Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ranges zu veranstalten, bei denen der Genuß von Kaffee, Bier u. s. w. aus¬
geschlossen ist. Doch ist auch hier der Preis billig und die Zahl der Zuhörer
beläuft sich in der Regel auf sechs- bis achthundert. Die Ausführung ist noch
etwas sorgfältiger, als in den Gartenconcerten. Da aber kein neues Werk
zur Ausführung kam, so liegt zu einem speciellen Bericht keine Veranlassung
vor. Daß das liebigsche Orchester weder in den Feinheiten des Vortrags noch
in dem Glanz der Farben mit der k. Kapelle wetteisern kann, versteht sich wol
von selbst; es gibt aber ein im Ganzen richtiges und oft auch lebendiges Bild
von den Werken. Da Liebig seine Gartenconcerte noch immer fortsetzt, da
serner bisweilen auch in andern Concerten Symphonien zur Aufführung Ikom-
men, so kann man annehmen, daß man in Berlin an zweihundertmal jährlich
Gelegenheit hat, Symphonien und Ouvertüren zu hören. Uns scheint es, daß
in der ganzen Kunstgeschichte wenige Fälle von einer ähnlichen Verbreitung
der schwierigsten und tiefsten Kunstwerke vorkommen.

Schon oben erwähnte ich, daß die Theilnahme des Publicums für das
Streichquartett nicht groß ist. Die Quartettsoireen der Herren Zimmermann.
Michten, Nonneburger und Lotze, die sich meist durch Correctheit und Glätte
des Spiels auszeichnen, aber mitunter an Kälte der Auffassung leiden, haben
nur ein kleines Publicum. Sie haben sich im letzten Winter, wie früher, auf
die bekannten Quartetts von Haydn, Mozart, Beethoven, Onslow, Schubert
beschränkt; höchstens wäre erwähnenswert!), daß sie ein Quartett von Cheru¬
bini (Lscwr) zur Aufführung brachten.

Doch hat auch in diesem Genre das letzte Jahr neue Bildungen hervor¬
gerufen. Schon im Sommer versuchte ein Herr Arnstein, Quartettsoirven in
den Sommeretablissements, in ähnlicher Weise, wie die eben besprochenen
Symphoniegartenconcerte, zu veranstalten. Sein Unternehmen, das für den
Anfang auch allenfalls genügt hätte, scheiterte an einem bessern gleichartigen.
Vier tüchtige Musiker, die Herren Oertling, Mehbaum, Wendt und Bimbach be¬
gannen im Herbst mit eben solchen Concerten, die sie bis zum Frühjahr unter
hinreichender Theilnahme des Publicums und zu großer Befriedigung des mu¬
sikalischen Theils desselben fortsetzten. In der Correctheit stehen sie dem oben¬
erwähnten alten Quartett nach, haben es aber nicht selten in der Lebendigkeit
der Auffassung übertroffen und durch mannigfaltigere Auswahl brachten sie in
ihre der äußern Gestalt nach anspruchslosen Soireen ein höheres, künstlerisches
Interesse. Manches sehr hörenswerthe Werk haben sie zum ersten Mal öffent¬
lich in Berlin aufgeführt, z. B. Schuberts poetisches ^moll-Quartett. Von
neuern Compositionen brachten sie Rubinsteins OmoU-Quartett, das unter allem,
was wir von diesem Componisten hörten, am maßvollsten gehalten ist, ferner
ein Quartett (Lcwr) eines hiesigen Kammermusikers Just, das durch Ernst des
Strebens für sich einnahm, aber, um zu gefallen nicht natürlich und einfach


Ranges zu veranstalten, bei denen der Genuß von Kaffee, Bier u. s. w. aus¬
geschlossen ist. Doch ist auch hier der Preis billig und die Zahl der Zuhörer
beläuft sich in der Regel auf sechs- bis achthundert. Die Ausführung ist noch
etwas sorgfältiger, als in den Gartenconcerten. Da aber kein neues Werk
zur Ausführung kam, so liegt zu einem speciellen Bericht keine Veranlassung
vor. Daß das liebigsche Orchester weder in den Feinheiten des Vortrags noch
in dem Glanz der Farben mit der k. Kapelle wetteisern kann, versteht sich wol
von selbst; es gibt aber ein im Ganzen richtiges und oft auch lebendiges Bild
von den Werken. Da Liebig seine Gartenconcerte noch immer fortsetzt, da
serner bisweilen auch in andern Concerten Symphonien zur Aufführung Ikom-
men, so kann man annehmen, daß man in Berlin an zweihundertmal jährlich
Gelegenheit hat, Symphonien und Ouvertüren zu hören. Uns scheint es, daß
in der ganzen Kunstgeschichte wenige Fälle von einer ähnlichen Verbreitung
der schwierigsten und tiefsten Kunstwerke vorkommen.

