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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Lebensklugheit auftretende katholische Propaganda. Wir unternehmen es nun¬
mehr, diese einzelnen Maßregeln des Kirchenregimenrs nach ihrer specielleren
Tendenz und in ihrer Anwendung auf das gesellschaftliche Leben mit möglich¬
ster Prägnanz zu besprechen.

Zuerst die "katholischen" Vereine im engern Wortsinne. Nach¬
dem die Lebcnslhcitigkeit der deutschkatholischen und freien Gemeinden, also der
Dissidenten, ii" Wege der Gesetzgebung und durch die Handhabung von Ver¬
waltungsanordnungen in die engsten Grenzen zurückgedrängt worden war,
wurde es unter Begünstigung der Gouvernements dem Priesterthume nicht
mehr schwer, katholische Vereine mit den mannigfachsten confessionellen Special-
tendenzen neu zu organistren ober, wo dergleichen bereits gegründet waren, zu
consolidiien. Die fast in allen der römischen Kirche angehörenden größeren
Gemeinden ins Leben getretenen sogenannten "katholischen Vereine" hielten
unter dem Vorsitze katholischer Priester oder glaubenöfester katholischer Laien
regelmäßige und häufige Versammlungen ab, für welche man durch originelle
und eindringliche Vortrage städtische und Landbewohner zu interessiren wußte.
AIS den Hauptzweck dieser Associationen gab man an: die zu erstrebende wechsel¬
seitige (Erhebung und Erbauung und die Förderung reger Theilnahme für die
sogenannten höchsten und ewigen Zwecke der Menschheit, die Wahrung des
alten Glaubens und der alten Sitte vor den Gegnern des Christenthums,
vor den Kindern dieser'Welt, die weder an Gott noch an eine Ewigkeit
glaubten. Das. lebendige, in den Versammlungen gesprochene Wort sollte
der Lectüre katholischer Erbauungss.christen und den Segnungen des Kirchen¬
besuches nachhelfen, die kirchlich Gesinnten enger aneinanderknüpfen. F. I. Buß
spricht sich in seinem Werke: ,,Die Aufgabe des katholischen Theils deutscher
Nation .oder der katholischen Vereine Deutschlands", (Regensburg, bei
I. Manz, 1831) dahin aus, daß die katholischen Vereine gestreute .Keime
einer geistigen, sittigenden Macht sein sollen, gegenüber den zu bekämpfenden
Machten der Auflösung; "sie können eine solche Macht werden, wenn jede
Stadt, jedes Dorf einen dergleichen Verein haben wird und wenn in diesen
die Völker Geist und Hände sich reichen um die Kirche, die wie ein
lebendig Herz schlägt in allen." Die Sprecher in den katholischen Vereinen
redeten der Herbeiziehung der Jesuiten, der Einführung von römischen Ordens¬
priestern, dem Missionswesen, der Etablirung und Nestituirung der Klöster das
Wort und suchten nach allen Kräften die Machterweiterung der römischen
Kirche, Deren Fortbestand durch' den Humanismus der neuesten Zeit bedroht
erscheine, vorzubereiten. Nebenher wurden für die verschiedenartigsten kirch¬
lichen Zwecke Sammlungen veranstaltet, die vermeintlichen Irrlehren bekämpft
und für specifisch katholische Petitionen bei den politischen Repräsentanten¬
häusern und den Gouvernements Zustimmungen geworben. In den großen


Lebensklugheit auftretende katholische Propaganda. Wir unternehmen es nun¬
mehr, diese einzelnen Maßregeln des Kirchenregimenrs nach ihrer specielleren
Tendenz und in ihrer Anwendung auf das gesellschaftliche Leben mit möglich¬
ster Prägnanz zu besprechen.

