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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Sprachen wir: "wir wollten das gerne thun, doch wie sollen wir euch nennen,
daß er den Gruß von euch verstehe?" Sprach er: "saget nichts weiter, als:
der kommen wird, läßt euch grüßen, -- so versteht er dieWorte sogleich." Also
schied er von uns und ging zu seiner Ruhe.

Darnach kamen die Kaufmänner wieder in die Stube und hießen den
Wirth ihnen noch einen Trunk austragen, während welchem sie viel Unter¬
redungen hielten des Gases halber, wer der wol wäre. Doch der Wirth ließ
sich merken, er hielte ihn für den Luther und sie die Kaufleute ließen sich bald
bereden und bedauerten und kümmerten sich, daß sie so ungeschickt vor ihm
geredet hatten und sprachen, sie wollten am Morgen um so früher aufstehn,
ehe er wegritte und wollten ita bitten, er möge nicht auf sie zürnen noch im
Arg daran denken, da sie seine Person nicht erkannt hätten. Dies ist geschehen
und sie haben ihn am Morgen im Stall gefunden. Aber Martinus hat ge¬
antwortet: "Ihr habt zur Nacht beim Nachtmahl gesagt, ihr wollt zehn
Gulden wegen des Luthers ausgeben, um ihm zu beichten. Wenn ihr ihm
beichtet, werdet ihr wohl sehen und erfahren, ob ich der Martinus Luther sei."
Weiter hat er sich nicht zu erkennen gegeben, ist darauf bald aufgesessen und
auf Wittenberg zugeritten.

An demselben Tag sind wir auf Naumburg zugezogen und wie wir in
ein Dorf kommen -- es liegt unten an einem Berg, ich verneine, der
Berg heißt Orlamünde und das Dorf Naßhausen -- dadurch fließt ein Wasser,
das war vom übergroßen Regen ausgetreten und hatte die Brücke zum Theil
hinweggeführt, daß keiner mit einem Pferd herüber reiten konnte. In dem-
selbigen Dorf sind wir eingekehrt und haben durch Zufall die zween Kausmänner
in der Herberg gefunden; welche uns daselbst um deS Luthers willen auch bei
sich gastfrei hielten.

Am Samstag darauf (wie Martinus am Freitag), den Tag vor dem ersten
Sonntag in der Fasten sind wir bei dem l)r. Hieronymus Schürpf eingekehrt,
auch um unsere Briefe zu überantworten. Wie man uns in die Stube beruft,
stehe, so finden wir -- den Reiter Martinus ebenso wie zu Jena. Und bei
ihm ist Philippus Melanchthon, Justus Jodocus Jonas, Nicolaus Amsdorf,
or. Augustin Schurff, sie erzählen ihm, was sich während seiner Abwesenheit zu
Wittenberg ereignet hat. Er grüßt uns und lacht, zeigt mit dem Finger und
spricht: "Dies ist der Philipp Melanchthon, von dem ich euch gesagt hab."




Martin Luther, der Reitersmann im schwarzen Bär, war aus dem Rück¬
wege von seiner Haft auf der Wartburg nach Wittenberg. Am 3. März
verließ er die Wartburg, es war sein zweites Nachtlager auf dem er die armen
Studenten traf, am 5. schrieb er von Borna, einer andern Station seiner
heimlichen Reise, den berühmten Brief an seinen Kurfürst. -- In der treu-


Sprachen wir: „wir wollten das gerne thun, doch wie sollen wir euch nennen,
daß er den Gruß von euch verstehe?" Sprach er: „saget nichts weiter, als:
der kommen wird, läßt euch grüßen, — so versteht er dieWorte sogleich." Also
schied er von uns und ging zu seiner Ruhe.

Darnach kamen die Kaufmänner wieder in die Stube und hießen den
Wirth ihnen noch einen Trunk austragen, während welchem sie viel Unter¬
redungen hielten des Gases halber, wer der wol wäre. Doch der Wirth ließ
sich merken, er hielte ihn für den Luther und sie die Kaufleute ließen sich bald
bereden und bedauerten und kümmerten sich, daß sie so ungeschickt vor ihm
geredet hatten und sprachen, sie wollten am Morgen um so früher aufstehn,
ehe er wegritte und wollten ita bitten, er möge nicht auf sie zürnen noch im
Arg daran denken, da sie seine Person nicht erkannt hätten. Dies ist geschehen
und sie haben ihn am Morgen im Stall gefunden. Aber Martinus hat ge¬
antwortet: „Ihr habt zur Nacht beim Nachtmahl gesagt, ihr wollt zehn
Gulden wegen des Luthers ausgeben, um ihm zu beichten. Wenn ihr ihm
beichtet, werdet ihr wohl sehen und erfahren, ob ich der Martinus Luther sei."
Weiter hat er sich nicht zu erkennen gegeben, ist darauf bald aufgesessen und
auf Wittenberg zugeritten.

