Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kriegsgefangenschaft gerathen sind und welche den Wunsch hegen, aus dieser
unangenehmen Lage herauszutreten, indem sie ihre bisherigen Dienste quittiren,
um ihre Thätigkeit .und militärischen Talente dem Dienste unsres unüber¬
windlichen Kaisers zu widmen, eine Anstellung in ihrem vorher in der Armee
bekleideten Rang in diesem Regimente angeboten. Diese ehrenvolle Anstel¬
lung sichert denjenigen, so dieselbe zu erlangen wünschen, den Schutz und die
väterliche Sorge des angebeteten Helden, der seine Krieger wie seine
Kinder liebt*), im vollsten Maße zu und dieselben werden in allem
den Offizieren der französischen Armee gleich gehalten werden und ebenfalls
alle die Vortheile des französischen Soldaten genießen. Welcher Soldat
ist glücklicher als dieser? Sold, Kleidung und Verpflegung im reichsten Maße,
übertreffen die jeder anderen Armee; der französische Soldat lebt besser als der
Unteroffizier anderswo und genießt eines Ueberflusses, der ihm die Last des
Dienstes zum leichten Geschäft macht. Eilt herzu, tapfre Krieger! tretet unter
die Fahnen Napoleons des Großen und gehet mit ihm dem Siege und un¬
sterblichen Ruhme entgegen. Der Sammelplatz dieses Regiments wird Leipzig
sein."

Glücklicherweise herrschte in der preußischen Armee, trotz des Unglücks,
welches sie betroffen und trotz der Demoralisation, in welche sie seit dem Tode
Friedrichs it. verfallen war, doch noch soviel von dem Geiste des großen
Königs, daß dieser marktschreierische, im bombastischer Stil abgefaßte Aufruf
nur geringen Erfolg hatte. Das alte preußische militärische Ehrgefühl war in
dem Augenblick, wo es so sehr gebeugt worden, doch noch stark genug, um
der Versuchung zu widerstehen "unter den Fahnen Napoleons des Großen"
Angesichts des tiefgeknechteten Vaterlandes "zum unsterblichen Ruhme" zu
eilen.

Bemerkenswert!) sind auch die Berichte der Zeitgenossen jener Unglücks¬
periode über die herrschenden Verkehrsverhältnisse bei so außergewöhnlichen
Umständen. Zwar wurden die Landleute angehalten, Korn in die Magazine
Berlins zu liefern und die Bäcker erhielten aus denselben ihren Bedarf, aber
im Uebrigen lag doch jede Gattung von Handel und Wandel darnieder. Da¬
gegen etablirten sich andere sehr gangbare Geschäfte, wie solche grade der
Krieg mit sich brachte und hier bildete der Gendarmenmarkt eine Art perma¬
nenten Jahrmarkt, auf welchem es an Verkäufern und Käufern nie mangelte;
Beutegegenstände bildeten ausschließlich die Waare, welche dort zu einem Spott-
Preise losgeschlagen wurde. So kaufte clam ein Pferd, was sonst 100 bis
200 Thaler kostete, für 3 Thaler und in demselben Verhältniß wurden Tücher,



Der Herr Fürst von Jsenlmrg hatte wahrscheinlich vergessen, daß Napoleon damals noch
gar keine Kinder hatte.

Kriegsgefangenschaft gerathen sind und welche den Wunsch hegen, aus dieser
unangenehmen Lage herauszutreten, indem sie ihre bisherigen Dienste quittiren,
um ihre Thätigkeit .und militärischen Talente dem Dienste unsres unüber¬
windlichen Kaisers zu widmen, eine Anstellung in ihrem vorher in der Armee
bekleideten Rang in diesem Regimente angeboten. Diese ehrenvolle Anstel¬
lung sichert denjenigen, so dieselbe zu erlangen wünschen, den Schutz und die
väterliche Sorge des angebeteten Helden, der seine Krieger wie seine
Kinder liebt*), im vollsten Maße zu und dieselben werden in allem
den Offizieren der französischen Armee gleich gehalten werden und ebenfalls
alle die Vortheile des französischen Soldaten genießen. Welcher Soldat
ist glücklicher als dieser? Sold, Kleidung und Verpflegung im reichsten Maße,
übertreffen die jeder anderen Armee; der französische Soldat lebt besser als der
Unteroffizier anderswo und genießt eines Ueberflusses, der ihm die Last des
Dienstes zum leichten Geschäft macht. Eilt herzu, tapfre Krieger! tretet unter
die Fahnen Napoleons des Großen und gehet mit ihm dem Siege und un¬
sterblichen Ruhme entgegen. Der Sammelplatz dieses Regiments wird Leipzig
sein."

