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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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gelegene Bestreichung der aussprengenden Winkel zu sichern vermag. Ent¬
scheidet man sich für die' längeren Fronten, so ist klar, daß man auf denselben
eine größere Anzahl von Vertheidigungsmitteln aufstellen kann, daß man für
den ganzen Platz weniger Caponnieren bedarf, daß der Sicherheitsdienst wah¬
rend der Belagerung sich vereinfacht u, f. w.

Mit Ausnahme der Kreisbefestigung, welche hier unerörtert bleibt, weil
ihrer praktischen Anwendung Hindernisse entgegenstehen, ist kein System so sähig,
bei einer gegebenen Wallausdchnnng einen gleich großen Raum einzuschließen,
wie das polygonale. Bei keinem liegen die Flanken, auf deren Sicherung das
Heil des Ganzen beruht, so wohl gedeckt, denn der Feind kann die Caponnieren
erst sehen, wenn er auf der Contreesearpe angekommen ist und sie zu zerstören
wird er nur von den aufspringenden Winkeln derselben Linie her im Stande
sein; kein andres System ist so durchaus gegen die Wirkung von Rückcnschüssen
gesichert und endlich gestattet keins eine so kräftige Vertheidigung der Bresche,
weil kein andres der Defensive für diesen Zweck einen gleich unbeschränkten
Raum zur Aufstellung und Handhabung der Streitkräfte darbietet. Daß es
in Hinsicht aus die Kosten an Wohlfeilheit jede andre Befestigungsmanirr über¬
trifft, liegt außerdem so klar vor Augen, daß dieser Punkt hier keiner weitern
Erörterung bedarf.

Diese großen Vorzüge des Polygonalsystems sind entscheidend für seine
beinahe ausnahmsweise Anwendung bei sämmtlichen großen FestungSneubauten
in fast allen europäischen Ländern, wo solche zur Ausführung kamen, gewesen.
Man hat dabei nicht alle Vorschläge des großen Meisters, namentlich nicht
diejenigen verwirklicht, welche auf die Ausstellung der größtmöglichen Geschütz¬
zahl lmnielen, weil sich dieses von selbst aus Gründen einer vernünf¬
tigen Oekonomie verbot, aber alles andre fußt auf seinen sonstigen großen
Principien.

Für den heutigen Ingenieur darf es als eine unumstößliche Thatsache
gelten, daß mit dem Polygonalsystem die beste Methode zur Herstellung einer
starken Enceinte gegeben worden ist, welche überhaupt gedacht werden kann;
daß nicht zu erwarten steht, es werde in Zukunft irgendwelche wesentliche Ver¬
änderung in dieser Hinsicht zur Geltung kommen und daß, falls unter der
Befestigungskunst nur das zu verstehen wäre, was die ältern Ingenieure in
diesen Begriff hineinlegten, nämlich die Kunst, einen gegebenen Raum durch
fortificatorische Mittel gegen den feindlichen Zugang abzuschließen und der
Vertheidigung auf dieser abschließenden Linie alle Vortheile zu sichern, dieselbe zu
ihrem Schluß gekommen,/ mit andern Worten, das ihr zu Grunde liegende
Problem gelöst sein würde.

Montalembert kann nicht als der Erste bezeichnet werden, welcher es aus¬
gesprochen, daß die Kunst des Ingenieurs weiter gesteckte Grenzen habe, als


gelegene Bestreichung der aussprengenden Winkel zu sichern vermag. Ent¬
scheidet man sich für die' längeren Fronten, so ist klar, daß man auf denselben
eine größere Anzahl von Vertheidigungsmitteln aufstellen kann, daß man für
den ganzen Platz weniger Caponnieren bedarf, daß der Sicherheitsdienst wah¬
rend der Belagerung sich vereinfacht u, f. w.

Mit Ausnahme der Kreisbefestigung, welche hier unerörtert bleibt, weil
ihrer praktischen Anwendung Hindernisse entgegenstehen, ist kein System so sähig,
bei einer gegebenen Wallausdchnnng einen gleich großen Raum einzuschließen,
wie das polygonale. Bei keinem liegen die Flanken, auf deren Sicherung das
Heil des Ganzen beruht, so wohl gedeckt, denn der Feind kann die Caponnieren
erst sehen, wenn er auf der Contreesearpe angekommen ist und sie zu zerstören
wird er nur von den aufspringenden Winkeln derselben Linie her im Stande
sein; kein andres System ist so durchaus gegen die Wirkung von Rückcnschüssen
gesichert und endlich gestattet keins eine so kräftige Vertheidigung der Bresche,
weil kein andres der Defensive für diesen Zweck einen gleich unbeschränkten
Raum zur Aufstellung und Handhabung der Streitkräfte darbietet. Daß es
in Hinsicht aus die Kosten an Wohlfeilheit jede andre Befestigungsmanirr über¬
trifft, liegt außerdem so klar vor Augen, daß dieser Punkt hier keiner weitern
Erörterung bedarf.

