Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.über ihnen ein langer Kranz von Zinnen, zur Vertheidigung wie zum Schmuck. Das Innere des Schlosses besteht, wie erwähnt, aus vier Stockwerken. Der Anlage nach ist die Marienburg nicht nur das umfangreichste, über ihnen ein langer Kranz von Zinnen, zur Vertheidigung wie zum Schmuck. Das Innere des Schlosses besteht, wie erwähnt, aus vier Stockwerken. Der Anlage nach ist die Marienburg nicht nur das umfangreichste, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0173" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99559"/> <p xml:id="ID_583" prev="#ID_582"> über ihnen ein langer Kranz von Zinnen, zur Vertheidigung wie zum Schmuck.<lb/> Der volle Anblick ist noch durch einige kleine vorstehende Häuser verdeckt; es<lb/> ist im Plane, diese wegzureißen. DaS aber wäre zu bedauern! Diese Häuser-<lb/> chen, 1—2 Stock hoch, unregelmäßig, mit bisweilen schiefen Fenstern; hierauf<lb/> den Stumpf eines alten Burgthurmes aufgesetzt, dort aus Holzpfählen ruhend,<lb/> und zwischen ihnen die Ruine des alten Brückenthors, stören den Eindruck in<lb/> der That sehr wenig, sie sind wie eine Brücke aus der alten Zeit in die Gegen¬<lb/> wart; man sieht, wie das Leben nicht abstirbt, wenn auch Burgen verfallen,<lb/> wie es überall noch unter Ruinen sich anhängt und fortspinnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_584"> Das Innere des Schlosses besteht, wie erwähnt, aus vier Stockwerken.<lb/> Das oberste enthielt die Prachtgemächer des Hochmeisters, darunter als das<lb/> schönste „Meisters gr v ß e n Ne inter ", dessen kühne Spitzbogengewölbe leicht<lb/> auf einem einzigen Granitpfeiler ruhen und dessen Fensterreihe auf drei Seiten<lb/> eine entzückende Aussicht über den Strom in das offene Werdergelände bietet.<lb/> In ihm wurden Fürsten und fremde Gesandte empfangen und Festmahle gefeiert.<lb/> Daran stößt eine prachtvolle „Bogenflur", in deren nördlicher Mauerbreite ein<lb/> os Fuß tiefer runder Brunnen aus Stein durch alle Stockwerke geht. Diese<lb/> Bvgenflur führt nebenan zunächst nach „Meisters kleinem Reuter", dem<lb/> gewöhnlichen Speisesaal des Hochmeisters, woran „Meisters Stube" und<lb/> „Meisters Gemach" grenzen. Rechts von der Flur liegt des Meisters<lb/> „Kapelle", sein „Schlafgemach" und „Badezimmer" und seine „Rüstkammer".<lb/> Auf einer steinernen Wendeltreppe, die bis in die riesigen Kellerräume hinab¬<lb/> führt, gelangt man zur Höhe auf den Zinnengang, mit welchem das ganze Ordens¬<lb/> haus wie der Ritter mit seinem Helm geschmückt ist. Unter diesem oberen<lb/> Prachtgeschosse befanden sich die Gemächer der höheren Ordensbeamten,<lb/> in welchen diese täglich arbeiteten, während in einem Seitenflügel nach Norden<lb/> zu der weite Prachtsaal des Conventremters sich durch zwei Stockwerke<lb/> hinzog, zu heiteren Zusammenkünften der Ritter bestimmt. Unter diesem, zum<lb/> Theil schon Erdgeschosse, befinden sich noch zwei K e l l e r e ra g e n, theils zu<lb/> Wohnungen für Meisters Dienerschaft, theils zu Weinkellern bestimmt. Der<lb/> ganze Ban dieses Miltelschlosses aber lastet unten auf einem einzigen riesigen<lb/> Pfeiler, aus Ziegelsteinen aufgeführt, der wie Atlas Himmel und Erde trägt.</p><lb/> <p xml:id="ID_585" next="#ID_586"> Der Anlage nach ist die Marienburg nicht nur das umfangreichste,<lb/> sondern seiner großartigen und originellen Construction nach das schönste<lb/> und erhabenste Schloß bauwerk des Mittelalters. Diese Ansicht sprach<lb/> schon 18-16 Castcnoble aus, bei seinem Besuche der Burg, schon damals, als<lb/> das Ganze noch durch mannigfache polnische Anbauten entstellt war und die<lb/> Größe und Pracht, die sich durch spätere Entdeckungen offenbarten, kaum erst<lb/> geahnt werden konnten. Dasselbe Möller in Darmstadt, Schinkel und von<lb/> Quast in Berlin, sowie Brown aus Neuyork, der unlängst, von Peters-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0173]
über ihnen ein langer Kranz von Zinnen, zur Vertheidigung wie zum Schmuck.
