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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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man sie als Concertinstmment gelten lassen darf; zu lange hintereinander ge¬
hört, ermüdet sie. Doch muß man es der Frau Parish-Alvars nachrühmen,
daß sie jene mit großer Eleganz behandelt und zarte Empfindungen in dem
Hörer anzuregen weiß; etwas zu melancholisch und leidenschaftlich, im Uebrigen
aber recht gebildet war auch das Harfenspiel von Frl. Leonie Peters de Vatte-
lette. -- Hiermit wäre die Uebersicht über diejenigen fremden Künstler be¬
schlossen, die, was die Theilnahme des Publicums betraf, in zweiter oder dritter
Reihe standen.

Den Anfang der Virtuosenconcerte machte Bazzini, der italienische Geiger,
den man, um gerecht zu sein, nicht ganz nach deutschem Maßstabe beurtheilen
darf. Er gab eine lange Reihe von Concerten im krollschen Saal, die durch
anhaltenden Besuch ausgezeichnet wurden. Bazzini ist kein classischer Spieler
in unserm Sinn, nicht nur weil er vorwiegend Virtuoscnmustk ohne selbst¬
ständigen Inhalt spielt oder weil er hinsichts der Ausführung manches in der
Wirkung Blendende zum Besten gibt, das, näher betrachtet, nicht ganz regelrecht
und schön ist, sondern auch in den gelungensten Momenten seines Spiels bleibt
etwas zu Weiches und Tändelndes zurück. Nichtsdestoweniger liegt in seinem
Spiel ein Reiz, dem man sich momentan wol hingeben darf. Schon der Ton,
den er dem Instrument entlockt, ist auffallend weich und schmelzend, er hat
etwas Bedecktes, das den Charakter sanfter Klage an sich trägt, und etwas süß
Einschmeichelndes. Das Eigenthümliche bei Bazzini ist, daß er, italienischem
Wesen getreu, schon in der Behandlung des Tons einem guten Sänger sich
nähert. Dem entspricht der Vortrag der Cantilene; wir haben Melodien sehr
selten mit so feinem und lebendigem Vortrag spielen hören, als von ihm.

Der Pianist Schulhoff gab zwar nicht viele, aber gut besuchte Concerte
und fand gerechte Anerkennung. In seinen Compositionen, wie in seinem Spiel
liegt freilich keine Tiefe, aber eine mitunter zarte und gefällige lyrische Stim¬
mung; doch gilt dies vorzugsweise nur von den kleineren Stücken, die uns,
von ihm vorgetragen, anregen, ohne je gegen die Formen feinerer Bildung zu ver¬
stoßen. Wir müssen diesem Punkt, die Feinheit gesellschaftlicher Bildung, manchen
neuerem gegenüber, die Rohheit für Genie und Größe halten, betonen, und
stellen ganz im Ernste die Behauptung auf, daß auch dies zu den Eigenschaf¬
ten eines vollendeten Kunstwerks gehört. Vor allen ist es Mozart, der hierzu
den praktischen Beweis gibt, der in seinen Opern innerhalb der Formen voll¬
endeten äußern Adels die tiefsten und die größten Empfindungen darzustellen
wußte. Auch in solchen Erscheinungen, wie Schulhoff, liegt uns daher ein
beachtenwerthes Element.

Außerordentliche Theilnahme im Publicum fanden einige Concerte, die
Roger und Vinier gaben. Die Persönlichkeit Rogers übt einen so mächtigen
Zauber, daß man ihn auch da zu hören wünscht, wo seine Vorzüge in einem


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man sie als Concertinstmment gelten lassen darf; zu lange hintereinander ge¬
hört, ermüdet sie. Doch muß man es der Frau Parish-Alvars nachrühmen,
daß sie jene mit großer Eleganz behandelt und zarte Empfindungen in dem
Hörer anzuregen weiß; etwas zu melancholisch und leidenschaftlich, im Uebrigen
aber recht gebildet war auch das Harfenspiel von Frl. Leonie Peters de Vatte-
lette. — Hiermit wäre die Uebersicht über diejenigen fremden Künstler be¬
schlossen, die, was die Theilnahme des Publicums betraf, in zweiter oder dritter
Reihe standen.

Den Anfang der Virtuosenconcerte machte Bazzini, der italienische Geiger,
den man, um gerecht zu sein, nicht ganz nach deutschem Maßstabe beurtheilen
darf. Er gab eine lange Reihe von Concerten im krollschen Saal, die durch
anhaltenden Besuch ausgezeichnet wurden. Bazzini ist kein classischer Spieler
in unserm Sinn, nicht nur weil er vorwiegend Virtuoscnmustk ohne selbst¬
ständigen Inhalt spielt oder weil er hinsichts der Ausführung manches in der
Wirkung Blendende zum Besten gibt, das, näher betrachtet, nicht ganz regelrecht
und schön ist, sondern auch in den gelungensten Momenten seines Spiels bleibt
etwas zu Weiches und Tändelndes zurück. Nichtsdestoweniger liegt in seinem
Spiel ein Reiz, dem man sich momentan wol hingeben darf. Schon der Ton,
den er dem Instrument entlockt, ist auffallend weich und schmelzend, er hat
etwas Bedecktes, das den Charakter sanfter Klage an sich trägt, und etwas süß
Einschmeichelndes. Das Eigenthümliche bei Bazzini ist, daß er, italienischem
Wesen getreu, schon in der Behandlung des Tons einem guten Sänger sich
nähert. Dem entspricht der Vortrag der Cantilene; wir haben Melodien sehr
selten mit so feinem und lebendigem Vortrag spielen hören, als von ihm.