Diese großen Vorzüge des Polygonalsystems sind entscheidend für seine
beinahe ausnahmsweise Anwendung bei sämmtlichen großen FestungSneubauten
in fast allen europäischen Ländern, wo solche zur Ausführung kamen, gewesen.
Man hat dabei nicht alle Vorschläge des großen Meisters, namentlich nicht
diejenigen verwirklicht, welche auf die Ausstellung der größtmöglichen Geschütz¬
zahl lmnielen, weil sich dieses von selbst aus Gründen einer vernünf¬
tigen Oekonomie verbot, aber alles andre fußt auf seinen sonstigen großen
Principien.

Für den heutigen Ingenieur darf es als eine unumstößliche Thatsache
gelten, daß mit dem Polygonalsystem die beste Methode zur Herstellung einer
starken Enceinte gegeben worden ist, welche überhaupt gedacht werden kann;
daß nicht zu erwarten steht, es werde in Zukunft irgendwelche wesentliche Ver¬
änderung in dieser Hinsicht zur Geltung kommen und daß, falls unter der
Befestigungskunst nur das zu verstehen wäre, was die ältern Ingenieure in
diesen Begriff hineinlegten, nämlich die Kunst, einen gegebenen Raum durch
fortificatorische Mittel gegen den feindlichen Zugang abzuschließen und der
Vertheidigung auf dieser abschließenden Linie alle Vortheile zu sichern, dieselbe zu
ihrem Schluß gekommen,/ mit andern Worten, das ihr zu Grunde liegende
Problem gelöst sein würde.

Montalembert kann nicht als der Erste bezeichnet werden, welcher es aus¬
gesprochen, daß die Kunst des Ingenieurs weiter gesteckte Grenzen habe, als


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[0116] gelegene Bestreichung der aussprengenden Winkel zu sichern vermag. Ent¬ scheidet man sich für die' längeren Fronten, so ist klar, daß man auf denselben eine größere Anzahl von Vertheidigungsmitteln aufstellen kann, daß man für den ganzen Platz weniger Caponnieren bedarf, daß der Sicherheitsdienst wah¬ rend der Belagerung sich vereinfacht u, f. w. Mit Ausnahme der Kreisbefestigung, welche hier unerörtert bleibt, weil ihrer praktischen Anwendung Hindernisse entgegenstehen, ist kein System so sähig, bei einer gegebenen Wallausdchnnng einen gleich großen Raum einzuschließen, wie das polygonale. Bei keinem liegen die Flanken, auf deren Sicherung das Heil des Ganzen beruht, so wohl gedeckt, denn der Feind kann die Caponnieren erst sehen, wenn er auf der Contreesearpe angekommen ist und sie zu zerstören wird er nur von den aufspringenden Winkeln derselben Linie her im Stande sein; kein andres System ist so durchaus gegen die Wirkung von Rückcnschüssen gesichert und endlich gestattet keins eine so kräftige Vertheidigung der Bresche, weil kein andres der Defensive für diesen Zweck einen gleich unbeschränkten Raum zur Aufstellung und Handhabung der Streitkräfte darbietet. Daß es in Hinsicht aus die Kosten an Wohlfeilheit jede andre Befestigungsmanirr über¬ trifft, liegt außerdem so klar vor Augen, daß dieser Punkt hier keiner weitern Erörterung bedarf. Diese großen Vorzüge des Polygonalsystems sind entscheidend für seine beinahe ausnahmsweise Anwendung bei sämmtlichen großen FestungSneubauten in fast allen europäischen Ländern, wo solche zur Ausführung kamen, gewesen. Man hat dabei nicht alle Vorschläge des großen Meisters, namentlich nicht diejenigen verwirklicht, welche auf die Ausstellung der größtmöglichen Geschütz¬ zahl lmnielen, weil sich dieses von selbst aus Gründen einer vernünf¬ tigen Oekonomie verbot, aber alles andre fußt auf seinen sonstigen großen Principien. Für den heutigen Ingenieur darf es als eine unumstößliche Thatsache gelten, daß mit dem Polygonalsystem die beste Methode zur Herstellung einer starken Enceinte gegeben worden ist, welche überhaupt gedacht werden kann; daß nicht zu erwarten steht, es werde in Zukunft irgendwelche wesentliche Ver¬ änderung in dieser Hinsicht zur Geltung kommen und daß, falls unter der Befestigungskunst nur das zu verstehen wäre, was die ältern Ingenieure in diesen Begriff hineinlegten, nämlich die Kunst, einen gegebenen Raum durch fortificatorische Mittel gegen den feindlichen Zugang abzuschließen und der Vertheidigung auf dieser abschließenden Linie alle Vortheile zu sichern, dieselbe zu ihrem Schluß gekommen,/ mit andern Worten, das ihr zu Grunde liegende Problem gelöst sein würde. Montalembert kann nicht als der Erste bezeichnet werden, welcher es aus¬ gesprochen, daß die Kunst des Ingenieurs weiter gesteckte Grenzen habe, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/116>, abgerufen am 27.06.2024.