Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.diese und ähnliche Betrachtungen vollständig auszuführen, und bedauert, daß Sie machte die Bekanntschaft des bekannten Republikaners Michel von diese und ähnliche Betrachtungen vollständig auszuführen, und bedauert, daß Sie machte die Bekanntschaft des bekannten Republikaners Michel von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100950"/> <p xml:id="ID_1471" prev="#ID_1470"> diese und ähnliche Betrachtungen vollständig auszuführen, und bedauert, daß<lb/> das nicht in dem wünschenswerthen Umfange geschehen sei. Wir können dies<lb/> Bedauern nicht theilen, denn ein vorwiegend philosophischer Kopf ist sie keines¬<lb/> wegs, und ihre Abhandlungen würden doch nur zuweilen sehr unberechtigte<lb/> Stimmungen wiedergegeben haben. Die tiefe Traurigkeit ihres Herzens ließ<lb/> sie in jener Zeit das Bedürfniß empfinden , sich so weit als möglich zu ent¬<lb/> fernen, einerlei, wohin. Ihre Freunde riethen ihr das Nämliche, denn daS<lb/> Verhältniß zu ihrem Mann hatte sich auf eine Art gestaltet, daß es durch Ab¬<lb/> wesenheit nur gewinnen konnte, und selbst ihr Einfluß auf ihre Kinder, die sie<lb/> sehr liebte, war nicht durchweg heilsam. Sie wär schon im Begriff eine Pil¬<lb/> gerschaft in den Orient zu übernehmen, als ein neues Interesse in ihr Leben<lb/> eintrat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1472" next="#ID_1473"> Sie machte die Bekanntschaft des bekannten Republikaners Michel von<lb/> Bourges (von ihr Everard genannt), der damals grade in einen großen po¬<lb/> litischen Proceß verwickelt war und der sie in den Kreis seiner Bekannten ein-<lb/> führte, jener leidenschaftlichen Idealisten, die es für ihre Aufgabe hielten, die<lb/> kühnsten Träume von Menschenwohl augenblicklich zu verwirklichen. Die Ge¬<lb/> sellschaft war zuweilen aus sehr wunderlichen Bestandtheilen zusammengesetzt.<lb/> So brachte sie z. B. Franz Liszt, mit dem sie damals auch viel umging, mit<lb/> Lamennais und Ballanche zusammen, und sie legte zuweilen wieder die Männer¬<lb/> tracht an. Im Anfang glaubte sie, daß alle diese Männer im Grunde den¬<lb/> selben Zweck verfolgten, bald aber machte sie die Entdeckung, daß die Republik<lb/> des einen immer der Republik des andern widersprach, und sie wollte diesem<lb/> Chaos wieder entfliehen, bis ihr Michel auseinandersetzte, daß ihre Pflicht als<lb/> Bürgerin sie davon zurückhalten müsse, in dieser Krisis ihr Vaterland zu ver¬<lb/> lassen. Sie blieb, betheiligte sich sehr lebhaft an den politischen Verhandlungen<lb/> und gibt uns infolge dessen eine Reihe politischer Betrachtungen, die wir ihr<lb/> gern erlassen hätten. — Das eheliche Verhältniß wurde noch mehr dadurch ge¬<lb/> trübt, baß die pecuniären Verhältnisse sich verschlechterten. Herr Düdevant<lb/> hatte durch falsche Speculationen große Verluste erlitten, und es begann nun<lb/> die unangenehmste aller Verhandlungen über die gegenseitige Vertheilung der<lb/> Einkünfte. Man versuchte mehre Arrangements, aber keins wollte genügen.<lb/> Das dauerte fort bis zum October 1833. Eine heftige Scene, die in diesen<lb/> Tagen zwischen ihr und ihrem Mann stattfand, und die zu keiner Versöhnung<lb/> führte, bestimmte sie, der Sache ein Ende zu machen. Auf den Rath ihrer<lb/> Freunde brachte sie die gerichtliche Scheidungsklage an. Das Gericht entschied<lb/> Februar -1836 zu ihren Gunsten und dies Urtheil wurde im Mai bestätigt.<lb/> Sie erzählt selbst, daß sie durch Anleihe eine Summe von 10,000 Franken zu¬<lb/> sammengebracht hatte und entschlossen war, mit ihren Kindern nach Amerika<lb/> zu entfliehen, wenn gegen sis entschieden würde. Durch falsche Freunde verführt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0496]