Glücklicherweise herrschte in der preußischen Armee, trotz des Unglücks,
welches sie betroffen und trotz der Demoralisation, in welche sie seit dem Tode
Friedrichs it. verfallen war, doch noch soviel von dem Geiste des großen
Königs, daß dieser marktschreierische, im bombastischer Stil abgefaßte Aufruf
nur geringen Erfolg hatte. Das alte preußische militärische Ehrgefühl war in
dem Augenblick, wo es so sehr gebeugt worden, doch noch stark genug, um
der Versuchung zu widerstehen „unter den Fahnen Napoleons des Großen"
Angesichts des tiefgeknechteten Vaterlandes „zum unsterblichen Ruhme" zu
eilen.

Bemerkenswert!) sind auch die Berichte der Zeitgenossen jener Unglücks¬
periode über die herrschenden Verkehrsverhältnisse bei so außergewöhnlichen
Umständen. Zwar wurden die Landleute angehalten, Korn in die Magazine
Berlins zu liefern und die Bäcker erhielten aus denselben ihren Bedarf, aber
im Uebrigen lag doch jede Gattung von Handel und Wandel darnieder. Da¬
gegen etablirten sich andere sehr gangbare Geschäfte, wie solche grade der
Krieg mit sich brachte und hier bildete der Gendarmenmarkt eine Art perma¬
nenten Jahrmarkt, auf welchem es an Verkäufern und Käufern nie mangelte;
Beutegegenstände bildeten ausschließlich die Waare, welche dort zu einem Spott-
Preise losgeschlagen wurde. So kaufte clam ein Pferd, was sonst 100 bis
200 Thaler kostete, für 3 Thaler und in demselben Verhältniß wurden Tücher,



