Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wendung gefunden hatte, die deutsche Presse zu Gunsten Dänemarks zu bear¬
beiten versuchte, wobei er, wenn wir nicht irren, als Candidatus Theologiä
auftrat. Seine Glanzperiode endlich trat mit dem Ausgehen deS Sterns der
Gräfin Dämmer ein. Mit der ihm eignen Spürkraft hatte er rasch herausgefunden,
daß hier Geschäfte zu machen seien und so war er einer der ersten, welche sich
diesem Abendstern Dänemarks als Trabanten anschlössen, die Verklärung des¬
selben in den Zeitungen besorgten und sich durch andre ähnliche Dienste nütz¬
lich machten. Er stieg immer höher in der Gunst der genannten Dame, ward
in ihrem und des Königs Auftrag mehrmals als eine Art geheimer Gesandter
in delicaten Angelegenheiten verwendet, ging in außerordentlicher Mission nach
Gotha und Paris, um gegen den Wunsch des Ministeriums Oerstedt die Auf¬
nahme der Gräfin in die betreffenden Staatskalender zu bewirken, wobei er des
noch nicht erloschenen Steckbriefs halber an ersterm Orte ganz bescheiden, in
Paris dagegen in Uniform und mit Orden geschmückt auftrat und wurde sür diese
und andere Leistungen mit dem Titel eines Kammerrathö belohnt.

Seltsame Bestätigung des Sprichworts, nach welchem ein Prophet in
seinem Vaterlande nichts gilt!

Ich kehre nun nach dem rendsburger Bahnhofe zurück. Derselbe ist, wie ich
höre, ein blos interimistischer. Seine definitive Stelle soll er auf dem Platze bekom¬
men, wo einst das Kronwerk sich erhob. ES ist fast, als habe die Nemesis grade
diesen Ort wählen heißen. An dem Punkt, wo früher nur ein Vertheidigungswerk
Deutschlands gegen Dänemark stand, 'erbaut man statt dessen in gewissem Sinne ein
Angriffsmittel jenes friedlichen Eroberungskriegs, in welchem die deutsche Kraft
und der deutsche Reichthum unablässig und unaufhaltsam von Hamburg aus
den Norden zu erobern bestimmt ist. In der That, ein eignes Geschehen, das
nichts weniger als von blos symbolischer, sondern, wie mit Händen zu greifen,
von allerrealster Bedeutung ist.

Die Bahnstrecke zwischen Rendsburg und der Station beim Klosterkrug,
wo die Chaussee nach Schleswig abzweigt, sührt durch eine ungemein trostlose
und öde Gegend. Fast nichts als Haibeflächen und Torfstiche begegnen tun
Auge. Zur Rechten erheben sich in einiger Entfernung die hüttner Berge.
Links streckt sich, mitunter von einem Wassergraben, zuweilen von meinem kleinen
See unterbrochen, ohne bemerkenswerthe Erhebung die rothbraune Haide mit
ihrem Moose und ihrem Gestrüpp von Zwergweiden und Sandhaser. Man
begreift sehr wohl, daß diese trübselige Ebene vom Aberglauben mit allerlei ge¬
spenstischen Gestalten bevölkert und unter andern auch als Tanzplatz ver Heren
in der Walpurgisnacht aufgefaßt wurde und ich war freudig überrascht, als
nach kurzer Fahrt der Schaffner uns, die wir nach Schleswig wollten, aus¬
sagen hieß.

Im Wagen war mir ein kleines Abenteuer begegnet, welches ich nicht


Wendung gefunden hatte, die deutsche Presse zu Gunsten Dänemarks zu bear¬
beiten versuchte, wobei er, wenn wir nicht irren, als Candidatus Theologiä
auftrat. Seine Glanzperiode endlich trat mit dem Ausgehen deS Sterns der
Gräfin Dämmer ein. Mit der ihm eignen Spürkraft hatte er rasch herausgefunden,
daß hier Geschäfte zu machen seien und so war er einer der ersten, welche sich
diesem Abendstern Dänemarks als Trabanten anschlössen, die Verklärung des¬
selben in den Zeitungen besorgten und sich durch andre ähnliche Dienste nütz¬
lich machten. Er stieg immer höher in der Gunst der genannten Dame, ward
in ihrem und des Königs Auftrag mehrmals als eine Art geheimer Gesandter
in delicaten Angelegenheiten verwendet, ging in außerordentlicher Mission nach
Gotha und Paris, um gegen den Wunsch des Ministeriums Oerstedt die Auf¬
nahme der Gräfin in die betreffenden Staatskalender zu bewirken, wobei er des
noch nicht erloschenen Steckbriefs halber an ersterm Orte ganz bescheiden, in
Paris dagegen in Uniform und mit Orden geschmückt auftrat und wurde sür diese
und andere Leistungen mit dem Titel eines Kammerrathö belohnt.

