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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Kaum ausgeschifft, fühlt der Reisende den Fieberfrost durch seine Glieder
Schauern, ersetzt sich erschöpft nieder, sinkt kraftlos um und vielleicht schon am
folgenden Tage ist sein Leib von den fahlen Flecken überzogen; er springt
rasend auf, ringt durch eine letzte Anstrengung noch einmal das fliehende
Leben zurück und sinkt todt nieder. Dann flieht man die Städte, die Kranken
strömen zu den Wohnungen zurück und die Pflanzer schlagen hoch auf den
Bergen ihre Hütten auf, um dort wo möglich eine gesundere Luft zu athmen.
Die keuchenden Neger drängen sich in die Hospitäler der Pflanzungen, schlafen
im Schatten, und im Hause des Pflanzers fächeln die jüngern den ermatteten
unter seinem Moosdache ruhenden Herrn, während die Lilas hier und da einen
dunkeln Schatten auf das Haus werfen und die offnen, mit Vorhängen ge¬
schmückten Fenster vergebens einen wohlthätigen Luftzug herbeilocken; denn
alles ist glühend, unbeweglich, todt, kein Lüftchen regt sich. Und wer sich um
Mittag ins Freie hinauswagt, hat keinen andern Schatten, als den seines
breiten Hutes, welcher die senkrechten Sonnenstrahlen abhält.

Der Wald ist nur noch der Aufenthalt ekelhafter, tödtlicher Schlangen,
summender Mosquitos und Millionen giftiger Insekten; scheu wagen sich des
Abends die Rehe an das Ufer der Seen, um Flitter zu suchen und schreien
jämmerlich unter den unaufhörlichen Stichen der Mosquiten; von Hitze und
Ermattung überwältigt, brüllt auch der Tiger; die Klapperschlange windet
ihren schrillenden Schwanz und verwundet die unter Lianen schlafenden
wilden Pferde, die Wölfe der Grassteppen, die Füchse und die Büffel. Den
unbedeutendsten Dornenriß muß man ausbrennen oder der Fieberkrampf durch¬
dringt mit wüthender Eile das Fleisch, wühlt in den Gebeinen wie ein scharfer
Stachel, dörrt die Glieder und zwängt Mund und Kehle zusammen; dann
treten jene convulsivischen Zuckungen ein, welche ein ebenso durchdringendes
Geschrei erpressen, wie der Schmerz und gleich der Folter auch die stärkste
Kraft brechen.

Wenige Familien sehen den Winter herankommen, ohne einen der Ihrigen
beweinen zu müssen; aber die letzten Strahlen der heißen Sonne trocknen die
Thränen, welche zu reichlich flössen, als daß sie lange währen konnten. Der
Schmerz eines Creolen ist ungestüm, leidenschaftlich, tief empfunden, wird aber
ebenso schnell vergessen, obwol die schlecht geheilten Wunden oft von neuem
bluten.

Der Winter ist das eigentliche Leben der Pflanzer; dann folgen einander
ohne Aufhören Bälle, Gastmähler, Vergnügungen aller Art; der Reichthum
glänzt in jeder Form, Gold kommt und geht in großen Massen und die Felder
stehen im reichsten Schmuck der Ernte. Dringt man in das Innere der Wälder,
so sind die Seen mit Enten, Gänsen, Trappen, schottischen Bernaschen,
Schwänen, Flamingos, Ibis und Bekassinen bedeckt, welche sie buchstäblich


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Kaum ausgeschifft, fühlt der Reisende den Fieberfrost durch seine Glieder
Schauern, ersetzt sich erschöpft nieder, sinkt kraftlos um und vielleicht schon am
folgenden Tage ist sein Leib von den fahlen Flecken überzogen; er springt
rasend auf, ringt durch eine letzte Anstrengung noch einmal das fliehende
Leben zurück und sinkt todt nieder. Dann flieht man die Städte, die Kranken
strömen zu den Wohnungen zurück und die Pflanzer schlagen hoch auf den
Bergen ihre Hütten auf, um dort wo möglich eine gesundere Luft zu athmen.
Die keuchenden Neger drängen sich in die Hospitäler der Pflanzungen, schlafen
im Schatten, und im Hause des Pflanzers fächeln die jüngern den ermatteten
unter seinem Moosdache ruhenden Herrn, während die Lilas hier und da einen
dunkeln Schatten auf das Haus werfen und die offnen, mit Vorhängen ge¬
schmückten Fenster vergebens einen wohlthätigen Luftzug herbeilocken; denn
alles ist glühend, unbeweglich, todt, kein Lüftchen regt sich. Und wer sich um
Mittag ins Freie hinauswagt, hat keinen andern Schatten, als den seines
breiten Hutes, welcher die senkrechten Sonnenstrahlen abhält.