Zuerst die „katholischen" Vereine im engern Wortsinne. Nach¬
dem die Lebcnslhcitigkeit der deutschkatholischen und freien Gemeinden, also der
Dissidenten, ii» Wege der Gesetzgebung und durch die Handhabung von Ver¬
waltungsanordnungen in die engsten Grenzen zurückgedrängt worden war,
wurde es unter Begünstigung der Gouvernements dem Priesterthume nicht
mehr schwer, katholische Vereine mit den mannigfachsten confessionellen Special-
tendenzen neu zu organistren ober, wo dergleichen bereits gegründet waren, zu
consolidiien. Die fast in allen der römischen Kirche angehörenden größeren
Gemeinden ins Leben getretenen sogenannten „katholischen Vereine" hielten
unter dem Vorsitze katholischer Priester oder glaubenöfester katholischer Laien
regelmäßige und häufige Versammlungen ab, für welche man durch originelle
und eindringliche Vortrage städtische und Landbewohner zu interessiren wußte.
AIS den Hauptzweck dieser Associationen gab man an: die zu erstrebende wechsel¬
seitige (Erhebung und Erbauung und die Förderung reger Theilnahme für die
sogenannten höchsten und ewigen Zwecke der Menschheit, die Wahrung des
alten Glaubens und der alten Sitte vor den Gegnern des Christenthums,
vor den Kindern dieser'Welt, die weder an Gott noch an eine Ewigkeit
glaubten. Das. lebendige, in den Versammlungen gesprochene Wort sollte
der Lectüre katholischer Erbauungss.christen und den Segnungen des Kirchen¬
besuches nachhelfen, die kirchlich Gesinnten enger aneinanderknüpfen. F. I. Buß
spricht sich in seinem Werke: ,,Die Aufgabe des katholischen Theils deutscher
Nation .oder der katholischen Vereine Deutschlands", (Regensburg, bei
I. Manz, 1831) dahin aus, daß die katholischen Vereine gestreute .Keime
einer geistigen, sittigenden Macht sein sollen, gegenüber den zu bekämpfenden
Machten der Auflösung; „sie können eine solche Macht werden, wenn jede
Stadt, jedes Dorf einen dergleichen Verein haben wird und wenn in diesen
die Völker Geist und Hände sich reichen um die Kirche, die wie ein
lebendig Herz schlägt in allen." Die Sprecher in den katholischen Vereinen
redeten der Herbeiziehung der Jesuiten, der Einführung von römischen Ordens¬
priestern, dem Missionswesen, der Etablirung und Nestituirung der Klöster das
Wort und suchten nach allen Kräften die Machterweiterung der römischen
Kirche, Deren Fortbestand durch' den Humanismus der neuesten Zeit bedroht
erscheine, vorzubereiten. Nebenher wurden für die verschiedenartigsten kirch¬
lichen Zwecke Sammlungen veranstaltet, die vermeintlichen Irrlehren bekämpft
und für specifisch katholische Petitionen bei den politischen Repräsentanten¬
häusern und den Gouvernements Zustimmungen geworben. In den großen


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[0308] Lebensklugheit auftretende katholische Propaganda. Wir unternehmen es nun¬ mehr, diese einzelnen Maßregeln des Kirchenregimenrs nach ihrer specielleren Tendenz und in ihrer Anwendung auf das gesellschaftliche Leben mit möglich¬ ster Prägnanz zu besprechen. Zuerst die „katholischen" Vereine im engern Wortsinne. Nach¬ dem die Lebcnslhcitigkeit der deutschkatholischen und freien Gemeinden, also der Dissidenten, ii» Wege der Gesetzgebung und durch die Handhabung von Ver¬ waltungsanordnungen in die engsten Grenzen zurückgedrängt worden war, wurde es unter Begünstigung der Gouvernements dem Priesterthume nicht mehr schwer, katholische Vereine mit den mannigfachsten confessionellen Special- tendenzen neu zu organistren ober, wo dergleichen bereits gegründet waren, zu consolidiien. Die fast in allen der römischen Kirche angehörenden größeren Gemeinden ins Leben getretenen sogenannten „katholischen Vereine" hielten unter dem Vorsitze katholischer Priester oder glaubenöfester katholischer Laien regelmäßige und häufige Versammlungen ab, für welche man durch originelle und eindringliche Vortrage städtische und Landbewohner zu interessiren wußte. AIS den Hauptzweck dieser Associationen gab man an: die zu erstrebende wechsel¬ seitige (Erhebung und Erbauung und die Förderung reger Theilnahme für die sogenannten höchsten und ewigen Zwecke der Menschheit, die Wahrung des alten Glaubens und der alten Sitte vor den Gegnern des Christenthums, vor den Kindern dieser'Welt, die weder an Gott noch an eine Ewigkeit glaubten. Das. lebendige, in den Versammlungen gesprochene Wort sollte der Lectüre katholischer Erbauungss.christen und den Segnungen des Kirchen¬ besuches nachhelfen, die kirchlich Gesinnten enger aneinanderknüpfen. F. I. Buß spricht sich in seinem Werke: ,,Die Aufgabe des katholischen Theils deutscher Nation .oder der katholischen Vereine Deutschlands", (Regensburg, bei I. Manz, 1831) dahin aus, daß die katholischen Vereine gestreute .Keime einer geistigen, sittigenden Macht sein sollen, gegenüber den zu bekämpfenden Machten der Auflösung; „sie können eine solche Macht werden, wenn jede Stadt, jedes Dorf einen dergleichen Verein haben wird und wenn in diesen die Völker Geist und Hände sich reichen um die Kirche, die wie ein lebendig Herz schlägt in allen." Die Sprecher in den katholischen Vereinen redeten der Herbeiziehung der Jesuiten, der Einführung von römischen Ordens¬ priestern, dem Missionswesen, der Etablirung und Nestituirung der Klöster das Wort und suchten nach allen Kräften die Machterweiterung der römischen Kirche, Deren Fortbestand durch' den Humanismus der neuesten Zeit bedroht erscheine, vorzubereiten. Nebenher wurden für die verschiedenartigsten kirch¬ lichen Zwecke Sammlungen veranstaltet, die vermeintlichen Irrlehren bekämpft und für specifisch katholische Petitionen bei den politischen Repräsentanten¬ häusern und den Gouvernements Zustimmungen geworben. In den großen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/308>, abgerufen am 29.06.2024.