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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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dieser Schwiegersohn, der schon einige Wochen nach der Hochzeit Vaterfreuden
erlebte, ein Amtsbruder seines Schwiegervaters war? Und was meinen sie von
'einer kirchlichen Oberbehörde, welche, im Angesicht der Stadt Schleswig, einen
Geistlichen im Amte duldet, dem, wie diesem Seelenhirten in seinem Kirchspiel,
auch nach seiner Verheirathung nachgesagt wird, ehrbare Bauernweiber scheuten,
sich, der von ihm beliebten schmuzigen Gespräche halber, mit ihm nach der
Filialkirche zu fahren -- ganz abgesehen davon, daß er infolge seiner Thätig¬
keit während des Kriegs, wo er als Candidat dem dänischen Heere Material¬
waren, namentlich Cigarren, verkaufte, den Spitznamen "der Marketender" be¬
kommen hat. --

, Daß der Pastor in Bock auf das bereitwilligste alles vollzieht, was ihm
von oben herab insinuirt wird, versteht sich von selbst, da er in allen An¬
gelegenheiten von seiner Frau abhängt und diese entschieden dänisch ge-'
sinnt ist.

Besser war anfangs sein Nachbar, der Pfarrer Jespcrsen in Norderbrarup,
ein geborner Nordschleswiger. Sein Kirchspiel gehört, wie Bock, zu den sogenann¬
ten gemischten Districten, wo infolge des Sprachedicts abwechselnd einen Sonn¬
tag deutsch und den andern dänisch gepredigt werden soll. Da sich zu der dänischen
Predigt fast gar niemand einfinden wollte^ so redete der Pastor an den betreffen¬
den Tagen bisweilen deutsch. Seine Collegen machten ihm indeß sehr bald
Vorstellungen über diese Accommodation, er ließ sich bekehren, und jetzt soll er'
einer der Eifrigsten im Danisiren sein.

Am letzten Palmsonntage confirmirte er die Kinder seiner Gemeinde auf
dänisch, obwol die Eltern für die Handlung die deutsche Sprache verlangt
hatten, die sie allein verstehen. Nach dem Ministerialschreiben vom 5. März 183-1,
welches nach dem neuen Verfassungsgesetz für das Herzogthum Schleswig vom
-10. Februar für die Kirchen- und Schulsprache maßgebend sein soll, ist
jede gottesdienstliche Handlung, mit alleiniger Ausnahme der Sonntag um
Sonntag wechselnden bald deutschen, bald dänischen Predigt,, in der Sprache
vorzunehmen, welche die Betheiligten verlangen. Dahin gehört außer den
Taufen, Trauungen, Beerdigungen und der Communion auch die Confirmation.
Der Pastor hat indeß, in Uebereinstimmung mit seinen Collegen, erklärt, er
müsse infolge höherer Weisungen die Ceremonie dänisch vollziehen. Als die
Mehrzahl der betheiligten Väter sich hierauf an das Visitatorium wandte und
Aufhebung jener Weisungen verlangte, berichtete der Pastor, es sei bloser
Eigensinn von den Leuten, sie sowol als die Kinder verständen sehr gut dänisch.
Ein sehr verständiger und glaubwürdiger Hufner, der dies erzählte, bemerkte
dagegen, daß die Kinder vom Dänischen in der Schule sich so gut wie nichts
angeeignet, sondern blos einige Sprüche und Phrasen in dieser Sprache aus¬
wendig gelernt hätten, und daß von Hen Erwachsenen in diesem wie in den


dieser Schwiegersohn, der schon einige Wochen nach der Hochzeit Vaterfreuden
erlebte, ein Amtsbruder seines Schwiegervaters war? Und was meinen sie von
'einer kirchlichen Oberbehörde, welche, im Angesicht der Stadt Schleswig, einen
Geistlichen im Amte duldet, dem, wie diesem Seelenhirten in seinem Kirchspiel,
auch nach seiner Verheirathung nachgesagt wird, ehrbare Bauernweiber scheuten,
sich, der von ihm beliebten schmuzigen Gespräche halber, mit ihm nach der
Filialkirche zu fahren — ganz abgesehen davon, daß er infolge seiner Thätig¬
keit während des Kriegs, wo er als Candidat dem dänischen Heere Material¬
waren, namentlich Cigarren, verkaufte, den Spitznamen „der Marketender" be¬
kommen hat. —

, Daß der Pastor in Bock auf das bereitwilligste alles vollzieht, was ihm
von oben herab insinuirt wird, versteht sich von selbst, da er in allen An¬
gelegenheiten von seiner Frau abhängt und diese entschieden dänisch ge-'
sinnt ist.

Besser war anfangs sein Nachbar, der Pfarrer Jespcrsen in Norderbrarup,
ein geborner Nordschleswiger. Sein Kirchspiel gehört, wie Bock, zu den sogenann¬
ten gemischten Districten, wo infolge des Sprachedicts abwechselnd einen Sonn¬
tag deutsch und den andern dänisch gepredigt werden soll. Da sich zu der dänischen
Predigt fast gar niemand einfinden wollte^ so redete der Pastor an den betreffen¬
den Tagen bisweilen deutsch. Seine Collegen machten ihm indeß sehr bald
Vorstellungen über diese Accommodation, er ließ sich bekehren, und jetzt soll er'
einer der Eifrigsten im Danisiren sein.

Am letzten Palmsonntage confirmirte er die Kinder seiner Gemeinde auf
dänisch, obwol die Eltern für die Handlung die deutsche Sprache verlangt
hatten, die sie allein verstehen. Nach dem Ministerialschreiben vom 5. März 183-1,
welches nach dem neuen Verfassungsgesetz für das Herzogthum Schleswig vom
-10. Februar für die Kirchen- und Schulsprache maßgebend sein soll, ist
jede gottesdienstliche Handlung, mit alleiniger Ausnahme der Sonntag um
Sonntag wechselnden bald deutschen, bald dänischen Predigt,, in der Sprache
vorzunehmen, welche die Betheiligten verlangen. Dahin gehört außer den
Taufen, Trauungen, Beerdigungen und der Communion auch die Confirmation.
Der Pastor hat indeß, in Uebereinstimmung mit seinen Collegen, erklärt, er
müsse infolge höherer Weisungen die Ceremonie dänisch vollziehen. Als die
Mehrzahl der betheiligten Väter sich hierauf an das Visitatorium wandte und
Aufhebung jener Weisungen verlangte, berichtete der Pastor, es sei bloser
Eigensinn von den Leuten, sie sowol als die Kinder verständen sehr gut dänisch.
Ein sehr verständiger und glaubwürdiger Hufner, der dies erzählte, bemerkte
dagegen, daß die Kinder vom Dänischen in der Schule sich so gut wie nichts
angeeignet, sondern blos einige Sprüche und Phrasen in dieser Sprache aus¬
wendig gelernt hätten, und daß von Hen Erwachsenen in diesem wie in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/396>, abgerufen am 02.10.2024.