Der volle Anblick ist noch durch einige kleine vorstehende Häuser verdeckt; es
ist im Plane, diese wegzureißen. DaS aber wäre zu bedauern! Diese Häuser-
chen, 1—2 Stock hoch, unregelmäßig, mit bisweilen schiefen Fenstern; hierauf
den Stumpf eines alten Burgthurmes aufgesetzt, dort aus Holzpfählen ruhend,
und zwischen ihnen die Ruine des alten Brückenthors, stören den Eindruck in
der That sehr wenig, sie sind wie eine Brücke aus der alten Zeit in die Gegen¬
wart; man sieht, wie das Leben nicht abstirbt, wenn auch Burgen verfallen,
wie es überall noch unter Ruinen sich anhängt und fortspinnt.
Das Innere des Schlosses besteht, wie erwähnt, aus vier Stockwerken.
Das oberste enthielt die Prachtgemächer des Hochmeisters, darunter als das
schönste „Meisters gr v ß e n Ne inter ", dessen kühne Spitzbogengewölbe leicht
auf einem einzigen Granitpfeiler ruhen und dessen Fensterreihe auf drei Seiten
eine entzückende Aussicht über den Strom in das offene Werdergelände bietet.
In ihm wurden Fürsten und fremde Gesandte empfangen und Festmahle gefeiert.
Daran stößt eine prachtvolle „Bogenflur", in deren nördlicher Mauerbreite ein
os Fuß tiefer runder Brunnen aus Stein durch alle Stockwerke geht. Diese
Bvgenflur führt nebenan zunächst nach „Meisters kleinem Reuter", dem
gewöhnlichen Speisesaal des Hochmeisters, woran „Meisters Stube" und
„Meisters Gemach" grenzen. Rechts von der Flur liegt des Meisters
„Kapelle", sein „Schlafgemach" und „Badezimmer" und seine „Rüstkammer".
Auf einer steinernen Wendeltreppe, die bis in die riesigen Kellerräume hinab¬
führt, gelangt man zur Höhe auf den Zinnengang, mit welchem das ganze Ordens¬
haus wie der Ritter mit seinem Helm geschmückt ist. Unter diesem oberen
Prachtgeschosse befanden sich die Gemächer der höheren Ordensbeamten,
in welchen diese täglich arbeiteten, während in einem Seitenflügel nach Norden
zu der weite Prachtsaal des Conventremters sich durch zwei Stockwerke
hinzog, zu heiteren Zusammenkünften der Ritter bestimmt. Unter diesem, zum
Theil schon Erdgeschosse, befinden sich noch zwei K e l l e r e ra g e n, theils zu
Wohnungen für Meisters Dienerschaft, theils zu Weinkellern bestimmt. Der
ganze Ban dieses Miltelschlosses aber lastet unten auf einem einzigen riesigen
Pfeiler, aus Ziegelsteinen aufgeführt, der wie Atlas Himmel und Erde trägt.
Der Anlage nach ist die Marienburg nicht nur das umfangreichste,
sondern seiner großartigen und originellen Construction nach das schönste
und erhabenste Schloß bauwerk des Mittelalters. Diese Ansicht sprach
schon 18-16 Castcnoble aus, bei seinem Besuche der Burg, schon damals, als
das Ganze noch durch mannigfache polnische Anbauten entstellt war und die
Größe und Pracht, die sich durch spätere Entdeckungen offenbarten, kaum erst
geahnt werden konnten. Dasselbe Möller in Darmstadt, Schinkel und von
Quast in Berlin, sowie Brown aus Neuyork, der unlängst, von Peters-
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