Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Waare einfach und unbefangen mit "Ein, zwei, fünf oder zehn Schilling" ge¬
antwortet wurde. Dies aber wurde von dänischen Soldaten und Bedienten
der Offiziere-, einige Male von Offizieren selbst, bisweilen auch von schlechten
Subjecten des Civilstandes zu Betrügereien benutzt. Sich stellend, als wüßten
sie nicht, daß der Verkäufer Courantschillinge meinte, legten sie ihm nur soviele
Reichsschillinge hin und bekamen auf diese Manier die Waare für ein Drittel
des Werths, den derselbe im Sinne gehabt halte. Der auf diesem Wege Be¬
schwindelte mußte, um nicht in Strafe zu verfallen, seinenSchaden stillschwei¬
gend tragen und halte noch obendrein Spott davon. Indeß wurden die Leute
zeitig gewitzigt und diese Praris nahm bald ein Ende. Bisweilen auch gelang
es, die, welche mit der Absicht, einen Schlag zu machen, erschienen, mit einer
Tracht Hohn heimzuschicken, bei der man sich über den vorher erlittenen kleinen
Verlust reichlich getröstet fand.

Zwei dänische Offiziere hatten in einer Brauerei Schleswigs der Mann
ein Seidel getrunken und erhielten, arglistig nach dem Preise fragend, der
ihnen doch längst bekannt war, vom Kellner die Antwort: "Zwei Schillinge."
Lächelnd zählten sie zwei Neichsschillinge, die sonst im Verkehr so gut wie gar
nicht vorkommen, aus den Tisch. Die übrigen Gäste machten Miene, sich
darüber zu entrüsten. Aber der Wirth schnitt ihnen das Wort ab. "O kaat
man sie", sagte er. "Ich hab ihnen Bartneigenbier gegeben. Dafür haben
sie genug bezahlt." Daß die Herren nicht wieder kamen, um wohlfeiles Bier
zu trinken, versteht sich von selbst.

Anderswo -- ich weiß nicht, ob in Schleswig selbst -- verlangte ein
Soldat vom Fleischer sür drei Schilling Wurst. Arglos gab ihm der Meister
für drei Courantschillinge und erhielt zu seinem Schrecken drei Neichsschillinge.
Er hütete sich wohl, den Dänen über den vermeintlichen Irrthum aufzuklären.
Eine halbe Stunde darauf war die halbe Compagnie da, um sich mit einem
so billigen Zubiß zu ihrem Commißbrote zu verproviantiren. Aber siehe da,
jetzt waren die Wurstschnitte grade dreimal so klein und dünn, als vorher.
Die getäuschten Kriegsleute fragten ungeberdig, wie das komme. Jens oder
Nils Soundso habe ja mehr gekriegt. Der Schlachter lachte: "Ja, so gehts,
wenn man ein weiches Gemüthe hat. Ich gabs ihm aus Erbarmen, der
arme Teufel sah mir gar so verhungert aus."

Aehnliche Abtrumpfungen kann man allenthalben zu Dutzenden auflesen
und der Bauernwitz übt sich, sie ins Unendliche zu vervielfältigen. Damit hielt
man sich für etwaige Strafen und Verluste schadlos, und wo der Argus der
Polizei seine Augen nicht hatte, blieb es bei der alten Berechnung und es
wird solange bei ihr bleiben, bis man sich zur Ausführung der bisweilen in
inspirirter Blättern auftauchenden Drohungen entschließt, die im Umlaufe be¬
findlichen hanseatischen und mecklenburgischen Schillinge bei Strafe zu verbie-


Grenzbolen. IV. 18Sö. 38

Waare einfach und unbefangen mit „Ein, zwei, fünf oder zehn Schilling" ge¬
antwortet wurde. Dies aber wurde von dänischen Soldaten und Bedienten
der Offiziere-, einige Male von Offizieren selbst, bisweilen auch von schlechten
Subjecten des Civilstandes zu Betrügereien benutzt. Sich stellend, als wüßten
sie nicht, daß der Verkäufer Courantschillinge meinte, legten sie ihm nur soviele
Reichsschillinge hin und bekamen auf diese Manier die Waare für ein Drittel
des Werths, den derselbe im Sinne gehabt halte. Der auf diesem Wege Be¬
schwindelte mußte, um nicht in Strafe zu verfallen, seinenSchaden stillschwei¬
gend tragen und halte noch obendrein Spott davon. Indeß wurden die Leute
zeitig gewitzigt und diese Praris nahm bald ein Ende. Bisweilen auch gelang
es, die, welche mit der Absicht, einen Schlag zu machen, erschienen, mit einer
Tracht Hohn heimzuschicken, bei der man sich über den vorher erlittenen kleinen
Verlust reichlich getröstet fand.

