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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Die Frau des Hardesvogt von Staffeld, eines ausgezeichneten Ignoranten,
dem es nur unter Tillischs Verwaltung gelingen konnte, eine Stellung, wie
die von ihm bekleidete, zu erlangen, sandte im vorigen Jahr ihr Dienstmäd¬
chen zu dem Kaufmann A, Nielson in Schleswig, um etwas einzukaufen. Auf
die Frage, wieviel es koste, antwortete die Ladenmamsell, 31 Schilling Reichs¬
münze. Das Mädchen erkundigte sich, wieviel das nach dem alten Gelde
mache und die Befragte erwiderte: Grade eine Mark. Als die Magd heim kommt,
fragt die Frau Hardesvogtin, was der Preis sei. Die Antwort lautet, eine
Mark. "Eine Mark?" sagt der Hardesvogt, der zugegen ist. "Was für eine
Marks" -- ""Nun, eine Mark Courant,"" entgegnete die Dirne. Darauf hat
der Herr Hardesvogt, der froh gewesen sein mag, seinen gesetzlichen Sinn ein¬
mal in recht eclatanten Grade bethätigen zu können, nichts Eiligeres zu thun,
als die Verkäuferin und seine eigne Magd bei der Polizei zu denunciren,
welche jede der beiden Verbrecherinnen in vier Reichsthaler Brüche verurtheilt,
die eine, weil sie erklärt, wieviel ö-I Schillinge Neichsmünze in Couran^t be¬
trüge, die andre, weil sie dies zu Hause berichtet habe.

Fast genau ebenso wie der Kammerjunker und Hardesvogt*) verfuhr ein
Capitän, dessen Name mir entfallen ist, mit einem Holzhändler, ,der ihm Brenn¬
holz lieferte und dessen Knecht, der es gefahren, und es ließen sich wie ge¬
sagt überhaupt noch manche Beispiele für die Bereitwilligkeit beibringen, mit
welcher auch Personen der höhern Stände -- natürlich nur dänisch gesinnte
sich in der Eigenschaft von Spähern und Angebern hervorthun. Es ist aber
genug der Elendigkeit aufgedeckt und ich kann zu einem andern, freilich ebenso
unerquicklichen Capitel übergehen.

Ich habe mir im Vorigen erlaubt, den Hardesvogt von Staffeld als
einen Ignoranten zu bezeichnen. Es thut mir leid, nach den von mir an ver¬
schiedenen Orten eingezogenen Erkundigungen von der Mehrzahl der Hardes-
vögte und Actuare des Amtes Gottorp ein Gleiches sagen und hinzufügen zu
müssen, daß diejenigen, welche dieser Vorwurf nicht trifft, dem schwereren ver¬
sallen, im Punkte der Ehrenhaftigkeit keine reine Wäsche zu haben. Die
eigne Partei weiß das, auch der Negierung kann es nicht unbekannt geblieben
sein. Allein man war unter Tillisch, als fast alle intelligenten und alle an¬
ständigen Beamten der Statthalterschaft gefolgt waren, in der Lage, jeden
auch nur' einigermaßen verwendbaren Juristen, der sich anbot, mit einem Amte
bedenken zu müssen. Die Untauglichen später zu entlassen, war unthunlich;
auch hatten sich dieselben durch Zeichen von Ergebenheit gegen die Regierung
um diese verdient gemacht, und so ist die Justiz und die Verwaltung im ganzen



Die HardeSvögte sind die Polizeibeamten, alleinige Justizbeamte in allen vom ordent¬
lichen Nechtsgange aufgenommenen Sachen und führen den Vorsitz in den ordentlichen Unter¬
gerichten.
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Die Frau des Hardesvogt von Staffeld, eines ausgezeichneten Ignoranten,
dem es nur unter Tillischs Verwaltung gelingen konnte, eine Stellung, wie
die von ihm bekleidete, zu erlangen, sandte im vorigen Jahr ihr Dienstmäd¬
chen zu dem Kaufmann A, Nielson in Schleswig, um etwas einzukaufen. Auf
die Frage, wieviel es koste, antwortete die Ladenmamsell, 31 Schilling Reichs¬
münze. Das Mädchen erkundigte sich, wieviel das nach dem alten Gelde
mache und die Befragte erwiderte: Grade eine Mark. Als die Magd heim kommt,
fragt die Frau Hardesvogtin, was der Preis sei. Die Antwort lautet, eine
Mark. „Eine Mark?" sagt der Hardesvogt, der zugegen ist. „Was für eine
Marks" — „„Nun, eine Mark Courant,"" entgegnete die Dirne. Darauf hat
der Herr Hardesvogt, der froh gewesen sein mag, seinen gesetzlichen Sinn ein¬
mal in recht eclatanten Grade bethätigen zu können, nichts Eiligeres zu thun,
als die Verkäuferin und seine eigne Magd bei der Polizei zu denunciren,
welche jede der beiden Verbrecherinnen in vier Reichsthaler Brüche verurtheilt,
die eine, weil sie erklärt, wieviel ö-I Schillinge Neichsmünze in Couran^t be¬
trüge, die andre, weil sie dies zu Hause berichtet habe.

