Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lassen könnte, nicht zu denken. Man wird in einer einzigen Masse, soweit es
angeht, wirken, entweder Sebastopvl vorerst nehmen, oder es von 20,000 Mann
beobachten lassen und mit 100,000 Mann den Russen auf der Linie von Jnker-
man-Balaklava eine Schlacht liefern müssen, im Stile jener großen Actioncn,
die der Napoleon l. Kuluillss !, ani.r.'"ick zu nennen pflegte. Sobald der Feind
geschlagen ist, kommt es daraus an, vor ihm bei Perekop anzulangen, um das
Thor zu schließen und ebensoviele Gefangene zu machen, als es in der Krim
Russen gibt.

Allem Anschein nach sind die verbündeten Mächte über diesen Plan bereits
einig. General Lannes (Herzog von Montebello), welcher unlängst mit Depeschen
für den Höchstcommandirenden, Canrobert, hier dnrchpassirte, und sich nur solange
aufhielt, um dem Prinzen Napoleon seinen Besuch abzustatten, wird wahrscheinlich
damit beauftragt sein, dem Feldherrn die Entschlußnahme der Cabinete, den Krieg
in diesem großen Maßstabe weiterzuführen, zu übermitteln.

Wann der Schlag fallen wird, ist vorerst noch nicht abzusehen, indeß muth¬
maße ich, daß die ersten Januartage dazu ausersehen sind.


Wi
cwenig Grund die im Auslande hie und da gehegte An¬
sicht hat, daß in dem östreichischen Kaiserstaat durch Anerkennung des National¬
princips in den nichtdeutschen Provinzen die deutsche Sprache, und somit auch die
deutsche Cultur an Ausbreitung verhindert werden würde, wird namentlich durch den
Ernst bewiesen, mit welchem die Regierung in allen Kronländern ohne Unterschied
bei den höheren Lehranstalten, namentlich den gelehrten Schulen, die bet uns
Gymnasien heißen, aus Pflege der deutschen Sprache dringt. So lautet die zweite
der jüngst allerhöchst erflossenen Bestimmungen über die Organisation der Gymnasien:

"In Bezug aus die Unterrichtssprache hat als oberster Grundsatz zu gelten,
daß der Unterricht immer und überall in der Sprache zu ertheilen ist, durch welche
die Bildung der Schüler am besten gefördert werden kann. Demnach ist sich unter
allen Umständen einer Sprache zu bedienen, die den Schülern so bekannt und ge¬
läufig ist, daß sie den Unterricht mittelst derselben mit gutem Erfolge empfangen
können; auch da, wo infolge dessen die deutsche Sprache nicht ausschließliche
Unterrichtssprache sein kann, ist der Unterricht in allen Gymnasien, mit Ausnahme
der lombardisch-venetianischen, in dem Maße, als es gründlicher Bildung dienlich
ist. mithin jedenfalls in den höheren Classen vorherrschend in deutscher Sprache
zu ertheilen, welche ohnehin in allen, auch den lombardisch- venetianischen Gym¬
nasien obligater Gegenstand sein muß. Insoweit es mit diesen Grundsätzen ver¬
einbar ist, können jedoch auch andere Landessprachen als Unterrichtssprache" gebraucht
werden. Demgemäß sind die jeweilig geeigneten Bestimmungen hinsichtlich der ein¬
zelnen Gymnasien von dem Minister sür Cultus und Unterricht zu treffe"."

Die Freunde classischer Bildung werden sehr durch die Bestimmung erfreut
werden, daß der Ausbildung der Schüler in der lateinischen Sprache besondere Sorg¬
falt zugewendet werden muß. Ferner schreibt der Monarch vor, die philosophische
Propädeutik mit größerer Ausführlichkeit zu behandeln, als es bis jetzt der Fall ge¬
wesen; auch hat dieselbe in Zukunft einen Gegenstand der Maturitätsprüfung zu
bilden.


lassen könnte, nicht zu denken. Man wird in einer einzigen Masse, soweit es
angeht, wirken, entweder Sebastopvl vorerst nehmen, oder es von 20,000 Mann
beobachten lassen und mit 100,000 Mann den Russen auf der Linie von Jnker-
man-Balaklava eine Schlacht liefern müssen, im Stile jener großen Actioncn,
die der Napoleon l. Kuluillss !, ani.r.'»ick zu nennen pflegte. Sobald der Feind
geschlagen ist, kommt es daraus an, vor ihm bei Perekop anzulangen, um das
Thor zu schließen und ebensoviele Gefangene zu machen, als es in der Krim
Russen gibt.

