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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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selben sechs Schraubenfregatten. Dieselben werden die Zahl der Geschütze nach
dem neueren Princip durch die Schwere derselben ersetzen, sie werden dem Feind
eine geringere Ziel^flache bieten, wie die Zwei- und Dreidecker, und an Tonnen¬
gehalt, ihrer größeren Länge wegen, dieselben nichtsdestoweniger erreichen, wenn
nicht übertreffen; endlich werden sie schneller segeln und einen geringeren Tief¬
gang haben, mithin, gegenüber der Küste, einen größeren Wirkungskreis. Das
sind Vorzüge, die jedermann einleuchten müssen und durch welche die Niesen¬
schiffe "Duke of Wellington" und "Napoleon" in den Schatten gestellt werden.

Während ich zwischen den beiden türkischen Zweideckern hindurchfuhr,
bemerkte ich, daß dicht am Arsenal drei andre Zweidecker ohne Flaggen lagen.
Zwei davon waren osmanische, wie ich an den Mannschaften erkannte, der
dritte ein französischer oder englischer. Der eine davon stand eben unter dem
Riesenkrahn, mit dessen Hilfe man die Nntermasten auszuheben und einzusetzen
pflegt. Mittel- und Fockmast waren gehoben; und der Behält wartete auf die
nämliche Bestimmung. Ich sah noch der Arbeit zu, als mich mein Kaikschi
darauf aufmerksam machte, daß wir dicht bei dem türkischen vielbewunderten
Dreidecker "Mcchmudii" von -I3i Kanonen angekommen seien. Ich wendete
mich um; wir fuhren eben unter dem Stern") vorüber; wie ein Thurm erhob
es sich über uns; in höchster Höhe, auf der Galerie des Quarterdeck schilderte
ein türkischer Marinier; sonst schien alles todt am Bord. Das gigantische
Schiff übertrifft jeden französischen und englischen Dreidecker, der gegenwärtig
eristirt, mit Ausnahme der Schrauber, an Tonnenmaß, hat als Segelschiff nur
einen Rivalen (den amerikanischen Pensylvanien) und reicht in Betreff des Um¬
fangs an den "Duke os Wellington" hinan. Allein es ist nahezu zwanzig
Jahre alt (lief vom Stapel) und wird nicht lange mehr im Dienst er¬
halten werden können.

Dicht hinter dem Mahmudie ragte ein andrer Dreidecker auf, über dessen
Verdeck, am Gaffel, die französische Tricolore flatterte: die Ville de Paris, das
Admiralschiff in der Affaire vom 17. October. Ich bemerkte schon bei einer
andern Gelegenheit, wie man ihm gegenwärtig die Beschädigungen wenig an¬
merkt, welche es in dieser Action erlitten. Wie bekannt wurde das Hinterdeck
durch eine gewaltige Erplosion gesprengt; aber es ist heute so sicher gefugt und
standfest wie je zuvor. Wie Sie wissen ist Admiral Hamelin abberufen wor¬
den. Man bedauert sein Scheiden. Er war ein feiner und humaner Mann
und einen Mangel an Energie kann man ihm keineswegs vorwerfen. Vice-
admiral Dundas scheint in mancher Beziehung ein Hemmschuh für ihn gewesen
zu sein. Ueber ihn spricht sich das öffentliche Urtheil zumeist ungünstig aus;
er war durch und durch ein Gentleman, aber kein Mann von Kraft.



*) Hinterbord.

selben sechs Schraubenfregatten. Dieselben werden die Zahl der Geschütze nach
dem neueren Princip durch die Schwere derselben ersetzen, sie werden dem Feind
eine geringere Ziel^flache bieten, wie die Zwei- und Dreidecker, und an Tonnen¬
gehalt, ihrer größeren Länge wegen, dieselben nichtsdestoweniger erreichen, wenn
nicht übertreffen; endlich werden sie schneller segeln und einen geringeren Tief¬
gang haben, mithin, gegenüber der Küste, einen größeren Wirkungskreis. Das
sind Vorzüge, die jedermann einleuchten müssen und durch welche die Niesen¬
schiffe „Duke of Wellington" und „Napoleon" in den Schatten gestellt werden.

Während ich zwischen den beiden türkischen Zweideckern hindurchfuhr,
bemerkte ich, daß dicht am Arsenal drei andre Zweidecker ohne Flaggen lagen.
Zwei davon waren osmanische, wie ich an den Mannschaften erkannte, der
dritte ein französischer oder englischer. Der eine davon stand eben unter dem
Riesenkrahn, mit dessen Hilfe man die Nntermasten auszuheben und einzusetzen
pflegt. Mittel- und Fockmast waren gehoben; und der Behält wartete auf die
nämliche Bestimmung. Ich sah noch der Arbeit zu, als mich mein Kaikschi
darauf aufmerksam machte, daß wir dicht bei dem türkischen vielbewunderten
Dreidecker „Mcchmudii" von -I3i Kanonen angekommen seien. Ich wendete
mich um; wir fuhren eben unter dem Stern") vorüber; wie ein Thurm erhob
es sich über uns; in höchster Höhe, auf der Galerie des Quarterdeck schilderte
ein türkischer Marinier; sonst schien alles todt am Bord. Das gigantische
Schiff übertrifft jeden französischen und englischen Dreidecker, der gegenwärtig
eristirt, mit Ausnahme der Schrauber, an Tonnenmaß, hat als Segelschiff nur
einen Rivalen (den amerikanischen Pensylvanien) und reicht in Betreff des Um¬
fangs an den „Duke os Wellington" hinan. Allein es ist nahezu zwanzig
Jahre alt (lief vom Stapel) und wird nicht lange mehr im Dienst er¬
halten werden können.