Seltsame Bestätigung des Sprichworts, nach welchem ein Prophet in
seinem Vaterlande nichts gilt!

Ich kehre nun nach dem rendsburger Bahnhofe zurück. Derselbe ist, wie ich
höre, ein blos interimistischer. Seine definitive Stelle soll er auf dem Platze bekom¬
men, wo einst das Kronwerk sich erhob. ES ist fast, als habe die Nemesis grade
diesen Ort wählen heißen. An dem Punkt, wo früher nur ein Vertheidigungswerk
Deutschlands gegen Dänemark stand, 'erbaut man statt dessen in gewissem Sinne ein
Angriffsmittel jenes friedlichen Eroberungskriegs, in welchem die deutsche Kraft
und der deutsche Reichthum unablässig und unaufhaltsam von Hamburg aus
den Norden zu erobern bestimmt ist. In der That, ein eignes Geschehen, das
nichts weniger als von blos symbolischer, sondern, wie mit Händen zu greifen,
von allerrealster Bedeutung ist.

Die Bahnstrecke zwischen Rendsburg und der Station beim Klosterkrug,
wo die Chaussee nach Schleswig abzweigt, sührt durch eine ungemein trostlose
und öde Gegend. Fast nichts als Haibeflächen und Torfstiche begegnen tun
Auge. Zur Rechten erheben sich in einiger Entfernung die hüttner Berge.
Links streckt sich, mitunter von einem Wassergraben, zuweilen von meinem kleinen
See unterbrochen, ohne bemerkenswerthe Erhebung die rothbraune Haide mit
ihrem Moose und ihrem Gestrüpp von Zwergweiden und Sandhaser. Man
begreift sehr wohl, daß diese trübselige Ebene vom Aberglauben mit allerlei ge¬
spenstischen Gestalten bevölkert und unter andern auch als Tanzplatz ver Heren
in der Walpurgisnacht aufgefaßt wurde und ich war freudig überrascht, als
nach kurzer Fahrt der Schaffner uns, die wir nach Schleswig wollten, aus¬
sagen hieß.

