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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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die sich am schlechtesten benommen haben, ausplündern. Empfehlen Sie den
Soldaten die treugebliebenen Städte gut zu behandeln. Nehmen Sie den aus¬
ständischen Dörfern ihr Gemeindegut und geben Sie dasselbe der Armee; aber
vor allem: Entwaffnen Sie mit Energie!"

Wenn Napoleon gegen Nationalgarten und Nationaltruppen ist, so
empfiehlt er dafür seinem Bruder andere Vorsichtsmaßregeln, die uns an die
Zeiten Cäsar Borgias erinnern, und verräth dabei, daß er selbst in seinem ge¬
treuen Frankreich (was gewiß niemand geahnt hätte) die peinlichsten Vorsichts¬
maßregeln gegen den Meuchelmord getroffen hat. "Ich habe es Ihnen bereits
gesagt und ich wiederhole es Ihnen noch einmal, daß Sie den Neapolitanern
zu sehr trauen. Ich muß Ihnen dies besonders in Bezug auf ihre Küche und
auf die Bewachung Ihrer Person sagen, sonst sind Sie der Gesahr ausgesetzt,
vergiftet oder ermordet zu werden. Ich wünsche daher sehr entschieden, daß
Sie Ihre französischen Köche beibehalten, daß Sie den Dienst an Ihrer Tafel
durch Ihren Haushofmeister versehen lassen, und daß der innere Dienst Ihres
Palasts so organisirt sei, daß Sie stets von Franzosen bewacht sind. Sie
haben mein Privatleben nicht genau genug beobachtet, um zu wissen, wie sehr
ich mich selbst in Frankreich immer unter der Obhut meiner zuverlässigsten und
ältesten Soldaten gehalten habe . . . Ihre Kammerdiener, Ihre Köche, die
Wachen, die in Ihrer Wohnung schlafen, diejenigen, die Sie bei Nacht er¬
wecken, um Ihnen Depeschen zu überbringen, müssen Franzosen sein. Bei
Nacht darf nie jemand zu Ihnen kommen, außer Ihrem Adjutanten, welcher
in dem Zimmer schlafen muß, das vor Ihrem Schlafzimmer liegt. Ihre Thür
muß von innen geschlossen sein, und Sie dürfen Ihrem Adjutanten nur öffnen,
nachdem Sie seine Stimme deutlich erkannt haben; er selbst darf an Ihre
Thür erst klopfen, nachdem er das Zimmer, worin er sich befindet, sorgfältig
verschlossen hat, um sicher zu sein, daß er allein da ist, und daß ihm niemand
folgen kann. Diese Vorsichtsmaßregeln sind wichtig und sie können Ihnen
das Leben retten."

Napoleon scheint fast gewußt zu haben, was ein vornehmer russischer
Hofbeamter zu dem Grafen Münster sagte, als dieser bei Besichtigung des
Schauplatzes von Pauls I. Ermordung seinen Abscheu über die Greuelthat
äußerte: ,Mon l)ieu, e'est note" constitution: I'avsolaUsmö temperes psr
I'as"iZ8final!" Welch herrliche Früchte die unumschränkte Gewalt trägt: statt des
sichern Vertrauens und der Liebe der Unterthanen Vorsichtsmaßregeln gegen
überall lauernden Meuchelmord, wie sie kein italienischer Tyrann ängstlicher
getroffen hat, statt freudigen Gehorsams immerwährende Gährung und unauf¬
hörliche Aufstände mit ihrem nothwendigen Gefolge immer blutigerer Repressiv¬
maßregeln, bis die Zahl der Henker fast der der Einwohner gleichkommt.

Uebrigens war Napoleon aus politischem System Aufständen in einem


die sich am schlechtesten benommen haben, ausplündern. Empfehlen Sie den
Soldaten die treugebliebenen Städte gut zu behandeln. Nehmen Sie den aus¬
ständischen Dörfern ihr Gemeindegut und geben Sie dasselbe der Armee; aber
vor allem: Entwaffnen Sie mit Energie!"

Wenn Napoleon gegen Nationalgarten und Nationaltruppen ist, so
empfiehlt er dafür seinem Bruder andere Vorsichtsmaßregeln, die uns an die
Zeiten Cäsar Borgias erinnern, und verräth dabei, daß er selbst in seinem ge¬
treuen Frankreich (was gewiß niemand geahnt hätte) die peinlichsten Vorsichts¬
maßregeln gegen den Meuchelmord getroffen hat. „Ich habe es Ihnen bereits
gesagt und ich wiederhole es Ihnen noch einmal, daß Sie den Neapolitanern
zu sehr trauen. Ich muß Ihnen dies besonders in Bezug auf ihre Küche und
auf die Bewachung Ihrer Person sagen, sonst sind Sie der Gesahr ausgesetzt,
vergiftet oder ermordet zu werden. Ich wünsche daher sehr entschieden, daß
Sie Ihre französischen Köche beibehalten, daß Sie den Dienst an Ihrer Tafel
durch Ihren Haushofmeister versehen lassen, und daß der innere Dienst Ihres
Palasts so organisirt sei, daß Sie stets von Franzosen bewacht sind. Sie
haben mein Privatleben nicht genau genug beobachtet, um zu wissen, wie sehr
ich mich selbst in Frankreich immer unter der Obhut meiner zuverlässigsten und
ältesten Soldaten gehalten habe . . . Ihre Kammerdiener, Ihre Köche, die
Wachen, die in Ihrer Wohnung schlafen, diejenigen, die Sie bei Nacht er¬
wecken, um Ihnen Depeschen zu überbringen, müssen Franzosen sein. Bei
Nacht darf nie jemand zu Ihnen kommen, außer Ihrem Adjutanten, welcher
in dem Zimmer schlafen muß, das vor Ihrem Schlafzimmer liegt. Ihre Thür
muß von innen geschlossen sein, und Sie dürfen Ihrem Adjutanten nur öffnen,
nachdem Sie seine Stimme deutlich erkannt haben; er selbst darf an Ihre
Thür erst klopfen, nachdem er das Zimmer, worin er sich befindet, sorgfältig
verschlossen hat, um sicher zu sein, daß er allein da ist, und daß ihm niemand
folgen kann. Diese Vorsichtsmaßregeln sind wichtig und sie können Ihnen
das Leben retten."