Zwei dänische Offiziere hatten in einer Brauerei Schleswigs der Mann
ein Seidel getrunken und erhielten, arglistig nach dem Preise fragend, der
ihnen doch längst bekannt war, vom Kellner die Antwort: „Zwei Schillinge."
Lächelnd zählten sie zwei Neichsschillinge, die sonst im Verkehr so gut wie gar
nicht vorkommen, aus den Tisch. Die übrigen Gäste machten Miene, sich
darüber zu entrüsten. Aber der Wirth schnitt ihnen das Wort ab. „O kaat
man sie", sagte er. „Ich hab ihnen Bartneigenbier gegeben. Dafür haben
sie genug bezahlt." Daß die Herren nicht wieder kamen, um wohlfeiles Bier
zu trinken, versteht sich von selbst.

Anderswo — ich weiß nicht, ob in Schleswig selbst — verlangte ein
Soldat vom Fleischer sür drei Schilling Wurst. Arglos gab ihm der Meister
für drei Courantschillinge und erhielt zu seinem Schrecken drei Neichsschillinge.
Er hütete sich wohl, den Dänen über den vermeintlichen Irrthum aufzuklären.
Eine halbe Stunde darauf war die halbe Compagnie da, um sich mit einem
so billigen Zubiß zu ihrem Commißbrote zu verproviantiren. Aber siehe da,
jetzt waren die Wurstschnitte grade dreimal so klein und dünn, als vorher.
Die getäuschten Kriegsleute fragten ungeberdig, wie das komme. Jens oder
Nils Soundso habe ja mehr gekriegt. Der Schlachter lachte: „Ja, so gehts,
wenn man ein weiches Gemüthe hat. Ich gabs ihm aus Erbarmen, der
arme Teufel sah mir gar so verhungert aus."

Aehnliche Abtrumpfungen kann man allenthalben zu Dutzenden auflesen
und der Bauernwitz übt sich, sie ins Unendliche zu vervielfältigen. Damit hielt
man sich für etwaige Strafen und Verluste schadlos, und wo der Argus der
Polizei seine Augen nicht hatte, blieb es bei der alten Berechnung und es
wird solange bei ihr bleiben, bis man sich zur Ausführung der bisweilen in
inspirirter Blättern auftauchenden Drohungen entschließt, die im Umlaufe be¬
findlichen hanseatischen und mecklenburgischen Schillinge bei Strafe zu verbie-