Schon oben erwähnte ich, daß die Theilnahme des Publicums für das
Streichquartett nicht groß ist. Die Quartettsoireen der Herren Zimmermann.
Michten, Nonneburger und Lotze, die sich meist durch Correctheit und Glätte
des Spiels auszeichnen, aber mitunter an Kälte der Auffassung leiden, haben
nur ein kleines Publicum. Sie haben sich im letzten Winter, wie früher, auf
die bekannten Quartetts von Haydn, Mozart, Beethoven, Onslow, Schubert
beschränkt; höchstens wäre erwähnenswert!), daß sie ein Quartett von Cheru¬
bini (Lscwr) zur Aufführung brachten.

Doch hat auch in diesem Genre das letzte Jahr neue Bildungen hervor¬
gerufen. Schon im Sommer versuchte ein Herr Arnstein, Quartettsoirven in
den Sommeretablissements, in ähnlicher Weise, wie die eben besprochenen
Symphoniegartenconcerte, zu veranstalten. Sein Unternehmen, das für den
Anfang auch allenfalls genügt hätte, scheiterte an einem bessern gleichartigen.
Vier tüchtige Musiker, die Herren Oertling, Mehbaum, Wendt und Bimbach be¬
gannen im Herbst mit eben solchen Concerten, die sie bis zum Frühjahr unter
hinreichender Theilnahme des Publicums und zu großer Befriedigung des mu¬
sikalischen Theils desselben fortsetzten. In der Correctheit stehen sie dem oben¬
erwähnten alten Quartett nach, haben es aber nicht selten in der Lebendigkeit
der Auffassung übertroffen und durch mannigfaltigere Auswahl brachten sie in
ihre der äußern Gestalt nach anspruchslosen Soireen ein höheres, künstlerisches
Interesse. Manches sehr hörenswerthe Werk haben sie zum ersten Mal öffent¬
lich in Berlin aufgeführt, z. B. Schuberts poetisches ^moll-Quartett. Von
neuern Compositionen brachten sie Rubinsteins OmoU-Quartett, das unter allem,
was wir von diesem Componisten hörten, am maßvollsten gehalten ist, ferner
ein Quartett (Lcwr) eines hiesigen Kammermusikers Just, das durch Ernst des
Strebens für sich einnahm, aber, um zu gefallen nicht natürlich und einfach


