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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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cadron, sondern nur 90 Pferde, worunter zehn Husaren unter dem Lieutenant
von Katte, das übrige freiwillige Jäger unter dem Lieutenant Eckardt, ehe¬
maligem Justizrath, der bisher viel militärischen. Eifer und Anlage an den
Tag gelegt hatte. Die meisten seiner Kameraden nahmen von ihm Abschied
auf Nimmerwiedersehn. Nur der Oberst Katzler, der alte Blüchersche Husar,
fand die Sache ganz nach seinem Geschmack.

In der Nacht des 10. Mai um elf Uhr setzte das kleine Corps ohne
Störung aus einer Fähre über die Elbe, ^ab schlich sich dann mitten durch
die französischen und sächsischen Vorposten, deren Anrufen sie hören konnten,
durch die Waldung nach Hellendorf, ohne Spitze und Seitenpatrouille, als wäre
es ein Kommando mitten unter Freunden. Auf diese Weise gelangte Colomb
mitten durch eine Grenzpostirung von polnischen Ulanen, die bestimmt waren,
den zurückkehrenden König von Sachsen in Empfang zu nehmen, nach Bären-
stein, wo er Nachricht erhielt, daß der Vicekönig von Italien über Frei¬
berg zurück nach Hause reisen werde, nach Marienberg, wo er bei den Ein¬
wohnern die zuvorkommendste Aufnahme fand, um Plauen herum und nach
Neustadt, das er wegen seiner vortheilhaften Lage zum Mittelpunkt seiner
Operationen gewählt hatte und von wo aus er sich mit dem schleizischen Major
und Kammerherrn von Strauch und dem Assessor Schwarz in Rudolstadt in
Verbindung setzte, die ihn mit den werthvollsten Nachrichten versahen. Schon
unterwegs waren mehre einzelne feindliche Offiziere mit Depeschen gefangen ge¬
nommen worden. Die eigentliche Wirksamkeit des Streifcorps fing aber erst jetzt
an. Von der Ansicht ausgehend, daß stete Bewegung in einer so isolirten Lage die
Sicherheit geben müsse, nicht vom Feinde umgangen zu werden, blieb Colomb
nie länger als ante bis zehn Stunden an einem Orte, zog Nachtmärsche vor und
verweilte auf großen Straßen gar nicht. Auf den Märschen bediente er sich
selten der Avant- oder Arriöregarde, hatte nur doppelte Spitze und gleiche
Zwischenposten vor- und rückwärts und eine Scitenpatrouille rechts wie
links, sonst alles beisammen -- anfangs, um Zersplitterung zu vermeiden
und die. noch Unerfahrenen stets in der Hand zu haben, später in der ge¬
wonnenen Ueberzeugung, daß so jeder vom Augenblick befohlene Entschluß am
raschesten ausgeführt werden könne. In der Nacht hielt sich Colomb vom
Trupp entfernt in der Nähe der Spitze, um ungehindert durchs Geräusch des
Marsches horchen zu können; am Tage begab sich sowol er, wie Katte viel¬
fältig aus die neben den Straßen befindlichen Höhen, um Umsicht zu gewinnen.
Da er sich im Stande der Ruhe nach allen Seiten decken mußte, so durste
der Umkreis der Vedetten nicht zu groß sein, um deren nicht zu viel zu er¬
fordern: abgesonderte Feldwachen hätten zur Zersplitterung geführt. Deshalb
wurde die Feldwache in Bivouac selbst auf einem besondern Platz zusammen¬
gestellt, von wo die Vedetten abgelöst wurden und von dieser Regel nur ab-


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cadron, sondern nur 90 Pferde, worunter zehn Husaren unter dem Lieutenant
von Katte, das übrige freiwillige Jäger unter dem Lieutenant Eckardt, ehe¬
maligem Justizrath, der bisher viel militärischen. Eifer und Anlage an den
Tag gelegt hatte. Die meisten seiner Kameraden nahmen von ihm Abschied
auf Nimmerwiedersehn. Nur der Oberst Katzler, der alte Blüchersche Husar,
fand die Sache ganz nach seinem Geschmack.