Allem Anschein nach sind die verbündeten Mächte über diesen Plan bereits
einig. General Lannes (Herzog von Montebello), welcher unlängst mit Depeschen
für den Höchstcommandirenden, Canrobert, hier dnrchpassirte, und sich nur solange
aufhielt, um dem Prinzen Napoleon seinen Besuch abzustatten, wird wahrscheinlich
damit beauftragt sein, dem Feldherrn die Entschlußnahme der Cabinete, den Krieg
in diesem großen Maßstabe weiterzuführen, zu übermitteln.

Wann der Schlag fallen wird, ist vorerst noch nicht abzusehen, indeß muth¬
maße ich, daß die ersten Januartage dazu ausersehen sind.


Wi
cwenig Grund die im Auslande hie und da gehegte An¬
sicht hat, daß in dem östreichischen Kaiserstaat durch Anerkennung des National¬
princips in den nichtdeutschen Provinzen die deutsche Sprache, und somit auch die
deutsche Cultur an Ausbreitung verhindert werden würde, wird namentlich durch den
Ernst bewiesen, mit welchem die Regierung in allen Kronländern ohne Unterschied
bei den höheren Lehranstalten, namentlich den gelehrten Schulen, die bet uns
Gymnasien heißen, aus Pflege der deutschen Sprache dringt. So lautet die zweite
der jüngst allerhöchst erflossenen Bestimmungen über die Organisation der Gymnasien:

„In Bezug aus die Unterrichtssprache hat als oberster Grundsatz zu gelten,
daß der Unterricht immer und überall in der Sprache zu ertheilen ist, durch welche
die Bildung der Schüler am besten gefördert werden kann. Demnach ist sich unter
allen Umständen einer Sprache zu bedienen, die den Schülern so bekannt und ge¬
läufig ist, daß sie den Unterricht mittelst derselben mit gutem Erfolge empfangen
können; auch da, wo infolge dessen die deutsche Sprache nicht ausschließliche
Unterrichtssprache sein kann, ist der Unterricht in allen Gymnasien, mit Ausnahme
der lombardisch-venetianischen, in dem Maße, als es gründlicher Bildung dienlich
ist. mithin jedenfalls in den höheren Classen vorherrschend in deutscher Sprache
zu ertheilen, welche ohnehin in allen, auch den lombardisch- venetianischen Gym¬
nasien obligater Gegenstand sein muß. Insoweit es mit diesen Grundsätzen ver¬
einbar ist, können jedoch auch andere Landessprachen als Unterrichtssprache» gebraucht
werden. Demgemäß sind die jeweilig geeigneten Bestimmungen hinsichtlich der ein¬
zelnen Gymnasien von dem Minister sür Cultus und Unterricht zu treffe»."

