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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Der Maler wußte, was er gethan. Der Dichter kann unsrer Einbildungs¬
kraft zumuthen, uns den schrecklichen Contrast auszumalen, der Maler durfte
das nicht wagen, sein Bild würde sonst einen widerlichen oder lächerlichen
Eindruck gemacht haben. Die Harmonie, die zwischen der Umgebung und dem
Drama herrscht, ist nicht blos eine coloristische -- sie allein kann uns mit diesem
Gegenstande versöhnen. Byron selbst würde dem Maler und sich Glück ge¬
wünscht haben, daß jener ihn so aufgefaßt habe. Daß Deläcroir dem Dichter
in den gewagtesten Schilderungen zu folgen im Stande sei, wenn er als Maler
sich ihm ganz zur Seite stellen kann, das hat er in der Dantebarke bewiesen.
Aufrechtsteheud und an Virgil gelehnt, blickt der Ghibelline auf das ihn umge¬
bende Schauspiel. Er erkennt mit Entsetzen in den Ungeheuern, welche sich
vergebens in die Barke hineinzuschwingen suchen, und nach krampfhaftem
Kampfe wieder in die See, hinabsteigen, verruchte Florentiner. Phlcgias,
der Feige, rudert kräftig den gewohnten Weg und seine dunkle Gestalt
von des Himmels Flammen von Rauchwolken umhüllt, gibt der Theilnahme des
neben ihm stehenden Paares ein mächtig wirkendes Relief. Virgil wird ge¬
schildert wie ihn nur das verehrende Auge Dantes gesehen. Das Gedicht
verschwindet vor dieser Wirklichkeit, wir werden ergriffen wie von einem Er¬
lebnisse.

Es wird dem Worte schwer, den Zauber auszusprechen, der Delacroirs Ge¬
mälde umschließt. Er allein unter den Franzosen versteht es, durch die dra¬
matische Bewegung und durch die Harmonie der Farbe zugleich zu bewegen.
Alles, was er berührt, wird zum Kunstwerke, er mag nun einen Korb mit
Blumen auf einen Rasen umstürzen oder eine Schlacht darstellen. Er wirkt
durch das Ganze und wir werden gleichgiltig gegen vergriffene Details oder
Zeichnensehler. Wir werden stets bewegt und unser Empfinden wird jedes Mal
in die vom Maler bezweckte Stimmung versetzt. Deläcroir hat nun einmal
die Ueberzeugung eines Rubens, eines Veronese, eines Correggio, daß der Maler
zunächst durch die Farbe spricht, wie der Musiker durch den Ton. Es küm¬
mert ihn wenig, wenn die Kritiker sagen, daß er keine regelrechten Kompositio¬
nen mache, daß er male wie der Teufel, den er im Leibe habe, daß seine
Phantasie mit ihm'aufreiße -- sie haben Beethoven auch vorgeworfen, daß
er keine regelrechte Fuge zu componiren im Stande sei; die Nachwelt wird
ihm diese Sünde verzeihen, wie dem deutschen Musiker auch. Deläcroir hat
überhaupt einige Verwandtschaft mit Beethoven, er kümmert sich wenig um
Dissonanzen, wenn nur oaS Ganze harmonisch ist. -- Darum geschieht es ihm


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Der Maler wußte, was er gethan. Der Dichter kann unsrer Einbildungs¬
kraft zumuthen, uns den schrecklichen Contrast auszumalen, der Maler durfte
das nicht wagen, sein Bild würde sonst einen widerlichen oder lächerlichen
Eindruck gemacht haben. Die Harmonie, die zwischen der Umgebung und dem
Drama herrscht, ist nicht blos eine coloristische — sie allein kann uns mit diesem
Gegenstande versöhnen. Byron selbst würde dem Maler und sich Glück ge¬
wünscht haben, daß jener ihn so aufgefaßt habe. Daß Deläcroir dem Dichter
in den gewagtesten Schilderungen zu folgen im Stande sei, wenn er als Maler
sich ihm ganz zur Seite stellen kann, das hat er in der Dantebarke bewiesen.
Aufrechtsteheud und an Virgil gelehnt, blickt der Ghibelline auf das ihn umge¬
bende Schauspiel. Er erkennt mit Entsetzen in den Ungeheuern, welche sich
vergebens in die Barke hineinzuschwingen suchen, und nach krampfhaftem
Kampfe wieder in die See, hinabsteigen, verruchte Florentiner. Phlcgias,
der Feige, rudert kräftig den gewohnten Weg und seine dunkle Gestalt
von des Himmels Flammen von Rauchwolken umhüllt, gibt der Theilnahme des
neben ihm stehenden Paares ein mächtig wirkendes Relief. Virgil wird ge¬
schildert wie ihn nur das verehrende Auge Dantes gesehen. Das Gedicht
verschwindet vor dieser Wirklichkeit, wir werden ergriffen wie von einem Er¬
lebnisse.

