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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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in Erstaunen setzen. ^ Die Sache scheint unglaublich. Sie könnte in einem
komischen Roman, der in Bühnen oder Schilda spielte, als zu kühne poetische
Licenz erscheinen. Aber man hüte sich dabei an irgendwelche Entstellung
oder Uebertreibung der Thatsachen zu denken. Die Quelle, aus der das
Referat floß, strömt im Schatten keiner Partei, und sie lieferte die ungefärbte
Wahrheit. Nähert diese sich, hier der Grenze des Unmöglichen, so ist
das weder meine Schuld, noch die irgendeines andern, mit alleiniger Aus¬
nahme des Herrn Hardesvogts, Kammerjunkers von Riis und seines
Actuars.

Ein Hufner im Dorfe Tweed hatte auf seinem Grund und Boden eine
sogenannte Käthe (d. i. kleine Bauernstelle) ausgelegt, um einen Knecht für
langjährige treue Dienste zu belohnen und ihn zugleich dauernd an die Hufe
zu fesseln. Unter den Bestimmungen des Kaufhandels war unter andern die
Bedingung enthalten, die stipulirte Kaufsumme (1000 Mark Courant) solle un-
berichtigt bleiben, die fragliche Käthe aber nach Abgang des gegenwärtigen
Käufers für die nämliche Summe wieder an den Verkäufer oder dessen Nach¬
folger zurückfallen. Im Jahre , kurze Zeit nach erfolgtem Antritt des
kleinen Besitzes, ging der Käufer, ohne directe Erben zu hinterlassen, mit Tode
ab, und nun entspann sich in Betreff des vorhandenen Nachlasses das im
Nachstehenden beschriebene, originelle Verfahren. Der Verblichene hatte, mit
Ausnahme der erwähnten unberichtigt gebliebenen Kaufsumme von 1000 Mark
Courant, im strengsten Sinne keine Schulden gehabt, andererseits aber ebenso¬
wenig ein actives Vermögen hinterlassen, so daß, da die in Rede stehende
Kathenstelle für den ursprünglichen Betrag der Kaufsumme an den Verkäufer
zurückfallen mußte, eine eigentliche Masse durchaus nicht eristirte. Formelle
Rechtsfragen, welche zu einer gerichtlichen Procedur hätten Veranlassung geben
können, lagen nicht vor, da die in Betracht kommenden etwaigen Seitencrben
sämmtlich mündig waren, das contractliche Verhältniß hinsichtlich der wiederholt
genannten Kathenstelle aber sich so stellte, daß eS den Umständen nach lediglich
einer einfachen Adjudicationsacte bedürfte, um deren Rückfall an den anfangs
erwähnten Hufner zu bewirken.

Diese vorläufigen Bemerkungen werden hinreichen, die von der beikom¬
menden Behörde befolgte sinnreiche Methode sowol in Beziehung auf die
juristische Behandlung des Falles, als auch in Bezug aus die Ausbeutung
des Kostenpunktes selbst für nichrjuristische Leser gebührend ins Licht zu
setzen.

Nachdem die Anzeige deS erwähnten Todesfalls erfolgt war, hatte sich die
Behörde zuvörderst der Aufgabe zu unterziehen, die etwaigen Erben zu ermit¬
teln. Diese waren an Ort und Stelle anwesend, jedem Kinde bekannt und
deshalb ebenso leicht zu erfragen, als die in Betracht kommenden Verwandt-


in Erstaunen setzen. ^ Die Sache scheint unglaublich. Sie könnte in einem
komischen Roman, der in Bühnen oder Schilda spielte, als zu kühne poetische
Licenz erscheinen. Aber man hüte sich dabei an irgendwelche Entstellung
oder Uebertreibung der Thatsachen zu denken. Die Quelle, aus der das
Referat floß, strömt im Schatten keiner Partei, und sie lieferte die ungefärbte
Wahrheit. Nähert diese sich, hier der Grenze des Unmöglichen, so ist
das weder meine Schuld, noch die irgendeines andern, mit alleiniger Aus¬
nahme des Herrn Hardesvogts, Kammerjunkers von Riis und seines
Actuars.

