nen Unternehmungen waren von der abenteuerlichsten Art; unter andern finden<lb/>
wir darunter: eine Compagnie für das Herausfischen von untergegangenen<lb/>
Schiffen an der irländischen Küste, andere zur Versicherung gegen Verluste durch<lb/>
Dienstboten, um Meerwasser trinkbar zu machen, um Spitäler für uneheliche<lb/>
Kinder zu bauen, um Schiffe gegen Seeräuber auszurüsten, um Oel aus<lb/>
Sonnenblumensamen zu Pressen, um das Bier zu verbessern, um Matrosen¬<lb/>
löhnungen einzuziehen, um Silber aus Blei zu gewinnen, um Quecksilber in ein<lb/>
hämmerbares und schönes Metall zu verwandeln, um eine Herde von großen<lb/>
Eseln aus Spanien zu importiren, um einen Handel mit Menschenhaar zu er¬<lb/>
richten, um Schweine zu mästen, zur Herstellung eines Perpetuum mobile. Die<lb/>
seltsamste Einladung war jedenfalls die &#x201E;zu einem Unternehmen, welches seiner<lb/>
Zeit bekannt gemacht werden sollte." Jeder Unterzeichner sollte zwei Guineen<lb/>
baar anzahlen und später eine Actie von hundert Guineen mit einer Eröffnung<lb/>
über den Zweck des Unternehmens erhalten; und so verlockend war das Aner¬<lb/>
bieten, daß an dem ersten Morgen tausend Actien gezeichnet wurden, mit deren<lb/>
Ertrag der Erfinder Nachmittags verschwunden war. Mitten unter diesen<lb/>
wirklichen Thorheiten erscheint ein Vorschlag, der die Speculalionswuth ver¬<lb/>
spotten sollte, kaum als übertrieben. Der Plan lautete auf Begründung<lb/>
einer Aktiengesellschaft, &#x201E;um Säge- und Hobelspäne zu schmelzen und da¬<lb/>
raus gute Bieter ohne Nisse und Astkuoten zu gießen." Nachdem, wie man<lb/>
behauptet, die ungeheure Summe von 300 Millionen Pfund Sterling gezeich¬<lb/>
net worden war, begann der Rückschlag, und zwar schon im September, und<lb/>
in weniger als einem Monat waren die Südseeaetien auf 300 gesunken. Das<lb/>
schreckliche Mißverhältniß zwischen den papiernen Versprechungen zu zahlen<lb/>
und dem vorhandenen baaren Geld machte sich bald fühlbar und es entstand<lb/>
eine allgemeine Geldkrisis, die viele und selbst vornehme Familien an den<lb/>
Bettelstab brachte und im ganzen Lande eine ungeheure Aufregung gegen die¬<lb/>
jenigen, welche als Speculanten den Neigen geführt hatten, erregte, namentlich<lb/>
gegen die Südseedirectoren und gegen Sunderland, den Lord des Schatzes uno<lb/>
Aislabie, den Schatzkanzler, welche die Südseebill im Parlament eingebracht<lb/>
hatten. Das Parlament begann eine Untersuchung und sein Zorn fiel schwer<lb/>
auf die Hauptangeklagten außer Sunderland, der freigesprochen wurde. Es<lb/>
stellte sich heraus, daß die Direktoren sich der Bestechung als Mittel bedient<lb/>
hatten, um die Bill durchs Parlament zu bringen. Von den deshalb Ange¬<lb/>
klagten starb der Staatssekretär Craggs während der Untersuchung an den<lb/>
Pocken. Sein Vater, der Generalpostmeister, vergiftete sich, Aislabie wurde ein¬<lb/>
stimmig aus dem Unterhause gestoßen, nach dem Tower geschickt und mit der<lb/>
Confiscation des größten Theils seines Vermögens bestraft. Die Direktoren</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. III. -1866. 33</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] inutiles über das allgemeine Getöse. — Ein Ausländer hätte nicht länger über die englische Schweigsamkeit klagen können. Einige von den aufgebote¬ nen Unternehmungen waren von der abenteuerlichsten Art; unter andern finden wir darunter: eine Compagnie für das Herausfischen von untergegangenen Schiffen an der irländischen Küste, andere zur Versicherung gegen Verluste durch Dienstboten, um Meerwasser trinkbar zu machen, um Spitäler für uneheliche Kinder zu bauen, um Schiffe gegen Seeräuber auszurüsten, um Oel aus Sonnenblumensamen zu Pressen, um das Bier zu verbessern, um Matrosen¬ löhnungen einzuziehen, um Silber aus Blei zu gewinnen, um Quecksilber in ein hämmerbares und schönes Metall zu verwandeln, um eine Herde von großen Eseln aus Spanien zu importiren, um einen Handel mit Menschenhaar zu er¬ richten, um Schweine zu mästen, zur Herstellung eines Perpetuum mobile. Die seltsamste Einladung war jedenfalls die „zu einem Unternehmen, welches seiner Zeit bekannt gemacht werden sollte." Jeder Unterzeichner sollte zwei Guineen baar anzahlen und später eine Actie von hundert Guineen mit einer Eröffnung über den Zweck des Unternehmens erhalten; und so verlockend war das Aner¬ bieten, daß an dem ersten Morgen tausend Actien gezeichnet wurden, mit deren Ertrag der Erfinder Nachmittags verschwunden war. Mitten unter diesen wirklichen Thorheiten erscheint ein Vorschlag, der die Speculalionswuth ver¬ spotten sollte, kaum als übertrieben. Der Plan lautete auf Begründung einer Aktiengesellschaft, „um Säge- und Hobelspäne zu schmelzen und da¬ raus gute Bieter ohne Nisse und Astkuoten zu gießen." Nachdem, wie man behauptet, die ungeheure Summe von 300 Millionen Pfund Sterling gezeich¬ net worden war, begann der Rückschlag, und zwar schon im September, und in weniger als einem Monat waren die Südseeaetien auf 300 gesunken. Das schreckliche Mißverhältniß zwischen den papiernen Versprechungen zu zahlen und dem vorhandenen baaren Geld machte sich bald fühlbar und es entstand eine allgemeine Geldkrisis, die viele und selbst vornehme Familien an den Bettelstab brachte und im ganzen Lande eine ungeheure Aufregung gegen die¬ jenigen, welche als Speculanten den Neigen geführt hatten, erregte, namentlich gegen die Südseedirectoren und gegen Sunderland, den Lord des Schatzes uno Aislabie, den Schatzkanzler, welche die Südseebill im Parlament eingebracht hatten. Das Parlament begann eine Untersuchung und sein Zorn fiel schwer auf die Hauptangeklagten außer Sunderland, der freigesprochen wurde. Es stellte sich heraus, daß die Direktoren sich der Bestechung als Mittel bedient hatten, um die Bill durchs Parlament zu bringen. Von den deshalb Ange¬ klagten starb der Staatssekretär Craggs während der Untersuchung an den Pocken. Sein Vater, der Generalpostmeister, vergiftete sich, Aislabie wurde ein¬ stimmig aus dem Unterhause gestoßen, nach dem Tower geschickt und mit der Confiscation des größten Theils seines Vermögens bestraft. Die Direktoren Grenzboten. III. -1866. 33

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/265>, abgerufen am 22.12.2024.