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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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tief zerrüttet waren, wurde als eine gemeinsame Gefahr für deutsches Wesen
empfunden. "Wenn je, so war es jetzt Noth, daß dort in dem alten Marken¬
gebiet ein neuer sichrer Wall gegen Osten errichtet würde. Dem verwilderten
Zustand dort mußte ein Ende gemacht, es mußte eine zusammengefaßte mili¬
tärische Kraft dort,hergestellt, es mußte die seit Markgraf Waldemars Tod
versäumte Bedeutung jenes Gebiets erneut werden. Sigismund gab den Hohen-
zollern die Markgrafschaft."

So wurden die deutschen Lande im Osten der Elbe zweimal gerettet, weil
der Gedanke wieder lebendig wurde, der die Marken als Schirm und Aus¬
gangspunkt deutschen Wesens gegen die slawische Ueberflutung begründet hatte.
Dieses Lebensprincip der brandenburgischen Herrschaft war selbst inmitten des
tiefsten Verfalls und allgemeiner Verwesung unangetastet geblieben; es war
kräftig genug geblieben, im Nordosten die deutsche Herrschaft zu einer Zeit auf¬
recht zu erhalten, als daS Reich im Westen und Süden bereits die schönsten
Provinzen eingebüßt hatte.

Mit den Burggrafen von Nürnberg wurde eine andere wichtige Idee nach
den Marken verpflanzt und verlieh diesen Landschaften eine erhöhte Bedeutung.
Seit den Tagen der Hohenstaufen konnte man sagen, daß die Idee des Reichs
Und der Neichsobrigkeit in den Burggrafen von Nürnberg ihre tüchtigsten Re¬
präsentanten, ihre stets bereiten Vorkämpfer fand; ja es war lediglich vie treue
Pflege dieser Idee, durch die das Geschlecht der Hohenzollern groß geworden
ist. Droysen hat das Verdienst, diese wichtige Thatsache urkundlich und un-
widerleglich nachgewiesen und psychologisch begründet zu haben; es ist der
schönste und anziehendste Theil seines 'Werkes. Zwei Momente wirkten zu¬
sammen, der Politik der Burggrafen diesen nationalen Charakter mit Entschie¬
denheit aufzuprägen.

Aus den spärlichen Nachrichten über die Grafen von Zollern vor ihrer
Ernennung zu Burggrafen kann man doch so viel erkennen, daß sie sich schon
>n dieser Zeit durch treues Festhalten am Reich und seinem erkornen Ober¬
haupt vor andern Fürsten vortheilhaft auszeichneten. Sie standen 1l6i auf
Seite der Ghibellinen gegen die Welsen, folgten dem Kaiser Rothbart

W das gelobte Land; die Thatsache, baß ihnen bald daraus die Burggrafschaft
übertragen wurde, ein Amt, welches der Kaiser nur einem erprobten Anhänger
anvertrauen konnte, ergänzt die dürftigen Notizen aus jener Zeit und beweist,
daß der Eifer für die Macht uno das Ansehn des Reichsoberhauptes den Burg¬
grafen bereits eine ererbte Familicnp vlitik war.

Wenn sie ihr treu blieben, so lange sich noch ein Schimmer von Hoffnung
^'>gte, daß die Idee des Reichs die territorialen Gelüste würde überwinden
können, so hielt sie außer dem erwähnten Umstände noch ein anderer, nicht
Binder wichtiger, in der nationalen Richtung fest: die Natur ihres neuen Amts,


tief zerrüttet waren, wurde als eine gemeinsame Gefahr für deutsches Wesen
empfunden. „Wenn je, so war es jetzt Noth, daß dort in dem alten Marken¬
gebiet ein neuer sichrer Wall gegen Osten errichtet würde. Dem verwilderten
Zustand dort mußte ein Ende gemacht, es mußte eine zusammengefaßte mili¬
tärische Kraft dort,hergestellt, es mußte die seit Markgraf Waldemars Tod
versäumte Bedeutung jenes Gebiets erneut werden. Sigismund gab den Hohen-
zollern die Markgrafschaft."

So wurden die deutschen Lande im Osten der Elbe zweimal gerettet, weil
der Gedanke wieder lebendig wurde, der die Marken als Schirm und Aus¬
gangspunkt deutschen Wesens gegen die slawische Ueberflutung begründet hatte.
Dieses Lebensprincip der brandenburgischen Herrschaft war selbst inmitten des
tiefsten Verfalls und allgemeiner Verwesung unangetastet geblieben; es war
kräftig genug geblieben, im Nordosten die deutsche Herrschaft zu einer Zeit auf¬
recht zu erhalten, als daS Reich im Westen und Süden bereits die schönsten
Provinzen eingebüßt hatte.

Mit den Burggrafen von Nürnberg wurde eine andere wichtige Idee nach
den Marken verpflanzt und verlieh diesen Landschaften eine erhöhte Bedeutung.
Seit den Tagen der Hohenstaufen konnte man sagen, daß die Idee des Reichs
Und der Neichsobrigkeit in den Burggrafen von Nürnberg ihre tüchtigsten Re¬
präsentanten, ihre stets bereiten Vorkämpfer fand; ja es war lediglich vie treue
Pflege dieser Idee, durch die das Geschlecht der Hohenzollern groß geworden
ist. Droysen hat das Verdienst, diese wichtige Thatsache urkundlich und un-
widerleglich nachgewiesen und psychologisch begründet zu haben; es ist der
schönste und anziehendste Theil seines 'Werkes. Zwei Momente wirkten zu¬
sammen, der Politik der Burggrafen diesen nationalen Charakter mit Entschie¬
denheit aufzuprägen.

Aus den spärlichen Nachrichten über die Grafen von Zollern vor ihrer
Ernennung zu Burggrafen kann man doch so viel erkennen, daß sie sich schon
>n dieser Zeit durch treues Festhalten am Reich und seinem erkornen Ober¬
haupt vor andern Fürsten vortheilhaft auszeichneten. Sie standen 1l6i auf
Seite der Ghibellinen gegen die Welsen, folgten dem Kaiser Rothbart

W das gelobte Land; die Thatsache, baß ihnen bald daraus die Burggrafschaft
übertragen wurde, ein Amt, welches der Kaiser nur einem erprobten Anhänger
anvertrauen konnte, ergänzt die dürftigen Notizen aus jener Zeit und beweist,
daß der Eifer für die Macht uno das Ansehn des Reichsoberhauptes den Burg¬
grafen bereits eine ererbte Familicnp vlitik war.

Wenn sie ihr treu blieben, so lange sich noch ein Schimmer von Hoffnung
^'>gte, daß die Idee des Reichs die territorialen Gelüste würde überwinden
können, so hielt sie außer dem erwähnten Umstände noch ein anderer, nicht
Binder wichtiger, in der nationalen Richtung fest: die Natur ihres neuen Amts,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/413>, abgerufen am 15.01.2025.