Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.oder städtischen Kollegien, Zwietracht sogar ihr Gutes hat. Jacob aber saßte Altvätrisches Zeug und Dipolicnkrcnn, und güldne Cikaden im Schöpfe hält, sie liebten in jenen "Alten" ein Stück nicht nur ihrer eignen, sondern oder städtischen Kollegien, Zwietracht sogar ihr Gutes hat. Jacob aber saßte Altvätrisches Zeug und Dipolicnkrcnn, und güldne Cikaden im Schöpfe hält, sie liebten in jenen „Alten" ein Stück nicht nur ihrer eignen, sondern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100912"/> <p xml:id="ID_1354" prev="#ID_1353" next="#ID_1355"> oder städtischen Kollegien, Zwietracht sogar ihr Gutes hat. Jacob aber saßte<lb/> den Satz: mein College ist mein Freund, mit alterthümlicher Strenge; hier<lb/> war nichts von eitlem Patronisiren, nichts von übergeschäftiger Polizeiinspection,<lb/> nichts von rauhem Commando oder armseligen Diplomatenkniffen. So auch<lb/> das Verhältniß zur Jugend; auch hier jene Innigkeit und Wahrhaftigkeit, ja<lb/> etwas von der leidenschaftlichen, nicht parteilosen Wärme elterlicher Liebe. Ein<lb/> Mann, der für seine Schüler Lustspiele schreibt, in deren einzelnen Charakteren<lb/> er die Eigenthümlichkeiten seiner Schüler wiederspiegelt (wir bedauern, daß der<lb/> geehrte Verfasser der indischen Spiele so kurz gedenkt), ist, wenn auch sein<lb/> Verfahren aus manches Mißverständniß gestoßen sein muß, gewiß in unsrer<lb/> liebeleeren Zeit sehr selten. Ueberhaupt tritt dies Eingehen in die Einzelnatur<lb/> des Lernenden als der Grundzug seines Unterrichts hervor; auch hier bedürfte<lb/> es einer so starken Subjectivität, um so subjectiviren zu können, und daß darin<lb/> wol bisweilen zu viel geschah, mag sein. Man hätte wünschen mögen, daß<lb/> durch charakteristische Einzelfälle, die dem Verfasser bekannt sein mußten, die<lb/> er aber mitzutheilen mit ängstlicher Sorgfalt vermieden zu haben scheint, die<lb/> Schülerbehandlung Jacobs anschaulicher gemacht wäre. So erinnern wir uns<lb/> — Res. ist kein Schüler Jacobs — gehört zu haben, daß die liebenswürdigste<lb/> Laune, der treffendste Witz Jacob zu Gebote gestanden und daß er davon den<lb/> ergötzlichsten Gebrauch in der Schule gemacht habe; in der Biographie finden<lb/> wir nichts davon. Das Ziel seines Lehrers war nie das Wissen selbst, auch<lb/> nicht das „Anregen", sondern'die sittliche Veredlung des ganzen Menschen;<lb/> er war ein Humanist im echten Sinne des Wortes. Daß ihm die unbegrenz¬<lb/> teste Verehrung der Mitlehrer und Schüler zu Theil wurde, daß dies Gym¬<lb/> nasium blühte und manche edle Namen, wie Immermann, Lehrs, Simson,<lb/> Geibel, Preller, beide Curtius unter seinen dankbaren Schülern genannt werden,<lb/> war die selbstverständliche Folge einer so „idealistischen" Leitung. Uebrigens<lb/> dehnte Jacob, obwol keineswegs geneigt in größere Geselligkeit zu zerfließen,<lb/> seine Thätigkeit zuletzt auch noch über die Schule hinaus und stiftete einen<lb/> Verein für die Auffrischung der classischen Studien, an dem 30 —iO Männer<lb/> von verschiedenstem Alter und Beruf theilnahmen. Sie, die Bürger der ure<lb/> alten Kausstadt, waren am wenigsten der modernen „Rede" zugethan, die<lb/> solches Treiben für:</p><lb/> <quote> Altvätrisches Zeug und Dipolicnkrcnn, und güldne Cikaden im Schöpfe</quote><lb/> <p xml:id="ID_1355" prev="#ID_1354" next="#ID_1356"> hält, sie liebten in jenen „Alten" ein Stück nicht nur ihrer eignen, sondern<lb/> der unvergänglichen Menschenjugend. Der Meister aber, der hierzu anfeuerte,<lb/> war freilich auch ein ganzer Philolog. Ohne selbst Schüler eines großen<lb/> Humanisten gewesen zu sein, hatte sich vielleicht ebendarum um so ungestörter<lb/> in ihm die eigenste Begeisterung für das classische Alterthum entwickelt; erlebte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0458]