Ein Hufner im Dorfe Tweed hatte auf seinem Grund und Boden eine
sogenannte Käthe (d. i. kleine Bauernstelle) ausgelegt, um einen Knecht für
langjährige treue Dienste zu belohnen und ihn zugleich dauernd an die Hufe
zu fesseln. Unter den Bestimmungen des Kaufhandels war unter andern die
Bedingung enthalten, die stipulirte Kaufsumme (1000 Mark Courant) solle un-
berichtigt bleiben, die fragliche Käthe aber nach Abgang des gegenwärtigen
Käufers für die nämliche Summe wieder an den Verkäufer oder dessen Nach¬
folger zurückfallen. Im Jahre , kurze Zeit nach erfolgtem Antritt des
kleinen Besitzes, ging der Käufer, ohne directe Erben zu hinterlassen, mit Tode
ab, und nun entspann sich in Betreff des vorhandenen Nachlasses das im
Nachstehenden beschriebene, originelle Verfahren. Der Verblichene hatte, mit
Ausnahme der erwähnten unberichtigt gebliebenen Kaufsumme von 1000 Mark
Courant, im strengsten Sinne keine Schulden gehabt, andererseits aber ebenso¬
wenig ein actives Vermögen hinterlassen, so daß, da die in Rede stehende
Kathenstelle für den ursprünglichen Betrag der Kaufsumme an den Verkäufer
zurückfallen mußte, eine eigentliche Masse durchaus nicht eristirte. Formelle
Rechtsfragen, welche zu einer gerichtlichen Procedur hätten Veranlassung geben
können, lagen nicht vor, da die in Betracht kommenden etwaigen Seitencrben
sämmtlich mündig waren, das contractliche Verhältniß hinsichtlich der wiederholt
genannten Kathenstelle aber sich so stellte, daß eS den Umständen nach lediglich
einer einfachen Adjudicationsacte bedürfte, um deren Rückfall an den anfangs
erwähnten Hufner zu bewirken.

Diese vorläufigen Bemerkungen werden hinreichen, die von der beikom¬
menden Behörde befolgte sinnreiche Methode sowol in Beziehung auf die
juristische Behandlung des Falles, als auch in Bezug aus die Ausbeutung
des Kostenpunktes selbst für nichrjuristische Leser gebührend ins Licht zu
setzen.

Nachdem die Anzeige deS erwähnten Todesfalls erfolgt war, hatte sich die
Behörde zuvörderst der Aufgabe zu unterziehen, die etwaigen Erben zu ermit¬
teln. Diese waren an Ort und Stelle anwesend, jedem Kinde bekannt und
deshalb ebenso leicht zu erfragen, als die in Betracht kommenden Verwandt-


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[0399] in Erstaunen setzen. ^ Die Sache scheint unglaublich. Sie könnte in einem komischen Roman, der in Bühnen oder Schilda spielte, als zu kühne poetische Licenz erscheinen. Aber man hüte sich dabei an irgendwelche Entstellung oder Uebertreibung der Thatsachen zu denken. Die Quelle, aus der das Referat floß, strömt im Schatten keiner Partei, und sie lieferte die ungefärbte Wahrheit. Nähert diese sich, hier der Grenze des Unmöglichen, so ist das weder meine Schuld, noch die irgendeines andern, mit alleiniger Aus¬ nahme des Herrn Hardesvogts, Kammerjunkers von Riis und seines Actuars. Ein Hufner im Dorfe Tweed hatte auf seinem Grund und Boden eine sogenannte Käthe (d. i. kleine Bauernstelle) ausgelegt, um einen Knecht für langjährige treue Dienste zu belohnen und ihn zugleich dauernd an die Hufe zu fesseln. Unter den Bestimmungen des Kaufhandels war unter andern die Bedingung enthalten, die stipulirte Kaufsumme (1000 Mark Courant) solle un- berichtigt bleiben, die fragliche Käthe aber nach Abgang des gegenwärtigen Käufers für die nämliche Summe wieder an den Verkäufer oder dessen Nach¬ folger zurückfallen. Im Jahre , kurze Zeit nach erfolgtem Antritt des kleinen Besitzes, ging der Käufer, ohne directe Erben zu hinterlassen, mit Tode ab, und nun entspann sich in Betreff des vorhandenen Nachlasses das im Nachstehenden beschriebene, originelle Verfahren. Der Verblichene hatte, mit Ausnahme der erwähnten unberichtigt gebliebenen Kaufsumme von 1000 Mark Courant, im strengsten Sinne keine Schulden gehabt, andererseits aber ebenso¬ wenig ein actives Vermögen hinterlassen, so daß, da die in Rede stehende Kathenstelle für den ursprünglichen Betrag der Kaufsumme an den Verkäufer zurückfallen mußte, eine eigentliche Masse durchaus nicht eristirte. Formelle Rechtsfragen, welche zu einer gerichtlichen Procedur hätten Veranlassung geben können, lagen nicht vor, da die in Betracht kommenden etwaigen Seitencrben sämmtlich mündig waren, das contractliche Verhältniß hinsichtlich der wiederholt genannten Kathenstelle aber sich so stellte, daß eS den Umständen nach lediglich einer einfachen Adjudicationsacte bedürfte, um deren Rückfall an den anfangs erwähnten Hufner zu bewirken. Diese vorläufigen Bemerkungen werden hinreichen, die von der beikom¬ menden Behörde befolgte sinnreiche Methode sowol in Beziehung auf die juristische Behandlung des Falles, als auch in Bezug aus die Ausbeutung des Kostenpunktes selbst für nichrjuristische Leser gebührend ins Licht zu setzen. Nachdem die Anzeige deS erwähnten Todesfalls erfolgt war, hatte sich die Behörde zuvörderst der Aufgabe zu unterziehen, die etwaigen Erben zu ermit¬ teln. Diese waren an Ort und Stelle anwesend, jedem Kinde bekannt und deshalb ebenso leicht zu erfragen, als die in Betracht kommenden Verwandt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/399>, abgerufen am 02.10.2024.