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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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dahin, ob der neue Anwuchs ihn dereinst ersetzen wird. Für jetzt, namentlich
solange keine Gesetze die Schonungen gegen das weiter de Vieh sichern, ist
wenig Aussicht dazu vorhanden. Diese Frage ist in ökonmiuscher Hinsicht von
höchster Bedeutung. Insbesondere wird die Bevölkerung von Stambul davon
betroffen, die gegenwärtig Brenn- und Nutzholz doppelt so theuer bezahlen
muß, als in andern europäischen Hauptstädten. Es ist dies von doppelter
Bedeutung für eine Metropole, deren Häuser fast ausnahmslos aus Hol; auf¬
gerichtet sind und von denen jährlich fünf bis zehntausend niederbrennen' und
neu gebaut werden müssen. Auch im Interesse der türkischen Marine, deren
Hauptwerfte sich in Konstantinopel befinden, dürste es liegen, den Zuwachs
von Hochholz auf dem pontischen Gestade befördert zu sehen. Die großen
Zwei- und Dreidecker der osmanischen Kriegsflotte sind bis jetzt lediglich aus
asiatischem Holz erbaut worden.

Ein Sonnenaufgang auf dem Meere ist ein vielgerühmtes Schauspiel.
Hier auf dem Pontus sieht man das Tagesgestirn in Wahrheit aus dem
Bereich Asiens'sich erheben. Die Stelle, wo der Feuerball über dem Wasser
auftauchen wird, ist erst leicht geröthet, man erwartet ihn noch nicht, als schon
das hellere und hellere Morgenlicht sein rasches Nahen verkündet. Strahlen
schießen golden auf dem fernen Rand des Himmels, durch die Wolken hin
zuckt es wie Rosenglut und ehe das Auge ihm folgen kann hat der leuch¬
tende Tag sich des ganzen Horizontes bemächtigt. Da aus einmal erscheint
ein Abschnitt der Sonne selbst über der Flut und wirft bald silberhelle, bald
rothfunkelude, glitzernde Streifen über dieselbe, bis endlich die ganze Kugel
in prangender, freier Rundung sich erhoben hat.

Schon bei einer andern Gelegenheit bemerkte ich, daß Sonnenauf- und
Niedergang hier zu Lande einen auffallend kürzeren Verlauf, wie etwa in
Deutschland nehmen. Die Dämmerung ist kurz, am Morgen wie am Abend,
aber um so greller erscheint das Tageslicht, wenn nach kurzem Kampfe in der
ersten Frühstunde die Schatten erlegen sind.

Ich hatte mich auf der Bank nahe am Rad des steuernden Matrosen
niedergelassen, als der zweite Capitän herzutrat und sich neben mich setzte. Er
befuhr schon seit sechs Jahren das schwarze Meer, war außerdem aus östrei¬
chischen Schiffen weit, umher gewesen, in Ostindien, am Cap der guten Hoff¬
nung und im baltischen Meer. Die tropischen Stürme, erzählte er mir, seien
mechanisch, d. h. an Wucht der Wassermassen, welche sie emporthürmcn und
niederstürzen, überhaupt an Gewalt und Ungestüm denen in allen anderen
^eegegenden und besonders in kleinen Binnenmeeren, zu denen der Pontus
doch immerhin nur gehört, bedeutend überlegen und letzteren in dieser Hinsicht
kaum zu vergleichen. Aber reelle Gefahr wäre darum im Eurin nicht minder,
la im erhöheten Maße vorhanden, vie kurzen Wellen seien hier ganz von


dahin, ob der neue Anwuchs ihn dereinst ersetzen wird. Für jetzt, namentlich
solange keine Gesetze die Schonungen gegen das weiter de Vieh sichern, ist
wenig Aussicht dazu vorhanden. Diese Frage ist in ökonmiuscher Hinsicht von
höchster Bedeutung. Insbesondere wird die Bevölkerung von Stambul davon
betroffen, die gegenwärtig Brenn- und Nutzholz doppelt so theuer bezahlen
muß, als in andern europäischen Hauptstädten. Es ist dies von doppelter
Bedeutung für eine Metropole, deren Häuser fast ausnahmslos aus Hol; auf¬
gerichtet sind und von denen jährlich fünf bis zehntausend niederbrennen' und
neu gebaut werden müssen. Auch im Interesse der türkischen Marine, deren
Hauptwerfte sich in Konstantinopel befinden, dürste es liegen, den Zuwachs
von Hochholz auf dem pontischen Gestade befördert zu sehen. Die großen
Zwei- und Dreidecker der osmanischen Kriegsflotte sind bis jetzt lediglich aus
asiatischem Holz erbaut worden.

Ein Sonnenaufgang auf dem Meere ist ein vielgerühmtes Schauspiel.
Hier auf dem Pontus sieht man das Tagesgestirn in Wahrheit aus dem
Bereich Asiens'sich erheben. Die Stelle, wo der Feuerball über dem Wasser
auftauchen wird, ist erst leicht geröthet, man erwartet ihn noch nicht, als schon
das hellere und hellere Morgenlicht sein rasches Nahen verkündet. Strahlen
schießen golden auf dem fernen Rand des Himmels, durch die Wolken hin
zuckt es wie Rosenglut und ehe das Auge ihm folgen kann hat der leuch¬
tende Tag sich des ganzen Horizontes bemächtigt. Da aus einmal erscheint
ein Abschnitt der Sonne selbst über der Flut und wirft bald silberhelle, bald
rothfunkelude, glitzernde Streifen über dieselbe, bis endlich die ganze Kugel
in prangender, freier Rundung sich erhoben hat.

Schon bei einer andern Gelegenheit bemerkte ich, daß Sonnenauf- und
Niedergang hier zu Lande einen auffallend kürzeren Verlauf, wie etwa in
Deutschland nehmen. Die Dämmerung ist kurz, am Morgen wie am Abend,
aber um so greller erscheint das Tageslicht, wenn nach kurzem Kampfe in der
ersten Frühstunde die Schatten erlegen sind.

Ich hatte mich auf der Bank nahe am Rad des steuernden Matrosen
niedergelassen, als der zweite Capitän herzutrat und sich neben mich setzte. Er
befuhr schon seit sechs Jahren das schwarze Meer, war außerdem aus östrei¬
chischen Schiffen weit, umher gewesen, in Ostindien, am Cap der guten Hoff¬
nung und im baltischen Meer. Die tropischen Stürme, erzählte er mir, seien
mechanisch, d. h. an Wucht der Wassermassen, welche sie emporthürmcn und
niederstürzen, überhaupt an Gewalt und Ungestüm denen in allen anderen
^eegegenden und besonders in kleinen Binnenmeeren, zu denen der Pontus
doch immerhin nur gehört, bedeutend überlegen und letzteren in dieser Hinsicht
kaum zu vergleichen. Aber reelle Gefahr wäre darum im Eurin nicht minder,
la im erhöheten Maße vorhanden, vie kurzen Wellen seien hier ganz von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/199>, abgerufen am 23.07.2024.