Dicht hinter dem Mahmudie ragte ein andrer Dreidecker auf, über dessen
Verdeck, am Gaffel, die französische Tricolore flatterte: die Ville de Paris, das
Admiralschiff in der Affaire vom 17. October. Ich bemerkte schon bei einer
andern Gelegenheit, wie man ihm gegenwärtig die Beschädigungen wenig an¬
merkt, welche es in dieser Action erlitten. Wie bekannt wurde das Hinterdeck
durch eine gewaltige Erplosion gesprengt; aber es ist heute so sicher gefugt und
standfest wie je zuvor. Wie Sie wissen ist Admiral Hamelin abberufen wor¬
den. Man bedauert sein Scheiden. Er war ein feiner und humaner Mann
und einen Mangel an Energie kann man ihm keineswegs vorwerfen. Vice-
admiral Dundas scheint in mancher Beziehung ein Hemmschuh für ihn gewesen
zu sein. Ueber ihn spricht sich das öffentliche Urtheil zumeist ungünstig aus;
er war durch und durch ein Gentleman, aber kein Mann von Kraft.



*) Hinterbord.
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[0132] selben sechs Schraubenfregatten. Dieselben werden die Zahl der Geschütze nach dem neueren Princip durch die Schwere derselben ersetzen, sie werden dem Feind eine geringere Ziel^flache bieten, wie die Zwei- und Dreidecker, und an Tonnen¬ gehalt, ihrer größeren Länge wegen, dieselben nichtsdestoweniger erreichen, wenn nicht übertreffen; endlich werden sie schneller segeln und einen geringeren Tief¬ gang haben, mithin, gegenüber der Küste, einen größeren Wirkungskreis. Das sind Vorzüge, die jedermann einleuchten müssen und durch welche die Niesen¬ schiffe „Duke of Wellington" und „Napoleon" in den Schatten gestellt werden. Während ich zwischen den beiden türkischen Zweideckern hindurchfuhr, bemerkte ich, daß dicht am Arsenal drei andre Zweidecker ohne Flaggen lagen. Zwei davon waren osmanische, wie ich an den Mannschaften erkannte, der dritte ein französischer oder englischer. Der eine davon stand eben unter dem Riesenkrahn, mit dessen Hilfe man die Nntermasten auszuheben und einzusetzen pflegt. Mittel- und Fockmast waren gehoben; und der Behält wartete auf die nämliche Bestimmung. Ich sah noch der Arbeit zu, als mich mein Kaikschi darauf aufmerksam machte, daß wir dicht bei dem türkischen vielbewunderten Dreidecker „Mcchmudii" von -I3i Kanonen angekommen seien. Ich wendete mich um; wir fuhren eben unter dem Stern") vorüber; wie ein Thurm erhob es sich über uns; in höchster Höhe, auf der Galerie des Quarterdeck schilderte ein türkischer Marinier; sonst schien alles todt am Bord. Das gigantische Schiff übertrifft jeden französischen und englischen Dreidecker, der gegenwärtig eristirt, mit Ausnahme der Schrauber, an Tonnenmaß, hat als Segelschiff nur einen Rivalen (den amerikanischen Pensylvanien) und reicht in Betreff des Um¬ fangs an den „Duke os Wellington" hinan. Allein es ist nahezu zwanzig Jahre alt (lief vom Stapel) und wird nicht lange mehr im Dienst er¬ halten werden können. Dicht hinter dem Mahmudie ragte ein andrer Dreidecker auf, über dessen Verdeck, am Gaffel, die französische Tricolore flatterte: die Ville de Paris, das Admiralschiff in der Affaire vom 17. October. Ich bemerkte schon bei einer andern Gelegenheit, wie man ihm gegenwärtig die Beschädigungen wenig an¬ merkt, welche es in dieser Action erlitten. Wie bekannt wurde das Hinterdeck durch eine gewaltige Erplosion gesprengt; aber es ist heute so sicher gefugt und standfest wie je zuvor. Wie Sie wissen ist Admiral Hamelin abberufen wor¬ den. Man bedauert sein Scheiden. Er war ein feiner und humaner Mann und einen Mangel an Energie kann man ihm keineswegs vorwerfen. Vice- admiral Dundas scheint in mancher Beziehung ein Hemmschuh für ihn gewesen zu sein. Ueber ihn spricht sich das öffentliche Urtheil zumeist ungünstig aus; er war durch und durch ein Gentleman, aber kein Mann von Kraft. *) Hinterbord.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/132>, abgerufen am 26.06.2024.