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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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ziehungsanstalten einnimmt. Der Posten war bequem und der Pascha bekundete
dies durch Zunahme seiner Beleibtheit. Im Jahre 1853 und zwar zur Zeit,
als Menschikoff abreiste, wurden indeß mehre Classen der Kriegsschule aufgelöst
und die betreffenden Zöglinge zur Armee gesendet. Es war bei dieser Ge¬
legenheit, wo auch der Escadronschef Magnam, der im vergangenen Jahr viel
in den Zeitungen genannt worden ist, und welcher seither bei der Kriegsschule
als Lehrer gewirkt hatte, unter dem Titel Magnam-Bey ins Hauptquartier
Omer Paschas reiste. Achmed Pascha war ihm dorthin vorausgegangen und
zwar mit der Bestimmung, bei der Donauarmee die Stellung eines Chefs des
Generalstabs einzunehmen. Was den Eöcadrvnschcf Magnam anlangt, so
sollte er wol zunächst seinem frühern Borgesetzten von der Schule her rathend
zur Seite stehen. Indeß scheint er sich schnell in ein unmittelbares Verhältniß
zu Omer Pascha gestellt zu haben, in welchem es sich später ereignete, daß
ein Conflict entstand, auf dessen Beranlassung hin Magnam-Bey eine Reise
nach Paris unternahm, wie es hieß zur Wiederherstellung seiner von den
Mühen der Generalstabögeschäste altenrten Gesundheit.

Achmed Pascha verblieb dem Müschir (Omer) während des Herbstes in
Schumla zur Seite und ging dann nach Widdin, um den dortigen Com¬
mandanten Ismael Pascha bei seinen Operationen mit Rath zu unterstützen.
Diese Periode ist die Glanzzeit in der militärischen Carriere des Generals.
Bei der Affaire'von Tschitate war es ihm vorbehalten, die Reserve zu com-
mandiren und damit in einem kritischen Augenblick, wo es sich um das Geschick
des türkischen Armeecorps handelte, durch ein rechtzeitiges Eingreifen die Ent¬
scheidung zu geben. Man weiß, wie Achmed Pascha, nachdem das osmanische
Gros sich engagirt hatte, ruhig mit dem Fernrohr in der Hand auf einem
kleinen Hügel saß, den Rücken der Schlachtlinie bis zum fernen Horizont hin
musternd. Sein Jnstinct sagte ihm, daß ein feindlicher Hinterhalt lauere, und
als endlich die russische Umgehung ersichtlich wurde, welche das Corps von
hinten fassen sollte, warf er ihr schnell entschlossen die -ganze Nesecvemacht ent¬
gegen und gab erst dadurch dem Sieg in der Fronte, den Ismael Pascha er¬
fochten hatte, den rechten Halt.

Im Sommer d. I. befand sich Achmed Pascha in Nustschuck. Sein gutes
Einvernehmen mit dem Serdar Ekrem schwankte damals. Wie es nachher sich
gestaltet, weiß ich nicht anzugeben. Anfang September wurde indeß Ismael
Pascha zum' General e" chef in Anadoli ernannt, und das Armeecorps, welches
er seither geführt, (die Garde oder Khassa-Ordu) damit führerlos. Nun trat
Achmed Pascha zunächst interimistisch und bald darnach definitiv an dessen
Spitze. Der Rang eines Müschir, den er bei Tschitate sich verdiente, konnte
ihm nunmehr nicht länger vorenthalten werden, und in Kalarasch empfing er
den kaiserlichen Fernau.


ziehungsanstalten einnimmt. Der Posten war bequem und der Pascha bekundete
dies durch Zunahme seiner Beleibtheit. Im Jahre 1853 und zwar zur Zeit,
als Menschikoff abreiste, wurden indeß mehre Classen der Kriegsschule aufgelöst
und die betreffenden Zöglinge zur Armee gesendet. Es war bei dieser Ge¬
legenheit, wo auch der Escadronschef Magnam, der im vergangenen Jahr viel
in den Zeitungen genannt worden ist, und welcher seither bei der Kriegsschule
als Lehrer gewirkt hatte, unter dem Titel Magnam-Bey ins Hauptquartier
Omer Paschas reiste. Achmed Pascha war ihm dorthin vorausgegangen und
zwar mit der Bestimmung, bei der Donauarmee die Stellung eines Chefs des
Generalstabs einzunehmen. Was den Eöcadrvnschcf Magnam anlangt, so
sollte er wol zunächst seinem frühern Borgesetzten von der Schule her rathend
zur Seite stehen. Indeß scheint er sich schnell in ein unmittelbares Verhältniß
zu Omer Pascha gestellt zu haben, in welchem es sich später ereignete, daß
ein Conflict entstand, auf dessen Beranlassung hin Magnam-Bey eine Reise
nach Paris unternahm, wie es hieß zur Wiederherstellung seiner von den
Mühen der Generalstabögeschäste altenrten Gesundheit.

Achmed Pascha verblieb dem Müschir (Omer) während des Herbstes in
Schumla zur Seite und ging dann nach Widdin, um den dortigen Com¬
mandanten Ismael Pascha bei seinen Operationen mit Rath zu unterstützen.
Diese Periode ist die Glanzzeit in der militärischen Carriere des Generals.
Bei der Affaire'von Tschitate war es ihm vorbehalten, die Reserve zu com-
mandiren und damit in einem kritischen Augenblick, wo es sich um das Geschick
des türkischen Armeecorps handelte, durch ein rechtzeitiges Eingreifen die Ent¬
scheidung zu geben. Man weiß, wie Achmed Pascha, nachdem das osmanische
Gros sich engagirt hatte, ruhig mit dem Fernrohr in der Hand auf einem
kleinen Hügel saß, den Rücken der Schlachtlinie bis zum fernen Horizont hin
musternd. Sein Jnstinct sagte ihm, daß ein feindlicher Hinterhalt lauere, und
als endlich die russische Umgehung ersichtlich wurde, welche das Corps von
hinten fassen sollte, warf er ihr schnell entschlossen die -ganze Nesecvemacht ent¬
gegen und gab erst dadurch dem Sieg in der Fronte, den Ismael Pascha er¬
fochten hatte, den rechten Halt.

Im Sommer d. I. befand sich Achmed Pascha in Nustschuck. Sein gutes
Einvernehmen mit dem Serdar Ekrem schwankte damals. Wie es nachher sich
gestaltet, weiß ich nicht anzugeben. Anfang September wurde indeß Ismael
Pascha zum' General e» chef in Anadoli ernannt, und das Armeecorps, welches
er seither geführt, (die Garde oder Khassa-Ordu) damit führerlos. Nun trat
Achmed Pascha zunächst interimistisch und bald darnach definitiv an dessen
Spitze. Der Rang eines Müschir, den er bei Tschitate sich verdiente, konnte
ihm nunmehr nicht länger vorenthalten werden, und in Kalarasch empfing er
den kaiserlichen Fernau.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/80>, abgerufen am 23.07.2024.