Die Freunde classischer Bildung werden sehr durch die Bestimmung erfreut
werden, daß der Ausbildung der Schüler in der lateinischen Sprache besondere Sorg¬
falt zugewendet werden muß. Ferner schreibt der Monarch vor, die philosophische
Propädeutik mit größerer Ausführlichkeit zu behandeln, als es bis jetzt der Fall ge¬
wesen; auch hat dieselbe in Zukunft einen Gegenstand der Maturitätsprüfung zu
bilden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98896"/>
            <p xml:id="ID_154" prev="#ID_153"> lassen könnte, nicht zu denken. Man wird in einer einzigen Masse, soweit es<lb/>
angeht, wirken, entweder Sebastopvl vorerst nehmen, oder es von 20,000 Mann<lb/>
beobachten lassen und mit 100,000 Mann den Russen auf der Linie von Jnker-<lb/>
man-Balaklava eine Schlacht liefern müssen, im Stile jener großen Actioncn,<lb/>
die der Napoleon l. Kuluillss !, ani.r.'»ick zu nennen pflegte. Sobald der Feind<lb/>
geschlagen ist, kommt es daraus an, vor ihm bei Perekop anzulangen, um das<lb/>
Thor zu schließen und ebensoviele Gefangene zu machen, als es in der Krim<lb/>
Russen gibt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_155"> Allem Anschein nach sind die verbündeten Mächte über diesen Plan bereits<lb/>
einig. General Lannes (Herzog von Montebello), welcher unlängst mit Depeschen<lb/>
für den Höchstcommandirenden, Canrobert, hier dnrchpassirte, und sich nur solange<lb/>
aufhielt, um dem Prinzen Napoleon seinen Besuch abzustatten, wird wahrscheinlich<lb/>
damit beauftragt sein, dem Feldherrn die Entschlußnahme der Cabinete, den Krieg<lb/>
in diesem großen Maßstabe weiterzuführen, zu übermitteln.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_156"> Wann der Schlag fallen wird, ist vorerst noch nicht abzusehen, indeß muth¬<lb/>
maße ich, daß die ersten Januartage dazu ausersehen sind.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> </head>
            <p xml:id="ID_157"> Wi<lb/>
cwenig Grund die im Auslande hie und da gehegte An¬<lb/>
sicht hat, daß in dem östreichischen Kaiserstaat durch Anerkennung des National¬<lb/>
princips in den nichtdeutschen Provinzen die deutsche Sprache, und somit auch die<lb/>
deutsche Cultur an Ausbreitung verhindert werden würde, wird namentlich durch den<lb/>
Ernst bewiesen, mit welchem die Regierung in allen Kronländern ohne Unterschied<lb/>
bei den höheren Lehranstalten, namentlich den gelehrten Schulen, die bet uns<lb/>
Gymnasien heißen, aus Pflege der deutschen Sprache dringt. So lautet die zweite<lb/>
der jüngst allerhöchst erflossenen Bestimmungen über die Organisation der Gymnasien:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_158"> &#x201E;In Bezug aus die Unterrichtssprache hat als oberster Grundsatz zu gelten,<lb/>
daß der Unterricht immer und überall in der Sprache zu ertheilen ist, durch welche<lb/>
die Bildung der Schüler am besten gefördert werden kann. Demnach ist sich unter<lb/>
allen Umständen einer Sprache zu bedienen, die den Schülern so bekannt und ge¬<lb/>
läufig ist, daß sie den Unterricht mittelst derselben mit gutem Erfolge empfangen<lb/>
können; auch da, wo infolge dessen die deutsche Sprache nicht ausschließliche<lb/>
Unterrichtssprache sein kann, ist der Unterricht in allen Gymnasien, mit Ausnahme<lb/>
der lombardisch-venetianischen, in dem Maße, als es gründlicher Bildung dienlich<lb/>
ist. mithin jedenfalls in den höheren Classen vorherrschend in deutscher Sprache<lb/>
zu ertheilen, welche ohnehin in allen, auch den lombardisch- venetianischen Gym¬<lb/>
nasien obligater Gegenstand sein muß. Insoweit es mit diesen Grundsätzen ver¬<lb/>
einbar ist, können jedoch auch andere Landessprachen als Unterrichtssprache» gebraucht<lb/>
werden. Demgemäß sind die jeweilig geeigneten Bestimmungen hinsichtlich der ein¬<lb/>
zelnen Gymnasien von dem Minister sür Cultus und Unterricht zu treffe»."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_159"> Die Freunde classischer Bildung werden sehr durch die Bestimmung erfreut<lb/>
