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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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um bei ruhigem Wetter 40--30,000 Mann in einigen Stunden auszu¬
schiffen.

Endlich hatten wir die Bucht selbst vor uns. Sie ist mehre Meilen weit
und tief, indeß nautisch von geringem Werth, weil sie keinen genügenden Schutz
gegen Stürme aus Ost bietet. Viele Klippen beengen außerdem die Fahrt.
Ungeachtet der Wind nachgelassen hatte und nicht mehr stark wehete, bemerkte
ich längs einem tief in die Bai sich hineinerstreckenden Riff eine hohe, wei߬
schäumende Brandung.

Eine Stunde nachdem wir in die Bucht eingebogen waren, ankerten wir
vor der Stadt Burgas. Sie ist ein echt türkischer Hafenplatz, nicht sehr aus¬
gedehnt, auch nur von 3--4000 Menschen bewohnt, treibt aber dabei einen
starken Getreidehandel, den bereits aus der Ferne die mächtigen Hambas
(Kornspeicher) verkündigen. Ein Kaufmann des Orts, welcher an Bord kam,
versicherte mich, daß die Getreideausfuhr jährlich sich auf zwei Millionen Kilos*),
d. h. Centner belaufe, und bei guten Ernten und starker Nachfrage dieser Be¬
trag zuweilen überstiegen werde.

Nachdem der Gesundheitspaß des Schiffes untersucht worden war, gingen
ein Theil der Passagiere und ich ans Land, um uns -- nach einem kurzen
Umschauen in den Straßen, wo eben nichts zu sehen war, was Interesse hätte
erregen können, in einem Kaffeehause nahe an der Stelle oder dem Anlande¬
platze niederzulassen. Unter den Gästen fanden sich mehre Herren in fränkischer
Tracht: Kaufleute aus England, Frankreich, Italien und -- Rußland, die deS
Handels wegen hier ihren Sitz genommen haben. Man erzählte mir, daß zur
Winterszeit noch andere russische Gäste hier erschienen, nämlich Kosacken von
der Nordküste des schwarzen Meeres, welche in die Bucht mit ihren kleinen,
gebrechlichen Fahrzeugen einfahren, um zu fischen, was zur selben Zeit des
Eises wegen an ihrem eignen Gestade unmöglich ist. So stellt sich auch hier¬
aus die Thatsache fest, daß Nußland, ungeachtet seines Eroberungstriebes, bis
heute aus der Region des Eises und Schnees noch nicht herausgetreten ist.
Der eben begonnene Krieg wird hoffentlich nicht verfehlen, es tiefer in dieselbe
Zurückzuwerfen.

Landeinwärts von Burgas ist ein See gelegen, welcher durch einen klei¬
nen, daraus hervorbrechenden Fluß mit dem Meere in Verbindung steht und
der nicht ungeeignet zur Anlage eines Hafens sein würde, indem er nach Aus¬
sage eines in der Stadt ansässigen Kaufmanns 6--7 Klaftern Tiefe hat, also
Zur Noth für alle Fahrzeuge, auch die größten Kriegsschiffe, ausreichen wird.
Auch warmer Quellen in der näheren Umgegend, wenn ich nicht irre von
Schwefelgehalt, geschah Erwähnung. Sodann, daß auf der Halbinsel Ahiolo,



*) Z,2ö0,000 Dresdner Scheffel.

um bei ruhigem Wetter 40—30,000 Mann in einigen Stunden auszu¬
schiffen.

Endlich hatten wir die Bucht selbst vor uns. Sie ist mehre Meilen weit
und tief, indeß nautisch von geringem Werth, weil sie keinen genügenden Schutz
gegen Stürme aus Ost bietet. Viele Klippen beengen außerdem die Fahrt.
Ungeachtet der Wind nachgelassen hatte und nicht mehr stark wehete, bemerkte
ich längs einem tief in die Bai sich hineinerstreckenden Riff eine hohe, wei߬
schäumende Brandung.

Eine Stunde nachdem wir in die Bucht eingebogen waren, ankerten wir
vor der Stadt Burgas. Sie ist ein echt türkischer Hafenplatz, nicht sehr aus¬
gedehnt, auch nur von 3—4000 Menschen bewohnt, treibt aber dabei einen
starken Getreidehandel, den bereits aus der Ferne die mächtigen Hambas
(Kornspeicher) verkündigen. Ein Kaufmann des Orts, welcher an Bord kam,
versicherte mich, daß die Getreideausfuhr jährlich sich auf zwei Millionen Kilos*),
d. h. Centner belaufe, und bei guten Ernten und starker Nachfrage dieser Be¬
trag zuweilen überstiegen werde.