Fast genau ebenso wie der Kammerjunker und Hardesvogt*) verfuhr ein
Capitän, dessen Name mir entfallen ist, mit einem Holzhändler, ,der ihm Brenn¬
holz lieferte und dessen Knecht, der es gefahren, und es ließen sich wie ge¬
sagt überhaupt noch manche Beispiele für die Bereitwilligkeit beibringen, mit
welcher auch Personen der höhern Stände — natürlich nur dänisch gesinnte
sich in der Eigenschaft von Spähern und Angebern hervorthun. Es ist aber
genug der Elendigkeit aufgedeckt und ich kann zu einem andern, freilich ebenso
unerquicklichen Capitel übergehen.

Ich habe mir im Vorigen erlaubt, den Hardesvogt von Staffeld als
einen Ignoranten zu bezeichnen. Es thut mir leid, nach den von mir an ver¬
schiedenen Orten eingezogenen Erkundigungen von der Mehrzahl der Hardes-
vögte und Actuare des Amtes Gottorp ein Gleiches sagen und hinzufügen zu
müssen, daß diejenigen, welche dieser Vorwurf nicht trifft, dem schwereren ver¬
sallen, im Punkte der Ehrenhaftigkeit keine reine Wäsche zu haben. Die
eigne Partei weiß das, auch der Negierung kann es nicht unbekannt geblieben
sein. Allein man war unter Tillisch, als fast alle intelligenten und alle an¬
ständigen Beamten der Statthalterschaft gefolgt waren, in der Lage, jeden
auch nur' einigermaßen verwendbaren Juristen, der sich anbot, mit einem Amte
bedenken zu müssen. Die Untauglichen später zu entlassen, war unthunlich;
auch hatten sich dieselben durch Zeichen von Ergebenheit gegen die Regierung
um diese verdient gemacht, und so ist die Justiz und die Verwaltung im ganzen



Die HardeSvögte sind die Polizeibeamten, alleinige Justizbeamte in allen vom ordent¬
lichen Nechtsgange aufgenommenen Sachen und führen den Vorsitz in den ordentlichen Unter¬
gerichten.
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[0307] Die Frau des Hardesvogt von Staffeld, eines ausgezeichneten Ignoranten, dem es nur unter Tillischs Verwaltung gelingen konnte, eine Stellung, wie die von ihm bekleidete, zu erlangen, sandte im vorigen Jahr ihr Dienstmäd¬ chen zu dem Kaufmann A, Nielson in Schleswig, um etwas einzukaufen. Auf die Frage, wieviel es koste, antwortete die Ladenmamsell, 31 Schilling Reichs¬ münze. Das Mädchen erkundigte sich, wieviel das nach dem alten Gelde mache und die Befragte erwiderte: Grade eine Mark. Als die Magd heim kommt, fragt die Frau Hardesvogtin, was der Preis sei. Die Antwort lautet, eine Mark. „Eine Mark?" sagt der Hardesvogt, der zugegen ist. „Was für eine Marks" — „„Nun, eine Mark Courant,"" entgegnete die Dirne. Darauf hat der Herr Hardesvogt, der froh gewesen sein mag, seinen gesetzlichen Sinn ein¬ mal in recht eclatanten Grade bethätigen zu können, nichts Eiligeres zu thun, als die Verkäuferin und seine eigne Magd bei der Polizei zu denunciren, welche jede der beiden Verbrecherinnen in vier Reichsthaler Brüche verurtheilt, die eine, weil sie erklärt, wieviel ö-I Schillinge Neichsmünze in Couran^t be¬ trüge, die andre, weil sie dies zu Hause berichtet habe. Fast genau ebenso wie der Kammerjunker und Hardesvogt*) verfuhr ein Capitän, dessen Name mir entfallen ist, mit einem Holzhändler, ,der ihm Brenn¬ holz lieferte und dessen Knecht, der es gefahren, und es ließen sich wie ge¬ sagt überhaupt noch manche Beispiele für die Bereitwilligkeit beibringen, mit welcher auch Personen der höhern Stände — natürlich nur dänisch gesinnte sich in der Eigenschaft von Spähern und Angebern hervorthun. Es ist aber genug der Elendigkeit aufgedeckt und ich kann zu einem andern, freilich ebenso unerquicklichen Capitel übergehen. Ich habe mir im Vorigen erlaubt, den Hardesvogt von Staffeld als einen Ignoranten zu bezeichnen. Es thut mir leid, nach den von mir an ver¬ schiedenen Orten eingezogenen Erkundigungen von der Mehrzahl der Hardes- vögte und Actuare des Amtes Gottorp ein Gleiches sagen und hinzufügen zu müssen, daß diejenigen, welche dieser Vorwurf nicht trifft, dem schwereren ver¬ sallen, im Punkte der Ehrenhaftigkeit keine reine Wäsche zu haben. Die eigne Partei weiß das, auch der Negierung kann es nicht unbekannt geblieben sein. Allein man war unter Tillisch, als fast alle intelligenten und alle an¬ ständigen Beamten der Statthalterschaft gefolgt waren, in der Lage, jeden auch nur' einigermaßen verwendbaren Juristen, der sich anbot, mit einem Amte bedenken zu müssen. Die Untauglichen später zu entlassen, war unthunlich; auch hatten sich dieselben durch Zeichen von Ergebenheit gegen die Regierung um diese verdient gemacht, und so ist die Justiz und die Verwaltung im ganzen Die HardeSvögte sind die Polizeibeamten, alleinige Justizbeamte in allen vom ordent¬ lichen Nechtsgange aufgenommenen Sachen und führen den Vorsitz in den ordentlichen Unter¬ gerichten. 38*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/307>, abgerufen am 23.07.2024.