werden, daß der Ausbildung der Schüler in der lateinischen Sprache besondere Sorg¬<lb/>
falt zugewendet werden muß. Ferner schreibt der Monarch vor, die philosophische<lb/>
Propädeutik mit größerer Ausführlichkeit zu behandeln, als es bis jetzt der Fall ge¬<lb/>
wesen; auch hat dieselbe in Zukunft einen Gegenstand der Maturitätsprüfung zu<lb/>
bilden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] lassen könnte, nicht zu denken. Man wird in einer einzigen Masse, soweit es angeht, wirken, entweder Sebastopvl vorerst nehmen, oder es von 20,000 Mann beobachten lassen und mit 100,000 Mann den Russen auf der Linie von Jnker- man-Balaklava eine Schlacht liefern müssen, im Stile jener großen Actioncn, die der Napoleon l. Kuluillss !, ani.r.'»ick zu nennen pflegte. Sobald der Feind geschlagen ist, kommt es daraus an, vor ihm bei Perekop anzulangen, um das Thor zu schließen und ebensoviele Gefangene zu machen, als es in der Krim Russen gibt. Allem Anschein nach sind die verbündeten Mächte über diesen Plan bereits einig. General Lannes (Herzog von Montebello), welcher unlängst mit Depeschen für den Höchstcommandirenden, Canrobert, hier dnrchpassirte, und sich nur solange aufhielt, um dem Prinzen Napoleon seinen Besuch abzustatten, wird wahrscheinlich damit beauftragt sein, dem Feldherrn die Entschlußnahme der Cabinete, den Krieg in diesem großen Maßstabe weiterzuführen, zu übermitteln. Wann der Schlag fallen wird, ist vorerst noch nicht abzusehen, indeß muth¬ maße ich, daß die ersten Januartage dazu ausersehen sind. Wi cwenig Grund die im Auslande hie und da gehegte An¬ sicht hat, daß in dem östreichischen Kaiserstaat durch Anerkennung des National¬ princips in den nichtdeutschen Provinzen die deutsche Sprache, und somit auch die deutsche Cultur an Ausbreitung verhindert werden würde, wird namentlich durch den Ernst bewiesen, mit welchem die Regierung in allen Kronländern ohne Unterschied bei den höheren Lehranstalten, namentlich den gelehrten Schulen, die bet uns Gymnasien heißen, aus Pflege der deutschen Sprache dringt. So lautet die zweite der jüngst allerhöchst erflossenen Bestimmungen über die Organisation der Gymnasien: „In Bezug aus die Unterrichtssprache hat als oberster Grundsatz zu gelten, daß der Unterricht immer und überall in der Sprache zu ertheilen ist, durch welche die Bildung der Schüler am besten gefördert werden kann. Demnach ist sich unter allen Umständen einer Sprache zu bedienen, die den Schülern so bekannt und ge¬ läufig ist, daß sie den Unterricht mittelst derselben mit gutem Erfolge empfangen können; auch da, wo infolge dessen die deutsche Sprache nicht ausschließliche Unterrichtssprache sein kann, ist der Unterricht in allen Gymnasien, mit Ausnahme der lombardisch-venetianischen, in dem Maße, als es gründlicher Bildung dienlich ist. mithin jedenfalls in den höheren Classen vorherrschend in deutscher Sprache zu ertheilen, welche ohnehin in allen, auch den lombardisch- venetianischen Gym¬ nasien obligater Gegenstand sein muß. Insoweit es mit diesen Grundsätzen ver¬ einbar ist, können jedoch auch andere Landessprachen als Unterrichtssprache» gebraucht werden. Demgemäß sind die jeweilig geeigneten Bestimmungen hinsichtlich der ein¬ zelnen Gymnasien von dem Minister sür Cultus und Unterricht zu treffe»." Die Freunde classischer Bildung werden sehr durch die Bestimmung erfreut werden, daß der Ausbildung der Schüler in der lateinischen Sprache besondere Sorg¬ falt zugewendet werden muß. Ferner schreibt der Monarch vor, die philosophische Propädeutik mit größerer Ausführlichkeit zu behandeln, als es bis jetzt der Fall ge¬ wesen; auch hat dieselbe in Zukunft einen Gegenstand der Maturitätsprüfung zu bilden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/44
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/44>, abgerufen am 26.06.2024.