Grenzbolen. IV. 18Sö. 38
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100759"/>
            <p xml:id="ID_861" prev="#ID_860"> Waare einfach und unbefangen mit &#x201E;Ein, zwei, fünf oder zehn Schilling" ge¬<lb/>
antwortet wurde. Dies aber wurde von dänischen Soldaten und Bedienten<lb/>
der Offiziere-, einige Male von Offizieren selbst, bisweilen auch von schlechten<lb/>
Subjecten des Civilstandes zu Betrügereien benutzt. Sich stellend, als wüßten<lb/>
sie nicht, daß der Verkäufer Courantschillinge meinte, legten sie ihm nur soviele<lb/>
Reichsschillinge hin und bekamen auf diese Manier die Waare für ein Drittel<lb/>
des Werths, den derselbe im Sinne gehabt halte. Der auf diesem Wege Be¬<lb/>
schwindelte mußte, um nicht in Strafe zu verfallen, seinenSchaden stillschwei¬<lb/>
gend tragen und halte noch obendrein Spott davon. Indeß wurden die Leute<lb/>
zeitig gewitzigt und diese Praris nahm bald ein Ende. Bisweilen auch gelang<lb/>
es, die, welche mit der Absicht, einen Schlag zu machen, erschienen, mit einer<lb/>
Tracht Hohn heimzuschicken, bei der man sich über den vorher erlittenen kleinen<lb/>
Verlust reichlich getröstet fand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_862"> Zwei dänische Offiziere hatten in einer Brauerei Schleswigs der Mann<lb/>
ein Seidel getrunken und erhielten, arglistig nach dem Preise fragend, der<lb/>
ihnen doch längst bekannt war, vom Kellner die Antwort: &#x201E;Zwei Schillinge."<lb/>
Lächelnd zählten sie zwei Neichsschillinge, die sonst im Verkehr so gut wie gar<lb/>
nicht vorkommen, aus den Tisch. Die übrigen Gäste machten Miene, sich<lb/>
darüber zu entrüsten. Aber der Wirth schnitt ihnen das Wort ab. &#x201E;O kaat<lb/>
man sie", sagte er. &#x201E;Ich hab ihnen Bartneigenbier gegeben. Dafür haben<lb/>
sie genug bezahlt." Daß die Herren nicht wieder kamen, um wohlfeiles Bier<lb/>
zu trinken, versteht sich von selbst.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_863"> Anderswo &#x2014; ich weiß nicht, ob in Schleswig selbst &#x2014; verlangte ein<lb/>
Soldat vom Fleischer sür drei Schilling Wurst. Arglos gab ihm der Meister<lb/>
für drei Courantschillinge und erhielt zu seinem Schrecken drei Neichsschillinge.<lb/>
Er hütete sich wohl, den Dänen über den vermeintlichen Irrthum aufzuklären.<lb/>
Eine halbe Stunde darauf war die halbe Compagnie da, um sich mit einem<lb/>
so billigen Zubiß zu ihrem Commißbrote zu verproviantiren. Aber siehe da,<lb/>
jetzt waren die Wurstschnitte grade dreimal so klein und dünn, als vorher.<lb/>
Die getäuschten Kriegsleute fragten ungeberdig, wie das komme. Jens oder<lb/>
Nils Soundso habe ja mehr gekriegt. Der Schlachter lachte: &#x201E;Ja, so gehts,<lb/>
wenn man ein weiches Gemüthe hat. Ich gabs ihm aus Erbarmen, der<lb/>
arme Teufel sah mir gar so verhungert aus."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_864" next="#ID_865"> Aehnliche Abtrumpfungen kann man allenthalben zu Dutzenden auflesen<lb/>
und der Bauernwitz übt sich, sie ins Unendliche zu vervielfältigen. Damit hielt<lb/>
man sich für etwaige Strafen und Verluste schadlos, und wo der Argus der<lb/>
Polizei seine Augen nicht hatte, blieb es bei der alten Berechnung und es<lb/>
wird solange bei ihr bleiben, bis man sich zur Ausführung der bisweilen in<lb/>
inspirirter Blättern auftauchenden Drohungen entschließt, die im Umlaufe be¬<lb/>
findlichen hanseatischen und mecklenburgischen Schillinge bei Strafe zu verbie-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbolen. IV. 18Sö. 38</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0305] Waare einfach und unbefangen mit „Ein, zwei, fünf oder zehn Schilling" ge¬ antwortet wurde. Dies aber wurde von dänischen Soldaten und Bedienten der Offiziere-, einige Male von Offizieren selbst, bisweilen auch von schlechten Subjecten des Civilstandes zu Betrügereien benutzt. Sich stellend, als wüßten sie nicht, daß der Verkäufer Courantschillinge meinte, legten sie ihm nur soviele Reichsschillinge hin und bekamen auf diese Manier die Waare für ein Drittel des Werths, den derselbe im Sinne gehabt halte. Der auf diesem Wege Be¬ schwindelte mußte, um nicht in Strafe zu verfallen, seinenSchaden stillschwei¬ gend tragen und halte noch obendrein Spott davon. Indeß wurden die Leute zeitig gewitzigt und diese Praris nahm bald ein Ende. Bisweilen auch gelang es, die, welche mit der Absicht, einen Schlag zu machen, erschienen, mit einer Tracht Hohn heimzuschicken, bei der man sich über den vorher erlittenen kleinen Verlust reichlich getröstet fand. Zwei dänische Offiziere hatten in einer Brauerei Schleswigs der Mann ein Seidel getrunken und erhielten, arglistig nach dem Preise fragend, der ihnen doch längst bekannt war, vom Kellner die Antwort: „Zwei Schillinge." Lächelnd zählten sie zwei Neichsschillinge, die sonst im Verkehr so gut wie gar nicht vorkommen, aus den Tisch. Die übrigen Gäste machten Miene, sich darüber zu entrüsten. Aber der Wirth schnitt ihnen das Wort ab. „O kaat man sie", sagte er. „Ich hab ihnen Bartneigenbier gegeben. Dafür haben sie genug bezahlt." Daß die Herren nicht wieder kamen, um wohlfeiles Bier zu trinken, versteht sich von selbst. Anderswo — ich weiß nicht, ob in Schleswig selbst — verlangte ein Soldat vom Fleischer sür drei Schilling Wurst. Arglos gab ihm der Meister für drei Courantschillinge und erhielt zu seinem Schrecken drei Neichsschillinge. Er hütete sich wohl, den Dänen über den vermeintlichen Irrthum aufzuklären. Eine halbe Stunde darauf war die halbe Compagnie da, um sich mit einem so billigen Zubiß zu ihrem Commißbrote zu verproviantiren. Aber siehe da, jetzt waren die Wurstschnitte grade dreimal so klein und dünn, als vorher. Die getäuschten Kriegsleute fragten ungeberdig, wie das komme. Jens oder Nils Soundso habe ja mehr gekriegt. Der Schlachter lachte: „Ja, so gehts, wenn man ein weiches Gemüthe hat. Ich gabs ihm aus Erbarmen, der arme Teufel sah mir gar so verhungert aus." Aehnliche Abtrumpfungen kann man allenthalben zu Dutzenden auflesen und der Bauernwitz übt sich, sie ins Unendliche zu vervielfältigen. Damit hielt man sich für etwaige Strafen und Verluste schadlos, und wo der Argus der Polizei seine Augen nicht hatte, blieb es bei der alten Berechnung und es wird solange bei ihr bleiben, bis man sich zur Ausführung der bisweilen in inspirirter Blättern auftauchenden Drohungen entschließt, die im Umlaufe be¬ findlichen hanseatischen und mecklenburgischen Schillinge bei Strafe zu verbie- Grenzbolen. IV. 18Sö. 38

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/305
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/305>, abgerufen am 23.07.2024.