In der Nacht des 10. Mai um elf Uhr setzte das kleine Corps ohne
Störung aus einer Fähre über die Elbe, ^ab schlich sich dann mitten durch
die französischen und sächsischen Vorposten, deren Anrufen sie hören konnten,
durch die Waldung nach Hellendorf, ohne Spitze und Seitenpatrouille, als wäre
es ein Kommando mitten unter Freunden. Auf diese Weise gelangte Colomb
mitten durch eine Grenzpostirung von polnischen Ulanen, die bestimmt waren,
den zurückkehrenden König von Sachsen in Empfang zu nehmen, nach Bären-
stein, wo er Nachricht erhielt, daß der Vicekönig von Italien über Frei¬
berg zurück nach Hause reisen werde, nach Marienberg, wo er bei den Ein¬
wohnern die zuvorkommendste Aufnahme fand, um Plauen herum und nach
Neustadt, das er wegen seiner vortheilhaften Lage zum Mittelpunkt seiner
Operationen gewählt hatte und von wo aus er sich mit dem schleizischen Major
und Kammerherrn von Strauch und dem Assessor Schwarz in Rudolstadt in
Verbindung setzte, die ihn mit den werthvollsten Nachrichten versahen. Schon
unterwegs waren mehre einzelne feindliche Offiziere mit Depeschen gefangen ge¬
nommen worden. Die eigentliche Wirksamkeit des Streifcorps fing aber erst jetzt
an. Von der Ansicht ausgehend, daß stete Bewegung in einer so isolirten Lage die
Sicherheit geben müsse, nicht vom Feinde umgangen zu werden, blieb Colomb
nie länger als ante bis zehn Stunden an einem Orte, zog Nachtmärsche vor und
verweilte auf großen Straßen gar nicht. Auf den Märschen bediente er sich
selten der Avant- oder Arriöregarde, hatte nur doppelte Spitze und gleiche
Zwischenposten vor- und rückwärts und eine Scitenpatrouille rechts wie
links, sonst alles beisammen — anfangs, um Zersplitterung zu vermeiden
und die. noch Unerfahrenen stets in der Hand zu haben, später in der ge¬
wonnenen Ueberzeugung, daß so jeder vom Augenblick befohlene Entschluß am
raschesten ausgeführt werden könne. In der Nacht hielt sich Colomb vom
Trupp entfernt in der Nähe der Spitze, um ungehindert durchs Geräusch des
Marsches horchen zu können; am Tage begab sich sowol er, wie Katte viel¬
fältig aus die neben den Straßen befindlichen Höhen, um Umsicht zu gewinnen.
Da er sich im Stande der Ruhe nach allen Seiten decken mußte, so durste
der Umkreis der Vedetten nicht zu groß sein, um deren nicht zu viel zu er¬
fordern: abgesonderte Feldwachen hätten zur Zersplitterung geführt. Deshalb
wurde die Feldwache in Bivouac selbst auf einem besondern Platz zusammen¬
gestellt, von wo die Vedetten abgelöst wurden und von dieser Regel nur ab-


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[0235] cadron, sondern nur 90 Pferde, worunter zehn Husaren unter dem Lieutenant von Katte, das übrige freiwillige Jäger unter dem Lieutenant Eckardt, ehe¬ maligem Justizrath, der bisher viel militärischen. Eifer und Anlage an den Tag gelegt hatte. Die meisten seiner Kameraden nahmen von ihm Abschied auf Nimmerwiedersehn. Nur der Oberst Katzler, der alte Blüchersche Husar, fand die Sache ganz nach seinem Geschmack. In der Nacht des 10. Mai um elf Uhr setzte das kleine Corps ohne Störung aus einer Fähre über die Elbe, ^ab schlich sich dann mitten durch die französischen und sächsischen Vorposten, deren Anrufen sie hören konnten, durch die Waldung nach Hellendorf, ohne Spitze und Seitenpatrouille, als wäre es ein Kommando mitten unter Freunden. Auf diese Weise gelangte Colomb mitten durch eine Grenzpostirung von polnischen Ulanen, die bestimmt waren, den zurückkehrenden König von Sachsen in Empfang zu nehmen, nach Bären- stein, wo er Nachricht erhielt, daß der Vicekönig von Italien über Frei¬ berg zurück nach Hause reisen werde, nach Marienberg, wo er bei den Ein¬ wohnern die zuvorkommendste Aufnahme fand, um Plauen herum und nach Neustadt, das er wegen seiner vortheilhaften Lage zum Mittelpunkt seiner Operationen gewählt hatte und von wo aus er sich mit dem schleizischen Major und Kammerherrn von Strauch und dem Assessor Schwarz in Rudolstadt in Verbindung setzte, die ihn mit den werthvollsten Nachrichten versahen. Schon unterwegs waren mehre einzelne feindliche Offiziere mit Depeschen gefangen ge¬ nommen worden. Die eigentliche Wirksamkeit des Streifcorps fing aber erst jetzt an. Von der Ansicht ausgehend, daß stete Bewegung in einer so isolirten Lage die Sicherheit geben müsse, nicht vom Feinde umgangen zu werden, blieb Colomb nie länger als ante bis zehn Stunden an einem Orte, zog Nachtmärsche vor und verweilte auf großen Straßen gar nicht. Auf den Märschen bediente er sich selten der Avant- oder Arriöregarde, hatte nur doppelte Spitze und gleiche Zwischenposten vor- und rückwärts und eine Scitenpatrouille rechts wie links, sonst alles beisammen — anfangs, um Zersplitterung zu vermeiden und die. noch Unerfahrenen stets in der Hand zu haben, später in der ge¬ wonnenen Ueberzeugung, daß so jeder vom Augenblick befohlene Entschluß am raschesten ausgeführt werden könne. In der Nacht hielt sich Colomb vom Trupp entfernt in der Nähe der Spitze, um ungehindert durchs Geräusch des Marsches horchen zu können; am Tage begab sich sowol er, wie Katte viel¬ fältig aus die neben den Straßen befindlichen Höhen, um Umsicht zu gewinnen. Da er sich im Stande der Ruhe nach allen Seiten decken mußte, so durste der Umkreis der Vedetten nicht zu groß sein, um deren nicht zu viel zu er¬ fordern: abgesonderte Feldwachen hätten zur Zersplitterung geführt. Deshalb wurde die Feldwache in Bivouac selbst auf einem besondern Platz zusammen¬ gestellt, von wo die Vedetten abgelöst wurden und von dieser Regel nur ab- 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/235>, abgerufen am 22.12.2024.