Nachdem der Gesundheitspaß des Schiffes untersucht worden war, gingen
ein Theil der Passagiere und ich ans Land, um uns — nach einem kurzen
Umschauen in den Straßen, wo eben nichts zu sehen war, was Interesse hätte
erregen können, in einem Kaffeehause nahe an der Stelle oder dem Anlande¬
platze niederzulassen. Unter den Gästen fanden sich mehre Herren in fränkischer
Tracht: Kaufleute aus England, Frankreich, Italien und — Rußland, die deS
Handels wegen hier ihren Sitz genommen haben. Man erzählte mir, daß zur
Winterszeit noch andere russische Gäste hier erschienen, nämlich Kosacken von
der Nordküste des schwarzen Meeres, welche in die Bucht mit ihren kleinen,
gebrechlichen Fahrzeugen einfahren, um zu fischen, was zur selben Zeit des
Eises wegen an ihrem eignen Gestade unmöglich ist. So stellt sich auch hier¬
aus die Thatsache fest, daß Nußland, ungeachtet seines Eroberungstriebes, bis
heute aus der Region des Eises und Schnees noch nicht herausgetreten ist.
Der eben begonnene Krieg wird hoffentlich nicht verfehlen, es tiefer in dieselbe
Zurückzuwerfen.

Landeinwärts von Burgas ist ein See gelegen, welcher durch einen klei¬
nen, daraus hervorbrechenden Fluß mit dem Meere in Verbindung steht und
der nicht ungeeignet zur Anlage eines Hafens sein würde, indem er nach Aus¬
sage eines in der Stadt ansässigen Kaufmanns 6—7 Klaftern Tiefe hat, also
Zur Noth für alle Fahrzeuge, auch die größten Kriegsschiffe, ausreichen wird.
Auch warmer Quellen in der näheren Umgegend, wenn ich nicht irre von
Schwefelgehalt, geschah Erwähnung. Sodann, daß auf der Halbinsel Ahiolo,



*) Z,2ö0,000 Dresdner Scheffel.
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[0271] um bei ruhigem Wetter 40—30,000 Mann in einigen Stunden auszu¬ schiffen. Endlich hatten wir die Bucht selbst vor uns. Sie ist mehre Meilen weit und tief, indeß nautisch von geringem Werth, weil sie keinen genügenden Schutz gegen Stürme aus Ost bietet. Viele Klippen beengen außerdem die Fahrt. Ungeachtet der Wind nachgelassen hatte und nicht mehr stark wehete, bemerkte ich längs einem tief in die Bai sich hineinerstreckenden Riff eine hohe, wei߬ schäumende Brandung. Eine Stunde nachdem wir in die Bucht eingebogen waren, ankerten wir vor der Stadt Burgas. Sie ist ein echt türkischer Hafenplatz, nicht sehr aus¬ gedehnt, auch nur von 3—4000 Menschen bewohnt, treibt aber dabei einen starken Getreidehandel, den bereits aus der Ferne die mächtigen Hambas (Kornspeicher) verkündigen. Ein Kaufmann des Orts, welcher an Bord kam, versicherte mich, daß die Getreideausfuhr jährlich sich auf zwei Millionen Kilos*), d. h. Centner belaufe, und bei guten Ernten und starker Nachfrage dieser Be¬ trag zuweilen überstiegen werde. Nachdem der Gesundheitspaß des Schiffes untersucht worden war, gingen ein Theil der Passagiere und ich ans Land, um uns — nach einem kurzen Umschauen in den Straßen, wo eben nichts zu sehen war, was Interesse hätte erregen können, in einem Kaffeehause nahe an der Stelle oder dem Anlande¬ platze niederzulassen. Unter den Gästen fanden sich mehre Herren in fränkischer Tracht: Kaufleute aus England, Frankreich, Italien und — Rußland, die deS Handels wegen hier ihren Sitz genommen haben. Man erzählte mir, daß zur Winterszeit noch andere russische Gäste hier erschienen, nämlich Kosacken von der Nordküste des schwarzen Meeres, welche in die Bucht mit ihren kleinen, gebrechlichen Fahrzeugen einfahren, um zu fischen, was zur selben Zeit des Eises wegen an ihrem eignen Gestade unmöglich ist. So stellt sich auch hier¬ aus die Thatsache fest, daß Nußland, ungeachtet seines Eroberungstriebes, bis heute aus der Region des Eises und Schnees noch nicht herausgetreten ist. Der eben begonnene Krieg wird hoffentlich nicht verfehlen, es tiefer in dieselbe Zurückzuwerfen. Landeinwärts von Burgas ist ein See gelegen, welcher durch einen klei¬ nen, daraus hervorbrechenden Fluß mit dem Meere in Verbindung steht und der nicht ungeeignet zur Anlage eines Hafens sein würde, indem er nach Aus¬ sage eines in der Stadt ansässigen Kaufmanns 6—7 Klaftern Tiefe hat, also Zur Noth für alle Fahrzeuge, auch die größten Kriegsschiffe, ausreichen wird. Auch warmer Quellen in der näheren Umgegend, wenn ich nicht irre von Schwefelgehalt, geschah Erwähnung. Sodann, daß auf der Halbinsel Ahiolo, *) Z,2ö0,000 Dresdner Scheffel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/271>, abgerufen am 28.09.2024.