oder städtischen Kollegien, Zwietracht sogar ihr Gutes hat. Jacob aber saßte
den Satz: mein College ist mein Freund, mit alterthümlicher Strenge; hier
war nichts von eitlem Patronisiren, nichts von übergeschäftiger Polizeiinspection,
nichts von rauhem Commando oder armseligen Diplomatenkniffen. So auch
das Verhältniß zur Jugend; auch hier jene Innigkeit und Wahrhaftigkeit, ja
etwas von der leidenschaftlichen, nicht parteilosen Wärme elterlicher Liebe. Ein
Mann, der für seine Schüler Lustspiele schreibt, in deren einzelnen Charakteren
er die Eigenthümlichkeiten seiner Schüler wiederspiegelt (wir bedauern, daß der
geehrte Verfasser der indischen Spiele so kurz gedenkt), ist, wenn auch sein
Verfahren aus manches Mißverständniß gestoßen sein muß, gewiß in unsrer
liebeleeren Zeit sehr selten. Ueberhaupt tritt dies Eingehen in die Einzelnatur
des Lernenden als der Grundzug seines Unterrichts hervor; auch hier bedürfte
es einer so starken Subjectivität, um so subjectiviren zu können, und daß darin
wol bisweilen zu viel geschah, mag sein. Man hätte wünschen mögen, daß
durch charakteristische Einzelfälle, die dem Verfasser bekannt sein mußten, die
er aber mitzutheilen mit ängstlicher Sorgfalt vermieden zu haben scheint, die
Schülerbehandlung Jacobs anschaulicher gemacht wäre. So erinnern wir uns
— Res. ist kein Schüler Jacobs — gehört zu haben, daß die liebenswürdigste
Laune, der treffendste Witz Jacob zu Gebote gestanden und daß er davon den
ergötzlichsten Gebrauch in der Schule gemacht habe; in der Biographie finden
wir nichts davon. Das Ziel seines Lehrers war nie das Wissen selbst, auch
nicht das „Anregen", sondern'die sittliche Veredlung des ganzen Menschen;
er war ein Humanist im echten Sinne des Wortes. Daß ihm die unbegrenz¬
teste Verehrung der Mitlehrer und Schüler zu Theil wurde, daß dies Gym¬
nasium blühte und manche edle Namen, wie Immermann, Lehrs, Simson,
Geibel, Preller, beide Curtius unter seinen dankbaren Schülern genannt werden,
war die selbstverständliche Folge einer so „idealistischen" Leitung. Uebrigens
dehnte Jacob, obwol keineswegs geneigt in größere Geselligkeit zu zerfließen,
seine Thätigkeit zuletzt auch noch über die Schule hinaus und stiftete einen
Verein für die Auffrischung der classischen Studien, an dem 30 —iO Männer
von verschiedenstem Alter und Beruf theilnahmen. Sie, die Bürger der ure
alten Kausstadt, waren am wenigsten der modernen „Rede" zugethan, die
solches Treiben für:
Altvätrisches Zeug und Dipolicnkrcnn, und güldne Cikaden im Schöpfe
hält, sie liebten in jenen „Alten" ein Stück nicht nur ihrer eignen, sondern
der unvergänglichen Menschenjugend. Der Meister aber, der hierzu anfeuerte,
war freilich auch ein ganzer Philolog. Ohne selbst Schüler eines großen
Humanisten gewesen zu sein, hatte sich vielleicht ebendarum um so ungestörter
in ihm die eigenste Begeisterung für das classische Alterthum entwickelt; erlebte
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