Im Wagen war mir ein kleines Abenteuer begegnet, welches ich nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100685"/>
            <p xml:id="ID_649" prev="#ID_648"> Wendung gefunden hatte, die deutsche Presse zu Gunsten Dänemarks zu bear¬<lb/>
beiten versuchte, wobei er, wenn wir nicht irren, als Candidatus Theologiä<lb/>
auftrat. Seine Glanzperiode endlich trat mit dem Ausgehen deS Sterns der<lb/>
Gräfin Dämmer ein. Mit der ihm eignen Spürkraft hatte er rasch herausgefunden,<lb/>
daß hier Geschäfte zu machen seien und so war er einer der ersten, welche sich<lb/>
diesem Abendstern Dänemarks als Trabanten anschlössen, die Verklärung des¬<lb/>
selben in den Zeitungen besorgten und sich durch andre ähnliche Dienste nütz¬<lb/>
lich machten. Er stieg immer höher in der Gunst der genannten Dame, ward<lb/>
in ihrem und des Königs Auftrag mehrmals als eine Art geheimer Gesandter<lb/>
in delicaten Angelegenheiten verwendet, ging in außerordentlicher Mission nach<lb/>
Gotha und Paris, um gegen den Wunsch des Ministeriums Oerstedt die Auf¬<lb/>
nahme der Gräfin in die betreffenden Staatskalender zu bewirken, wobei er des<lb/>
noch nicht erloschenen Steckbriefs halber an ersterm Orte ganz bescheiden, in<lb/>
Paris dagegen in Uniform und mit Orden geschmückt auftrat und wurde sür diese<lb/>
und andere Leistungen mit dem Titel eines Kammerrathö belohnt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_650"> Seltsame Bestätigung des Sprichworts, nach welchem ein Prophet in<lb/>
seinem Vaterlande nichts gilt!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_651"> Ich kehre nun nach dem rendsburger Bahnhofe zurück. Derselbe ist, wie ich<lb/>
höre, ein blos interimistischer. Seine definitive Stelle soll er auf dem Platze bekom¬<lb/>
men, wo einst das Kronwerk sich erhob. ES ist fast, als habe die Nemesis grade<lb/>
diesen Ort wählen heißen. An dem Punkt, wo früher nur ein Vertheidigungswerk<lb/>
Deutschlands gegen Dänemark stand, 'erbaut man statt dessen in gewissem Sinne ein<lb/>
Angriffsmittel jenes friedlichen Eroberungskriegs, in welchem die deutsche Kraft<lb/>
und der deutsche Reichthum unablässig und unaufhaltsam von Hamburg aus<lb/>
den Norden zu erobern bestimmt ist. In der That, ein eignes Geschehen, das<lb/>
nichts weniger als von blos symbolischer, sondern, wie mit Händen zu greifen,<lb/>
von allerrealster Bedeutung ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_652"> Die Bahnstrecke zwischen Rendsburg und der Station beim Klosterkrug,<lb/>
wo die Chaussee nach Schleswig abzweigt, sührt durch eine ungemein trostlose<lb/>
und öde Gegend. Fast nichts als Haibeflächen und Torfstiche begegnen tun<lb/>
Auge. Zur Rechten erheben sich in einiger Entfernung die hüttner Berge.<lb/>
Links streckt sich, mitunter von einem Wassergraben, zuweilen von meinem kleinen<lb/>
See unterbrochen, ohne bemerkenswerthe Erhebung die rothbraune Haide mit<lb/>
ihrem Moose und ihrem Gestrüpp von Zwergweiden und Sandhaser. Man<lb/>
begreift sehr wohl, daß diese trübselige Ebene vom Aberglauben mit allerlei ge¬<lb/>
spenstischen Gestalten bevölkert und unter andern auch als Tanzplatz ver Heren<lb/>
in der Walpurgisnacht aufgefaßt wurde und ich war freudig überrascht, als<lb/>
nach kurzer Fahrt der Schaffner uns, die wir nach Schleswig wollten, aus¬<lb/>
sagen hieß.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_653" next="#ID_654"> Im Wagen war mir ein kleines Abenteuer begegnet, welches ich nicht</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0231] Wendung gefunden hatte, die deutsche Presse zu Gunsten Dänemarks zu bear¬ beiten versuchte, wobei er, wenn wir nicht irren, als Candidatus Theologiä auftrat. Seine Glanzperiode endlich trat mit dem Ausgehen deS Sterns der Gräfin Dämmer ein. Mit der ihm eignen Spürkraft hatte er rasch herausgefunden, daß hier Geschäfte zu machen seien und so war er einer der ersten, welche sich diesem Abendstern Dänemarks als Trabanten anschlössen, die Verklärung des¬ selben in den Zeitungen besorgten und sich durch andre ähnliche Dienste nütz¬ lich machten. Er stieg immer höher in der Gunst der genannten Dame, ward in ihrem und des Königs Auftrag mehrmals als eine Art geheimer Gesandter in delicaten Angelegenheiten verwendet, ging in außerordentlicher Mission nach Gotha und Paris, um gegen den Wunsch des Ministeriums Oerstedt die Auf¬ nahme der Gräfin in die betreffenden Staatskalender zu bewirken, wobei er des noch nicht erloschenen Steckbriefs halber an ersterm Orte ganz bescheiden, in Paris dagegen in Uniform und mit Orden geschmückt auftrat und wurde sür diese und andere Leistungen mit dem Titel eines Kammerrathö belohnt. Seltsame Bestätigung des Sprichworts, nach welchem ein Prophet in seinem Vaterlande nichts gilt! Ich kehre nun nach dem rendsburger Bahnhofe zurück. Derselbe ist, wie ich höre, ein blos interimistischer. Seine definitive Stelle soll er auf dem Platze bekom¬ men, wo einst das Kronwerk sich erhob. ES ist fast, als habe die Nemesis grade diesen Ort wählen heißen. An dem Punkt, wo früher nur ein Vertheidigungswerk Deutschlands gegen Dänemark stand, 'erbaut man statt dessen in gewissem Sinne ein Angriffsmittel jenes friedlichen Eroberungskriegs, in welchem die deutsche Kraft und der deutsche Reichthum unablässig und unaufhaltsam von Hamburg aus den Norden zu erobern bestimmt ist. In der That, ein eignes Geschehen, das nichts weniger als von blos symbolischer, sondern, wie mit Händen zu greifen, von allerrealster Bedeutung ist. Die Bahnstrecke zwischen Rendsburg und der Station beim Klosterkrug, wo die Chaussee nach Schleswig abzweigt, sührt durch eine ungemein trostlose und öde Gegend. Fast nichts als Haibeflächen und Torfstiche begegnen tun Auge. Zur Rechten erheben sich in einiger Entfernung die hüttner Berge. Links streckt sich, mitunter von einem Wassergraben, zuweilen von meinem kleinen See unterbrochen, ohne bemerkenswerthe Erhebung die rothbraune Haide mit ihrem Moose und ihrem Gestrüpp von Zwergweiden und Sandhaser. Man begreift sehr wohl, daß diese trübselige Ebene vom Aberglauben mit allerlei ge¬ spenstischen Gestalten bevölkert und unter andern auch als Tanzplatz ver Heren in der Walpurgisnacht aufgefaßt wurde und ich war freudig überrascht, als nach kurzer Fahrt der Schaffner uns, die wir nach Schleswig wollten, aus¬ sagen hieß. Im Wagen war mir ein kleines Abenteuer begegnet, welches ich nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/231
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/231>, abgerufen am 15.01.2025.