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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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begriffen ist -- sind die Propsteier dem gesammten Holstein vorausgegangen
und sogar die großen Güter haben sich erst an ihnen ein Beispiel genommen.

Die Früchte dieser umsichtigen Thätigkeit liegen zu Tage. Das Ländchen
strotzt förmlich von Wohlbefinden und Ueberfluß, wozu allerdings auch die
jetzigen überaus günstigen Conjuncturen beträchtlich beitragen. Allerorten er¬
heben sich neue stattliche Wohnhäuser, Ställe und Scheunen über dem Schutt
von alten. Ueberall beginnt der Bauer durch Gartenanlagen und anderweite,
oft sinnreiche Verschönerungen, so gut ers versteht, zu zeigen, daß ihm neben
einem sehr gut ausgebildeten Verständniß des ullis auch der Sinn für das
Äulee nicht mangelt. Der Frauenröcke von echtem Sammet, der Silberschnallen
am Schürzenbande, der Mädchenanzüge zu hundert Mark und darüber werden von
Jahr zu Jahr mehr. Der Hüfner legt sich immer mehr und immer dickere Meer¬
schaumpfeifen zu. Der Käthner und der Knecht sinnt darauf, es ihm nachzuthun.
Eine wahrhaft homerische Fülle von Fleisch bedeckt die Tische. Ein großer
Hofbesitzer sagte mir, er schlachte jährlich über zweitausend Pfund zu eignem
Verbrauche ein. Mehr als einen dieser Bauern traf ich, dessen Frau und
Kinder Pianoforte spielten, selten einen, der nicht wenigstens "de best Doms"
mit Mahagoni ausmöblirt hatte.

Ich nenne das einen erlaubten Lurus - schon wegen der wünschens-
werthen Wiederkehr des Geldes, das durch die Theurung aus dem Beutel des
Städters in den Kasten des Landmanns abfließt. Besser, die Leute haben ihren
Reichthum über der Erde, wo die lebendige Welt sich daran freut, als unter
der Erde in Töpfen und Eisentruhen, wo nur die Gespenster des Geizes sich
daran ergötzen. Eigentliche Verschwender scheint es bei dem vorwiegend be¬
dächtigen, überlcgsamen Charakter des Propsteiers hier nicht zu geben. We¬
nigstens wurde mir nur ein Beispiel bekannt, das der Sage angehört. Hans
Haunerland war ein Bauer, der einen großen Hof auf der "Haide" hatte.
Er liebte sehr gutes Essen, mehr gutes Trinken, über alles aber den Tanz am
Fastelabend und Pftngstfreitag. Da geschah es, als er einst die Fastelgilde
in Schönberg mitmachte, daß die schrecklichste Wasserflut kam und seinen Hof
mitnahm. Er ließ sich darüber kein graues Haar wachsen, denn er hatte ja
noch eine Hufe und sieben Kälber. So blieb er zu Schönberg in der Schenke
sitzen und lebte lustig weiter, bis eine Käthe nach der andern und am
Ende auch die Hufe ihm durch den Hals gegangen war. Er hatte jetzt nur
noch einen großen Nußbaum. Den aber mußte er stehen lassen, weil er
nicht durch den Hals ging und wenn er nicht umgehauen worden ist, steht er
noch.

Unter der "Haide" ist die sogenannte Kolberger Haide gemeint, vor der
Sturmflut von 1625 eine wohlbebaute, fruchtbare Gegend, heutzutage eine
weite Bucht, in welcher man nicht fern vom Dorfe Holm noch jetzt bei niebri-


begriffen ist — sind die Propsteier dem gesammten Holstein vorausgegangen
und sogar die großen Güter haben sich erst an ihnen ein Beispiel genommen.

Die Früchte dieser umsichtigen Thätigkeit liegen zu Tage. Das Ländchen
strotzt förmlich von Wohlbefinden und Ueberfluß, wozu allerdings auch die
jetzigen überaus günstigen Conjuncturen beträchtlich beitragen. Allerorten er¬
heben sich neue stattliche Wohnhäuser, Ställe und Scheunen über dem Schutt
von alten. Ueberall beginnt der Bauer durch Gartenanlagen und anderweite,
oft sinnreiche Verschönerungen, so gut ers versteht, zu zeigen, daß ihm neben
einem sehr gut ausgebildeten Verständniß des ullis auch der Sinn für das
Äulee nicht mangelt. Der Frauenröcke von echtem Sammet, der Silberschnallen
am Schürzenbande, der Mädchenanzüge zu hundert Mark und darüber werden von
Jahr zu Jahr mehr. Der Hüfner legt sich immer mehr und immer dickere Meer¬
schaumpfeifen zu. Der Käthner und der Knecht sinnt darauf, es ihm nachzuthun.
Eine wahrhaft homerische Fülle von Fleisch bedeckt die Tische. Ein großer
Hofbesitzer sagte mir, er schlachte jährlich über zweitausend Pfund zu eignem
Verbrauche ein. Mehr als einen dieser Bauern traf ich, dessen Frau und
Kinder Pianoforte spielten, selten einen, der nicht wenigstens „de best Doms"
mit Mahagoni ausmöblirt hatte.

Ich nenne das einen erlaubten Lurus - schon wegen der wünschens-
werthen Wiederkehr des Geldes, das durch die Theurung aus dem Beutel des
Städters in den Kasten des Landmanns abfließt. Besser, die Leute haben ihren
Reichthum über der Erde, wo die lebendige Welt sich daran freut, als unter
der Erde in Töpfen und Eisentruhen, wo nur die Gespenster des Geizes sich
daran ergötzen. Eigentliche Verschwender scheint es bei dem vorwiegend be¬
dächtigen, überlcgsamen Charakter des Propsteiers hier nicht zu geben. We¬
nigstens wurde mir nur ein Beispiel bekannt, das der Sage angehört. Hans
Haunerland war ein Bauer, der einen großen Hof auf der „Haide" hatte.
Er liebte sehr gutes Essen, mehr gutes Trinken, über alles aber den Tanz am
Fastelabend und Pftngstfreitag. Da geschah es, als er einst die Fastelgilde
in Schönberg mitmachte, daß die schrecklichste Wasserflut kam und seinen Hof
mitnahm. Er ließ sich darüber kein graues Haar wachsen, denn er hatte ja
noch eine Hufe und sieben Kälber. So blieb er zu Schönberg in der Schenke
sitzen und lebte lustig weiter, bis eine Käthe nach der andern und am
Ende auch die Hufe ihm durch den Hals gegangen war. Er hatte jetzt nur
noch einen großen Nußbaum. Den aber mußte er stehen lassen, weil er
nicht durch den Hals ging und wenn er nicht umgehauen worden ist, steht er
noch.

Unter der „Haide" ist die sogenannte Kolberger Haide gemeint, vor der
Sturmflut von 1625 eine wohlbebaute, fruchtbare Gegend, heutzutage eine
weite Bucht, in welcher man nicht fern vom Dorfe Holm noch jetzt bei niebri-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/56>, abgerufen am 25.08.2024.