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100544"/>
            <p xml:id="ID_274" prev="#ID_273"> Ranges zu veranstalten, bei denen der Genuß von Kaffee, Bier u. s. w. aus¬<lb/>
geschlossen ist. Doch ist auch hier der Preis billig und die Zahl der Zuhörer<lb/>
beläuft sich in der Regel auf sechs- bis achthundert. Die Ausführung ist noch<lb/>
etwas sorgfältiger, als in den Gartenconcerten. Da aber kein neues Werk<lb/>
zur Ausführung kam, so liegt zu einem speciellen Bericht keine Veranlassung<lb/>
vor. Daß das liebigsche Orchester weder in den Feinheiten des Vortrags noch<lb/>
in dem Glanz der Farben mit der k. Kapelle wetteisern kann, versteht sich wol<lb/>
von selbst; es gibt aber ein im Ganzen richtiges und oft auch lebendiges Bild<lb/>
von den Werken. Da Liebig seine Gartenconcerte noch immer fortsetzt, da<lb/>
serner bisweilen auch in andern Concerten Symphonien zur Aufführung Ikom-<lb/>
men, so kann man annehmen, daß man in Berlin an zweihundertmal jährlich<lb/>
Gelegenheit hat, Symphonien und Ouvertüren zu hören. Uns scheint es, daß<lb/>
in der ganzen Kunstgeschichte wenige Fälle von einer ähnlichen Verbreitung<lb/>
der schwierigsten und tiefsten Kunstwerke vorkommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_275"> Schon oben erwähnte ich, daß die Theilnahme des Publicums für das<lb/>
Streichquartett nicht groß ist. Die Quartettsoireen der Herren Zimmermann.<lb/>
Michten, Nonneburger und Lotze, die sich meist durch Correctheit und Glätte<lb/>
des Spiels auszeichnen, aber mitunter an Kälte der Auffassung leiden, haben<lb/>
nur ein kleines Publicum. Sie haben sich im letzten Winter, wie früher, auf<lb/>
die bekannten Quartetts von Haydn, Mozart, Beethoven, Onslow, Schubert<lb/>
beschränkt; höchstens wäre erwähnenswert!), daß sie ein Quartett von Cheru¬<lb/>
bini (Lscwr) zur Aufführung brachten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_276" next="#ID_277"> Doch hat auch in diesem Genre das letzte Jahr neue Bildungen hervor¬<lb/>
gerufen. Schon im Sommer versuchte ein Herr Arnstein, Quartettsoirven in<lb/>
den Sommeretablissements, in ähnlicher Weise, wie die eben besprochenen<lb/>
Symphoniegartenconcerte, zu veranstalten. Sein Unternehmen, das für den<lb/>
Anfang auch allenfalls genügt hätte, scheiterte an einem bessern gleichartigen.<lb/>
Vier tüchtige Musiker, die Herren Oertling, Mehbaum, Wendt und Bimbach be¬<lb/>
gannen im Herbst mit eben solchen Concerten, die sie bis zum Frühjahr unter<lb/>
hinreichender Theilnahme des Publicums und zu großer Befriedigung des mu¬<lb/>
sikalischen Theils desselben fortsetzten. In der Correctheit stehen sie dem oben¬<lb/>
erwähnten alten Quartett nach, haben es aber nicht selten in der Lebendigkeit<lb/>
der Auffassung übertroffen und durch mannigfaltigere Auswahl brachten sie in<lb/>
ihre der äußern Gestalt nach anspruchslosen Soireen ein höheres, künstlerisches<lb/>
Interesse. Manches sehr hörenswerthe Werk haben sie zum ersten Mal öffent¬<lb/>
lich in Berlin aufgeführt, z. B. Schuberts poetisches ^moll-Quartett. Von<lb/>
neuern Compositionen brachten sie Rubinsteins OmoU-Quartett, das unter allem,<lb/>
was wir von diesem Componisten hörten, am maßvollsten gehalten ist, ferner<lb/>
ein Quartett (Lcwr) eines hiesigen Kammermusikers Just, das durch Ernst des<lb/>
Strebens für sich einnahm, aber, um zu gefallen nicht natürlich und einfach</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0090] Ranges zu veranstalten, bei denen der Genuß von Kaffee, Bier u. s. w. aus¬ geschlossen ist. Doch ist auch hier der Preis billig und die Zahl der Zuhörer beläuft sich in der Regel auf sechs- bis achthundert. Die Ausführung ist noch etwas sorgfältiger, als in den Gartenconcerten. Da aber kein neues Werk zur Ausführung kam, so liegt zu einem speciellen Bericht keine Veranlassung vor. Daß das liebigsche Orchester weder in den Feinheiten des Vortrags noch in dem Glanz der Farben mit der k. Kapelle wetteisern kann, versteht sich wol von selbst; es gibt aber ein im Ganzen richtiges und oft auch lebendiges Bild von den Werken. Da Liebig seine Gartenconcerte noch immer fortsetzt, da serner bisweilen auch in andern Concerten Symphonien zur Aufführung Ikom- men, so kann man annehmen, daß man in Berlin an zweihundertmal jährlich Gelegenheit hat, Symphonien und Ouvertüren zu hören. Uns scheint es, daß in der ganzen Kunstgeschichte wenige Fälle von einer ähnlichen Verbreitung der schwierigsten und tiefsten Kunstwerke vorkommen. Schon oben erwähnte ich, daß die Theilnahme des Publicums für das Streichquartett nicht groß ist. Die Quartettsoireen der Herren Zimmermann. Michten, Nonneburger und Lotze, die sich meist durch Correctheit und Glätte des Spiels auszeichnen, aber mitunter an Kälte der Auffassung leiden, haben nur ein kleines Publicum. Sie haben sich im letzten Winter, wie früher, auf die bekannten Quartetts von Haydn, Mozart, Beethoven, Onslow, Schubert beschränkt; höchstens wäre erwähnenswert!), daß sie ein Quartett von Cheru¬ bini (Lscwr) zur Aufführung brachten. Doch hat auch in diesem Genre das letzte Jahr neue Bildungen hervor¬ gerufen. Schon im Sommer versuchte ein Herr Arnstein, Quartettsoirven in den Sommeretablissements, in ähnlicher Weise, wie die eben besprochenen Symphoniegartenconcerte, zu veranstalten. Sein Unternehmen, das für den Anfang auch allenfalls genügt hätte, scheiterte an einem bessern gleichartigen. Vier tüchtige Musiker, die Herren Oertling, Mehbaum, Wendt und Bimbach be¬ gannen im Herbst mit eben solchen Concerten, die sie bis zum Frühjahr unter hinreichender Theilnahme des Publicums und zu großer Befriedigung des mu¬ sikalischen Theils desselben fortsetzten. In der Correctheit stehen sie dem oben¬ erwähnten alten Quartett nach, haben es aber nicht selten in der Lebendigkeit der Auffassung übertroffen und durch mannigfaltigere Auswahl brachten sie in ihre der äußern Gestalt nach anspruchslosen Soireen ein höheres, künstlerisches Interesse. Manches sehr hörenswerthe Werk haben sie zum ersten Mal öffent¬ lich in Berlin aufgeführt, z. B. Schuberts poetisches ^moll-Quartett. Von neuern Compositionen brachten sie Rubinsteins OmoU-Quartett, das unter allem, was wir von diesem Componisten hörten, am maßvollsten gehalten ist, ferner ein Quartett (Lcwr) eines hiesigen Kammermusikers Just, das durch Ernst des Strebens für sich einnahm, aber, um zu gefallen nicht natürlich und einfach

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/90
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/90>, abgerufen am 22.07.2024.