Napoleon scheint fast gewußt zu haben, was ein vornehmer russischer
Hofbeamter zu dem Grafen Münster sagte, als dieser bei Besichtigung des
Schauplatzes von Pauls I. Ermordung seinen Abscheu über die Greuelthat
äußerte: ,Mon l)ieu, e'est note« constitution: I'avsolaUsmö temperes psr
I'as«iZ8final!" Welch herrliche Früchte die unumschränkte Gewalt trägt: statt des
sichern Vertrauens und der Liebe der Unterthanen Vorsichtsmaßregeln gegen
überall lauernden Meuchelmord, wie sie kein italienischer Tyrann ängstlicher
getroffen hat, statt freudigen Gehorsams immerwährende Gährung und unauf¬
hörliche Aufstände mit ihrem nothwendigen Gefolge immer blutigerer Repressiv¬
maßregeln, bis die Zahl der Henker fast der der Einwohner gleichkommt.

Uebrigens war Napoleon aus politischem System Aufständen in einem


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[0063] die sich am schlechtesten benommen haben, ausplündern. Empfehlen Sie den Soldaten die treugebliebenen Städte gut zu behandeln. Nehmen Sie den aus¬ ständischen Dörfern ihr Gemeindegut und geben Sie dasselbe der Armee; aber vor allem: Entwaffnen Sie mit Energie!" Wenn Napoleon gegen Nationalgarten und Nationaltruppen ist, so empfiehlt er dafür seinem Bruder andere Vorsichtsmaßregeln, die uns an die Zeiten Cäsar Borgias erinnern, und verräth dabei, daß er selbst in seinem ge¬ treuen Frankreich (was gewiß niemand geahnt hätte) die peinlichsten Vorsichts¬ maßregeln gegen den Meuchelmord getroffen hat. „Ich habe es Ihnen bereits gesagt und ich wiederhole es Ihnen noch einmal, daß Sie den Neapolitanern zu sehr trauen. Ich muß Ihnen dies besonders in Bezug auf ihre Küche und auf die Bewachung Ihrer Person sagen, sonst sind Sie der Gesahr ausgesetzt, vergiftet oder ermordet zu werden. Ich wünsche daher sehr entschieden, daß Sie Ihre französischen Köche beibehalten, daß Sie den Dienst an Ihrer Tafel durch Ihren Haushofmeister versehen lassen, und daß der innere Dienst Ihres Palasts so organisirt sei, daß Sie stets von Franzosen bewacht sind. Sie haben mein Privatleben nicht genau genug beobachtet, um zu wissen, wie sehr ich mich selbst in Frankreich immer unter der Obhut meiner zuverlässigsten und ältesten Soldaten gehalten habe . . . Ihre Kammerdiener, Ihre Köche, die Wachen, die in Ihrer Wohnung schlafen, diejenigen, die Sie bei Nacht er¬ wecken, um Ihnen Depeschen zu überbringen, müssen Franzosen sein. Bei Nacht darf nie jemand zu Ihnen kommen, außer Ihrem Adjutanten, welcher in dem Zimmer schlafen muß, das vor Ihrem Schlafzimmer liegt. Ihre Thür muß von innen geschlossen sein, und Sie dürfen Ihrem Adjutanten nur öffnen, nachdem Sie seine Stimme deutlich erkannt haben; er selbst darf an Ihre Thür erst klopfen, nachdem er das Zimmer, worin er sich befindet, sorgfältig verschlossen hat, um sicher zu sein, daß er allein da ist, und daß ihm niemand folgen kann. Diese Vorsichtsmaßregeln sind wichtig und sie können Ihnen das Leben retten." Napoleon scheint fast gewußt zu haben, was ein vornehmer russischer Hofbeamter zu dem Grafen Münster sagte, als dieser bei Besichtigung des Schauplatzes von Pauls I. Ermordung seinen Abscheu über die Greuelthat äußerte: ,Mon l)ieu, e'est note« constitution: I'avsolaUsmö temperes psr I'as«iZ8final!" Welch herrliche Früchte die unumschränkte Gewalt trägt: statt des sichern Vertrauens und der Liebe der Unterthanen Vorsichtsmaßregeln gegen überall lauernden Meuchelmord, wie sie kein italienischer Tyrann ängstlicher getroffen hat, statt freudigen Gehorsams immerwährende Gährung und unauf¬ hörliche Aufstände mit ihrem nothwendigen Gefolge immer blutigerer Repressiv¬ maßregeln, bis die Zahl der Henker fast der der Einwohner gleichkommt. Uebrigens war Napoleon aus politischem System Aufständen in einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/63>, abgerufen am 26.06.2024.