diese und ähnliche Betrachtungen vollständig auszuführen, und bedauert, daß
das nicht in dem wünschenswerthen Umfange geschehen sei. Wir können dies
Bedauern nicht theilen, denn ein vorwiegend philosophischer Kopf ist sie keines¬
wegs, und ihre Abhandlungen würden doch nur zuweilen sehr unberechtigte
Stimmungen wiedergegeben haben. Die tiefe Traurigkeit ihres Herzens ließ
sie in jener Zeit das Bedürfniß empfinden , sich so weit als möglich zu ent¬
fernen, einerlei, wohin. Ihre Freunde riethen ihr das Nämliche, denn daS
Verhältniß zu ihrem Mann hatte sich auf eine Art gestaltet, daß es durch Ab¬
wesenheit nur gewinnen konnte, und selbst ihr Einfluß auf ihre Kinder, die sie
sehr liebte, war nicht durchweg heilsam. Sie wär schon im Begriff eine Pil¬
gerschaft in den Orient zu übernehmen, als ein neues Interesse in ihr Leben
eintrat.
Sie machte die Bekanntschaft des bekannten Republikaners Michel von
Bourges (von ihr Everard genannt), der damals grade in einen großen po¬
litischen Proceß verwickelt war und der sie in den Kreis seiner Bekannten ein-
führte, jener leidenschaftlichen Idealisten, die es für ihre Aufgabe hielten, die
kühnsten Träume von Menschenwohl augenblicklich zu verwirklichen. Die Ge¬
sellschaft war zuweilen aus sehr wunderlichen Bestandtheilen zusammengesetzt.
So brachte sie z. B. Franz Liszt, mit dem sie damals auch viel umging, mit
Lamennais und Ballanche zusammen, und sie legte zuweilen wieder die Männer¬
tracht an. Im Anfang glaubte sie, daß alle diese Männer im Grunde den¬
selben Zweck verfolgten, bald aber machte sie die Entdeckung, daß die Republik
des einen immer der Republik des andern widersprach, und sie wollte diesem
Chaos wieder entfliehen, bis ihr Michel auseinandersetzte, daß ihre Pflicht als
Bürgerin sie davon zurückhalten müsse, in dieser Krisis ihr Vaterland zu ver¬
lassen. Sie blieb, betheiligte sich sehr lebhaft an den politischen Verhandlungen
und gibt uns infolge dessen eine Reihe politischer Betrachtungen, die wir ihr
gern erlassen hätten. — Das eheliche Verhältniß wurde noch mehr dadurch ge¬
trübt, baß die pecuniären Verhältnisse sich verschlechterten. Herr Düdevant
hatte durch falsche Speculationen große Verluste erlitten, und es begann nun
die unangenehmste aller Verhandlungen über die gegenseitige Vertheilung der
Einkünfte. Man versuchte mehre Arrangements, aber keins wollte genügen.
Das dauerte fort bis zum October 1833. Eine heftige Scene, die in diesen
Tagen zwischen ihr und ihrem Mann stattfand, und die zu keiner Versöhnung
führte, bestimmte sie, der Sache ein Ende zu machen. Auf den Rath ihrer
Freunde brachte sie die gerichtliche Scheidungsklage an. Das Gericht entschied
Februar -1836 zu ihren Gunsten und dies Urtheil wurde im Mai bestätigt.
Sie erzählt selbst, daß sie durch Anleihe eine Summe von 10,000 Franken zu¬
sammengebracht hatte und entschlossen war, mit ihren Kindern nach Amerika
zu entfliehen, wenn gegen sis entschieden würde. Durch falsche Freunde verführt,
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