An demselben Tag sind wir auf Naumburg zugezogen und wie wir in
ein Dorf kommen — es liegt unten an einem Berg, ich verneine, der
Berg heißt Orlamünde und das Dorf Naßhausen — dadurch fließt ein Wasser,
das war vom übergroßen Regen ausgetreten und hatte die Brücke zum Theil
hinweggeführt, daß keiner mit einem Pferd herüber reiten konnte. In dem-
selbigen Dorf sind wir eingekehrt und haben durch Zufall die zween Kausmänner
in der Herberg gefunden; welche uns daselbst um deS Luthers willen auch bei
sich gastfrei hielten.

Am Samstag darauf (wie Martinus am Freitag), den Tag vor dem ersten
Sonntag in der Fasten sind wir bei dem l)r. Hieronymus Schürpf eingekehrt,
auch um unsere Briefe zu überantworten. Wie man uns in die Stube beruft,
stehe, so finden wir — den Reiter Martinus ebenso wie zu Jena. Und bei
ihm ist Philippus Melanchthon, Justus Jodocus Jonas, Nicolaus Amsdorf,
or. Augustin Schurff, sie erzählen ihm, was sich während seiner Abwesenheit zu
Wittenberg ereignet hat. Er grüßt uns und lacht, zeigt mit dem Finger und
spricht: „Dies ist der Philipp Melanchthon, von dem ich euch gesagt hab."




Martin Luther, der Reitersmann im schwarzen Bär, war aus dem Rück¬
wege von seiner Haft auf der Wartburg nach Wittenberg. Am 3. März
verließ er die Wartburg, es war sein zweites Nachtlager auf dem er die armen
Studenten traf, am 5. schrieb er von Borna, einer andern Station seiner
heimlichen Reise, den berühmten Brief an seinen Kurfürst. — In der treu-


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[0396] Sprachen wir: „wir wollten das gerne thun, doch wie sollen wir euch nennen, daß er den Gruß von euch verstehe?" Sprach er: „saget nichts weiter, als: der kommen wird, läßt euch grüßen, — so versteht er dieWorte sogleich." Also schied er von uns und ging zu seiner Ruhe. Darnach kamen die Kaufmänner wieder in die Stube und hießen den Wirth ihnen noch einen Trunk austragen, während welchem sie viel Unter¬ redungen hielten des Gases halber, wer der wol wäre. Doch der Wirth ließ sich merken, er hielte ihn für den Luther und sie die Kaufleute ließen sich bald bereden und bedauerten und kümmerten sich, daß sie so ungeschickt vor ihm geredet hatten und sprachen, sie wollten am Morgen um so früher aufstehn, ehe er wegritte und wollten ita bitten, er möge nicht auf sie zürnen noch im Arg daran denken, da sie seine Person nicht erkannt hätten. Dies ist geschehen und sie haben ihn am Morgen im Stall gefunden. Aber Martinus hat ge¬ antwortet: „Ihr habt zur Nacht beim Nachtmahl gesagt, ihr wollt zehn Gulden wegen des Luthers ausgeben, um ihm zu beichten. Wenn ihr ihm beichtet, werdet ihr wohl sehen und erfahren, ob ich der Martinus Luther sei." Weiter hat er sich nicht zu erkennen gegeben, ist darauf bald aufgesessen und auf Wittenberg zugeritten. An demselben Tag sind wir auf Naumburg zugezogen und wie wir in ein Dorf kommen — es liegt unten an einem Berg, ich verneine, der Berg heißt Orlamünde und das Dorf Naßhausen — dadurch fließt ein Wasser, das war vom übergroßen Regen ausgetreten und hatte die Brücke zum Theil hinweggeführt, daß keiner mit einem Pferd herüber reiten konnte. In dem- selbigen Dorf sind wir eingekehrt und haben durch Zufall die zween Kausmänner in der Herberg gefunden; welche uns daselbst um deS Luthers willen auch bei sich gastfrei hielten. Am Samstag darauf (wie Martinus am Freitag), den Tag vor dem ersten Sonntag in der Fasten sind wir bei dem l)r. Hieronymus Schürpf eingekehrt, auch um unsere Briefe zu überantworten. Wie man uns in die Stube beruft, stehe, so finden wir — den Reiter Martinus ebenso wie zu Jena. Und bei ihm ist Philippus Melanchthon, Justus Jodocus Jonas, Nicolaus Amsdorf, or. Augustin Schurff, sie erzählen ihm, was sich während seiner Abwesenheit zu Wittenberg ereignet hat. Er grüßt uns und lacht, zeigt mit dem Finger und spricht: „Dies ist der Philipp Melanchthon, von dem ich euch gesagt hab." Martin Luther, der Reitersmann im schwarzen Bär, war aus dem Rück¬ wege von seiner Haft auf der Wartburg nach Wittenberg. Am 3. März verließ er die Wartburg, es war sein zweites Nachtlager auf dem er die armen Studenten traf, am 5. schrieb er von Borna, einer andern Station seiner heimlichen Reise, den berühmten Brief an seinen Kurfürst. — In der treu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/396>, abgerufen am 01.07.2024.