Es wird dem Worte schwer, den Zauber auszusprechen, der Delacroirs Ge¬
mälde umschließt. Er allein unter den Franzosen versteht es, durch die dra¬
matische Bewegung und durch die Harmonie der Farbe zugleich zu bewegen.
Alles, was er berührt, wird zum Kunstwerke, er mag nun einen Korb mit
Blumen auf einen Rasen umstürzen oder eine Schlacht darstellen. Er wirkt
durch das Ganze und wir werden gleichgiltig gegen vergriffene Details oder
Zeichnensehler. Wir werden stets bewegt und unser Empfinden wird jedes Mal
in die vom Maler bezweckte Stimmung versetzt. Deläcroir hat nun einmal
die Ueberzeugung eines Rubens, eines Veronese, eines Correggio, daß der Maler
zunächst durch die Farbe spricht, wie der Musiker durch den Ton. Es küm¬
mert ihn wenig, wenn die Kritiker sagen, daß er keine regelrechten Kompositio¬
nen mache, daß er male wie der Teufel, den er im Leibe habe, daß seine
Phantasie mit ihm'aufreiße — sie haben Beethoven auch vorgeworfen, daß
er keine regelrechte Fuge zu componiren im Stande sei; die Nachwelt wird
ihm diese Sünde verzeihen, wie dem deutschen Musiker auch. Deläcroir hat
überhaupt einige Verwandtschaft mit Beethoven, er kümmert sich wenig um
Dissonanzen, wenn nur oaS Ganze harmonisch ist. — Darum geschieht es ihm


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[0320] Und weiter: l'Ile 8«VLINK ä»v sud ne> wircl — the durninA SUN Lu-jlen uncl sllorcl>'l.l uiulz slugniiiN an I^Iio 'l'bev tuo likiz oui'e»8hos — > Der Maler wußte, was er gethan. Der Dichter kann unsrer Einbildungs¬ kraft zumuthen, uns den schrecklichen Contrast auszumalen, der Maler durfte das nicht wagen, sein Bild würde sonst einen widerlichen oder lächerlichen Eindruck gemacht haben. Die Harmonie, die zwischen der Umgebung und dem Drama herrscht, ist nicht blos eine coloristische — sie allein kann uns mit diesem Gegenstande versöhnen. Byron selbst würde dem Maler und sich Glück ge¬ wünscht haben, daß jener ihn so aufgefaßt habe. Daß Deläcroir dem Dichter in den gewagtesten Schilderungen zu folgen im Stande sei, wenn er als Maler sich ihm ganz zur Seite stellen kann, das hat er in der Dantebarke bewiesen. Aufrechtsteheud und an Virgil gelehnt, blickt der Ghibelline auf das ihn umge¬ bende Schauspiel. Er erkennt mit Entsetzen in den Ungeheuern, welche sich vergebens in die Barke hineinzuschwingen suchen, und nach krampfhaftem Kampfe wieder in die See, hinabsteigen, verruchte Florentiner. Phlcgias, der Feige, rudert kräftig den gewohnten Weg und seine dunkle Gestalt von des Himmels Flammen von Rauchwolken umhüllt, gibt der Theilnahme des neben ihm stehenden Paares ein mächtig wirkendes Relief. Virgil wird ge¬ schildert wie ihn nur das verehrende Auge Dantes gesehen. Das Gedicht verschwindet vor dieser Wirklichkeit, wir werden ergriffen wie von einem Er¬ lebnisse. Es wird dem Worte schwer, den Zauber auszusprechen, der Delacroirs Ge¬ mälde umschließt. Er allein unter den Franzosen versteht es, durch die dra¬ matische Bewegung und durch die Harmonie der Farbe zugleich zu bewegen. Alles, was er berührt, wird zum Kunstwerke, er mag nun einen Korb mit Blumen auf einen Rasen umstürzen oder eine Schlacht darstellen. Er wirkt durch das Ganze und wir werden gleichgiltig gegen vergriffene Details oder Zeichnensehler. Wir werden stets bewegt und unser Empfinden wird jedes Mal in die vom Maler bezweckte Stimmung versetzt. Deläcroir hat nun einmal die Ueberzeugung eines Rubens, eines Veronese, eines Correggio, daß der Maler zunächst durch die Farbe spricht, wie der Musiker durch den Ton. Es küm¬ mert ihn wenig, wenn die Kritiker sagen, daß er keine regelrechten Kompositio¬ nen mache, daß er male wie der Teufel, den er im Leibe habe, daß seine Phantasie mit ihm'aufreiße — sie haben Beethoven auch vorgeworfen, daß er keine regelrechte Fuge zu componiren im Stande sei; die Nachwelt wird ihm diese Sünde verzeihen, wie dem deutschen Musiker auch. Deläcroir hat überhaupt einige Verwandtschaft mit Beethoven, er kümmert sich wenig um Dissonanzen, wenn nur oaS Ganze harmonisch ist. — Darum geschieht es ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/320>, abgerufen am 22.07.2024.