Der Herr Fürst von Jsenlmrg hatte wahrscheinlich vergessen, daß Napoleon damals noch
gar keine Kinder hatte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100725"/>
          <p xml:id="ID_762" prev="#ID_761"> Kriegsgefangenschaft gerathen sind und welche den Wunsch hegen, aus dieser<lb/>
unangenehmen Lage herauszutreten, indem sie ihre bisherigen Dienste quittiren,<lb/>
um ihre Thätigkeit .und militärischen Talente dem Dienste unsres unüber¬<lb/>
windlichen Kaisers zu widmen, eine Anstellung in ihrem vorher in der Armee<lb/>
bekleideten Rang in diesem Regimente angeboten. Diese ehrenvolle Anstel¬<lb/>
lung sichert denjenigen, so dieselbe zu erlangen wünschen, den Schutz und die<lb/>
väterliche Sorge des angebeteten Helden, der seine Krieger wie seine<lb/>
Kinder liebt*), im vollsten Maße zu und dieselben werden in allem<lb/>
den Offizieren der französischen Armee gleich gehalten werden und ebenfalls<lb/>
alle die Vortheile des französischen Soldaten genießen. Welcher Soldat<lb/>
ist glücklicher als dieser? Sold, Kleidung und Verpflegung im reichsten Maße,<lb/>
übertreffen die jeder anderen Armee; der französische Soldat lebt besser als der<lb/>
Unteroffizier anderswo und genießt eines Ueberflusses, der ihm die Last des<lb/>
Dienstes zum leichten Geschäft macht. Eilt herzu, tapfre Krieger! tretet unter<lb/>
die Fahnen Napoleons des Großen und gehet mit ihm dem Siege und un¬<lb/>
sterblichen Ruhme entgegen. Der Sammelplatz dieses Regiments wird Leipzig<lb/>
sein."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_763"> Glücklicherweise herrschte in der preußischen Armee, trotz des Unglücks,<lb/>
welches sie betroffen und trotz der Demoralisation, in welche sie seit dem Tode<lb/>
Friedrichs it. verfallen war, doch noch soviel von dem Geiste des großen<lb/>
Königs, daß dieser marktschreierische, im bombastischer Stil abgefaßte Aufruf<lb/>
nur geringen Erfolg hatte. Das alte preußische militärische Ehrgefühl war in<lb/>
dem Augenblick, wo es so sehr gebeugt worden, doch noch stark genug, um<lb/>
der Versuchung zu widerstehen &#x201E;unter den Fahnen Napoleons des Großen"<lb/>
Angesichts des tiefgeknechteten Vaterlandes &#x201E;zum unsterblichen Ruhme" zu<lb/>
eilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_764" next="#ID_765"> Bemerkenswert!) sind auch die Berichte der Zeitgenossen jener Unglücks¬<lb/>
periode über die herrschenden Verkehrsverhältnisse bei so außergewöhnlichen<lb/>
Umständen. Zwar wurden die Landleute angehalten, Korn in die Magazine<lb/>
Berlins zu liefern und die Bäcker erhielten aus denselben ihren Bedarf, aber<lb/>
im Uebrigen lag doch jede Gattung von Handel und Wandel darnieder. Da¬<lb/>
gegen etablirten sich andere sehr gangbare Geschäfte, wie solche grade der<lb/>
Krieg mit sich brachte und hier bildete der Gendarmenmarkt eine Art perma¬<lb/>
nenten Jahrmarkt, auf welchem es an Verkäufern und Käufern nie mangelte;<lb/>
Beutegegenstände bildeten ausschließlich die Waare, welche dort zu einem Spott-<lb/>
Preise losgeschlagen wurde. So kaufte clam ein Pferd, was sonst 100 bis<lb/>
200 Thaler kostete, für 3 Thaler und in demselben Verhältniß wurden Tücher,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_16" place="foot"> Der Herr Fürst von Jsenlmrg hatte wahrscheinlich vergessen, daß Napoleon damals noch<lb/>
gar keine Kinder hatte.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0271] Kriegsgefangenschaft gerathen sind und welche den Wunsch hegen, aus dieser unangenehmen Lage herauszutreten, indem sie ihre bisherigen Dienste quittiren, um ihre Thätigkeit .und militärischen Talente dem Dienste unsres unüber¬ windlichen Kaisers zu widmen, eine Anstellung in ihrem vorher in der Armee bekleideten Rang in diesem Regimente angeboten. Diese ehrenvolle Anstel¬ lung sichert denjenigen, so dieselbe zu erlangen wünschen, den Schutz und die väterliche Sorge des angebeteten Helden, der seine Krieger wie seine Kinder liebt*), im vollsten Maße zu und dieselben werden in allem den Offizieren der französischen Armee gleich gehalten werden und ebenfalls alle die Vortheile des französischen Soldaten genießen. Welcher Soldat ist glücklicher als dieser? Sold, Kleidung und Verpflegung im reichsten Maße, übertreffen die jeder anderen Armee; der französische Soldat lebt besser als der Unteroffizier anderswo und genießt eines Ueberflusses, der ihm die Last des Dienstes zum leichten Geschäft macht. Eilt herzu, tapfre Krieger! tretet unter die Fahnen Napoleons des Großen und gehet mit ihm dem Siege und un¬ sterblichen Ruhme entgegen. Der Sammelplatz dieses Regiments wird Leipzig sein." Glücklicherweise herrschte in der preußischen Armee, trotz des Unglücks, welches sie betroffen und trotz der Demoralisation, in welche sie seit dem Tode Friedrichs it. verfallen war, doch noch soviel von dem Geiste des großen Königs, daß dieser marktschreierische, im bombastischer Stil abgefaßte Aufruf nur geringen Erfolg hatte. Das alte preußische militärische Ehrgefühl war in dem Augenblick, wo es so sehr gebeugt worden, doch noch stark genug, um der Versuchung zu widerstehen „unter den Fahnen Napoleons des Großen" Angesichts des tiefgeknechteten Vaterlandes „zum unsterblichen Ruhme" zu eilen. Bemerkenswert!) sind auch die Berichte der Zeitgenossen jener Unglücks¬ periode über die herrschenden Verkehrsverhältnisse bei so außergewöhnlichen Umständen. Zwar wurden die Landleute angehalten, Korn in die Magazine Berlins zu liefern und die Bäcker erhielten aus denselben ihren Bedarf, aber im Uebrigen lag doch jede Gattung von Handel und Wandel darnieder. Da¬ gegen etablirten sich andere sehr gangbare Geschäfte, wie solche grade der Krieg mit sich brachte und hier bildete der Gendarmenmarkt eine Art perma¬ nenten Jahrmarkt, auf welchem es an Verkäufern und Käufern nie mangelte; Beutegegenstände bildeten ausschließlich die Waare, welche dort zu einem Spott- Preise losgeschlagen wurde. So kaufte clam ein Pferd, was sonst 100 bis 200 Thaler kostete, für 3 Thaler und in demselben Verhältniß wurden Tücher, Der Herr Fürst von Jsenlmrg hatte wahrscheinlich vergessen, daß Napoleon damals noch gar keine Kinder hatte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/271
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/271>, abgerufen am 02.07.2024.