Der Pianist Schulhoff gab zwar nicht viele, aber gut besuchte Concerte
und fand gerechte Anerkennung. In seinen Compositionen, wie in seinem Spiel
liegt freilich keine Tiefe, aber eine mitunter zarte und gefällige lyrische Stim¬
mung; doch gilt dies vorzugsweise nur von den kleineren Stücken, die uns,
von ihm vorgetragen, anregen, ohne je gegen die Formen feinerer Bildung zu ver¬
stoßen. Wir müssen diesem Punkt, die Feinheit gesellschaftlicher Bildung, manchen
neuerem gegenüber, die Rohheit für Genie und Größe halten, betonen, und
stellen ganz im Ernste die Behauptung auf, daß auch dies zu den Eigenschaf¬
ten eines vollendeten Kunstwerks gehört. Vor allen ist es Mozart, der hierzu
den praktischen Beweis gibt, der in seinen Opern innerhalb der Formen voll¬
endeten äußern Adels die tiefsten und die größten Empfindungen darzustellen
wußte. Auch in solchen Erscheinungen, wie Schulhoff, liegt uns daher ein
beachtenwerthes Element.

Außerordentliche Theilnahme im Publicum fanden einige Concerte, die
Roger und Vinier gaben. Die Persönlichkeit Rogers übt einen so mächtigen
Zauber, daß man ihn auch da zu hören wünscht, wo seine Vorzüge in einem


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[0099] man sie als Concertinstmment gelten lassen darf; zu lange hintereinander ge¬ hört, ermüdet sie. Doch muß man es der Frau Parish-Alvars nachrühmen, daß sie jene mit großer Eleganz behandelt und zarte Empfindungen in dem Hörer anzuregen weiß; etwas zu melancholisch und leidenschaftlich, im Uebrigen aber recht gebildet war auch das Harfenspiel von Frl. Leonie Peters de Vatte- lette. — Hiermit wäre die Uebersicht über diejenigen fremden Künstler be¬ schlossen, die, was die Theilnahme des Publicums betraf, in zweiter oder dritter Reihe standen. Den Anfang der Virtuosenconcerte machte Bazzini, der italienische Geiger, den man, um gerecht zu sein, nicht ganz nach deutschem Maßstabe beurtheilen darf. Er gab eine lange Reihe von Concerten im krollschen Saal, die durch anhaltenden Besuch ausgezeichnet wurden. Bazzini ist kein classischer Spieler in unserm Sinn, nicht nur weil er vorwiegend Virtuoscnmustk ohne selbst¬ ständigen Inhalt spielt oder weil er hinsichts der Ausführung manches in der Wirkung Blendende zum Besten gibt, das, näher betrachtet, nicht ganz regelrecht und schön ist, sondern auch in den gelungensten Momenten seines Spiels bleibt etwas zu Weiches und Tändelndes zurück. Nichtsdestoweniger liegt in seinem Spiel ein Reiz, dem man sich momentan wol hingeben darf. Schon der Ton, den er dem Instrument entlockt, ist auffallend weich und schmelzend, er hat etwas Bedecktes, das den Charakter sanfter Klage an sich trägt, und etwas süß Einschmeichelndes. Das Eigenthümliche bei Bazzini ist, daß er, italienischem Wesen getreu, schon in der Behandlung des Tons einem guten Sänger sich nähert. Dem entspricht der Vortrag der Cantilene; wir haben Melodien sehr selten mit so feinem und lebendigem Vortrag spielen hören, als von ihm. Der Pianist Schulhoff gab zwar nicht viele, aber gut besuchte Concerte und fand gerechte Anerkennung. In seinen Compositionen, wie in seinem Spiel liegt freilich keine Tiefe, aber eine mitunter zarte und gefällige lyrische Stim¬ mung; doch gilt dies vorzugsweise nur von den kleineren Stücken, die uns, von ihm vorgetragen, anregen, ohne je gegen die Formen feinerer Bildung zu ver¬ stoßen. Wir müssen diesem Punkt, die Feinheit gesellschaftlicher Bildung, manchen neuerem gegenüber, die Rohheit für Genie und Größe halten, betonen, und stellen ganz im Ernste die Behauptung auf, daß auch dies zu den Eigenschaf¬ ten eines vollendeten Kunstwerks gehört. Vor allen ist es Mozart, der hierzu den praktischen Beweis gibt, der in seinen Opern innerhalb der Formen voll¬ endeten äußern Adels die tiefsten und die größten Empfindungen darzustellen wußte. Auch in solchen Erscheinungen, wie Schulhoff, liegt uns daher ein beachtenwerthes Element. Außerordentliche Theilnahme im Publicum fanden einige Concerte, die Roger und Vinier gaben. Die Persönlichkeit Rogers übt einen so mächtigen Zauber, daß man ihn auch da zu hören wünscht, wo seine Vorzüge in einem 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/99>, abgerufen am 25.08.2024.