Der Wald ist nur noch der Aufenthalt ekelhafter, tödtlicher Schlangen,
summender Mosquitos und Millionen giftiger Insekten; scheu wagen sich des
Abends die Rehe an das Ufer der Seen, um Flitter zu suchen und schreien
jämmerlich unter den unaufhörlichen Stichen der Mosquiten; von Hitze und
Ermattung überwältigt, brüllt auch der Tiger; die Klapperschlange windet
ihren schrillenden Schwanz und verwundet die unter Lianen schlafenden
wilden Pferde, die Wölfe der Grassteppen, die Füchse und die Büffel. Den
unbedeutendsten Dornenriß muß man ausbrennen oder der Fieberkrampf durch¬
dringt mit wüthender Eile das Fleisch, wühlt in den Gebeinen wie ein scharfer
Stachel, dörrt die Glieder und zwängt Mund und Kehle zusammen; dann
treten jene convulsivischen Zuckungen ein, welche ein ebenso durchdringendes
Geschrei erpressen, wie der Schmerz und gleich der Folter auch die stärkste
Kraft brechen.

Wenige Familien sehen den Winter herankommen, ohne einen der Ihrigen
beweinen zu müssen; aber die letzten Strahlen der heißen Sonne trocknen die
Thränen, welche zu reichlich flössen, als daß sie lange währen konnten. Der
Schmerz eines Creolen ist ungestüm, leidenschaftlich, tief empfunden, wird aber
ebenso schnell vergessen, obwol die schlecht geheilten Wunden oft von neuem
bluten.

Der Winter ist das eigentliche Leben der Pflanzer; dann folgen einander
ohne Aufhören Bälle, Gastmähler, Vergnügungen aller Art; der Reichthum
glänzt in jeder Form, Gold kommt und geht in großen Massen und die Felder
stehen im reichsten Schmuck der Ernte. Dringt man in das Innere der Wälder,
so sind die Seen mit Enten, Gänsen, Trappen, schottischen Bernaschen,
Schwänen, Flamingos, Ibis und Bekassinen bedeckt, welche sie buchstäblich


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[0419] Kaum ausgeschifft, fühlt der Reisende den Fieberfrost durch seine Glieder Schauern, ersetzt sich erschöpft nieder, sinkt kraftlos um und vielleicht schon am folgenden Tage ist sein Leib von den fahlen Flecken überzogen; er springt rasend auf, ringt durch eine letzte Anstrengung noch einmal das fliehende Leben zurück und sinkt todt nieder. Dann flieht man die Städte, die Kranken strömen zu den Wohnungen zurück und die Pflanzer schlagen hoch auf den Bergen ihre Hütten auf, um dort wo möglich eine gesundere Luft zu athmen. Die keuchenden Neger drängen sich in die Hospitäler der Pflanzungen, schlafen im Schatten, und im Hause des Pflanzers fächeln die jüngern den ermatteten unter seinem Moosdache ruhenden Herrn, während die Lilas hier und da einen dunkeln Schatten auf das Haus werfen und die offnen, mit Vorhängen ge¬ schmückten Fenster vergebens einen wohlthätigen Luftzug herbeilocken; denn alles ist glühend, unbeweglich, todt, kein Lüftchen regt sich. Und wer sich um Mittag ins Freie hinauswagt, hat keinen andern Schatten, als den seines breiten Hutes, welcher die senkrechten Sonnenstrahlen abhält. Der Wald ist nur noch der Aufenthalt ekelhafter, tödtlicher Schlangen, summender Mosquitos und Millionen giftiger Insekten; scheu wagen sich des Abends die Rehe an das Ufer der Seen, um Flitter zu suchen und schreien jämmerlich unter den unaufhörlichen Stichen der Mosquiten; von Hitze und Ermattung überwältigt, brüllt auch der Tiger; die Klapperschlange windet ihren schrillenden Schwanz und verwundet die unter Lianen schlafenden wilden Pferde, die Wölfe der Grassteppen, die Füchse und die Büffel. Den unbedeutendsten Dornenriß muß man ausbrennen oder der Fieberkrampf durch¬ dringt mit wüthender Eile das Fleisch, wühlt in den Gebeinen wie ein scharfer Stachel, dörrt die Glieder und zwängt Mund und Kehle zusammen; dann treten jene convulsivischen Zuckungen ein, welche ein ebenso durchdringendes Geschrei erpressen, wie der Schmerz und gleich der Folter auch die stärkste Kraft brechen. Wenige Familien sehen den Winter herankommen, ohne einen der Ihrigen beweinen zu müssen; aber die letzten Strahlen der heißen Sonne trocknen die Thränen, welche zu reichlich flössen, als daß sie lange währen konnten. Der Schmerz eines Creolen ist ungestüm, leidenschaftlich, tief empfunden, wird aber ebenso schnell vergessen, obwol die schlecht geheilten Wunden oft von neuem bluten. Der Winter ist das eigentliche Leben der Pflanzer; dann folgen einander ohne Aufhören Bälle, Gastmähler, Vergnügungen aller Art; der Reichthum glänzt in jeder Form, Gold kommt und geht in großen Massen und die Felder stehen im reichsten Schmuck der Ernte. Dringt man in das Innere der Wälder, so sind die Seen mit Enten, Gänsen, Trappen, schottischen Bernaschen, Schwänen, Flamingos, Ibis und Bekassinen bedeckt, welche sie buchstäblich 52*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/419>, abgerufen am 01.07.2024.