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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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früher Professor und als tüchtiger Jurist bekannt, mag ein angehender Sech¬
ziger, der andere, Preußer, als Biedermann von untadelhafter Rechtschaffen-
heit allenthalben verehrt, als Rechtsgelehrter ersten Ranges weit über die
Grenzen der Herzogthümer hinaus geschätzt, ein Fünfziger sein. Ihre Ab¬
setzung -- denn so muß man es wol nennen -- war somit nicht auf Grund
ihrer Bejahrtheit oder sonstigen Unfähigkeit zu rechtfertigen. Sie war wirklich
eine Strafe, und daß eine solche damit gemeint war, wurde auch sehr bald be¬
kannt. In Privatbriefcn sprach man es aus: der passive Widerstand der Hol¬
steiner gegen die Wünsche der Regierung habe sich in das Appellationsgericht
geflüchtet, und man habe durch den Angriff auf diese Behörde zeigen wollen,
wessen man sich bei fortgesetzter Renitenz zu gewärtigen habe.

Worin aber in aller Welt konnte diese so übelvermerkte Renitenz bestanden
haben? In nichts Anderm, als darin, daß von dem Appellationsgericht der
Obergerichtsrath Franke aus Glückstadt, den Scheel zum Mitgliede desselben
bestimmt hatte, als unbrauchbar zurückgewiesen worden war. Der Herr Candi-
dat hatte nämlich bei der schriftlichen und mündlichen Prüfung, welcher er sich
zu diesem Zwecke der Bestimmung des Gesetzes gemäß unterwerfen mußte,
vorzüglich im Cvncursproceß eine unverzeihliche Unwissenheit an den Tag ge¬
legt -- eine Unwissenheit, die um so unverzeihlicher und unbegreiflicher war,
als der Appellationsrath in sps früher über den Gegenstand aus vier Büchern
ein fünftes compilirt hatte. Das Gericht als Prüfungsbehörde konnte einen
solchen Ignoranten, wenn es sich nicht einer Gewissenlosigkeit schuldig machen
wollte, selbstverständlich nicht in die Mitte derer aufnehmen, denen die höchste
Entscheidung in Rechtssachen anvertraut war. Der Minister Scheel, dem frei¬
lich nicht zugemuthet werden darf, ein zartes Gewissen beurtheilen oder auch
nur verstehen zu können, sah darin lediglich eine Widersetzlichkeit. Ihm war,
wie seinen Collegen in Schleswig bei der Zusammensetzung des flensburger
Appellationsgerichts, die Frage, ob mehr oder minder Fachkenntniß? voll¬
kommen gleichgiltig, wenn der Kandidat nur seiner Vergangenheit nach ver¬
sprach, ein unterthäniger Diener und allezeit willfähriger Vollstrecker des in
Kopenhagen deeretirenden Willens zu sein. Dies war aber bei Franke in
vollem Maße der Fall. Er ist eine vom Kopf bis zu den Füßen servile Na¬
tur, wie er bei,mehr als einer Gelegenheit und unter andern bei der Frei¬
sprechung Krösus zur Genüge bewiesen hat*).



*) Pvlizeimeistcr Krohn war als umsichtiger und energischer Charakter im Jahre -IUi-8
"ach Flensburg versetzt worden, um den dortigen dänischen Pöbel im Zaume zu hatte". Dies
gelang mit Hilfe einiger Gensdarmen eine geraume Zeit ohne Anwendung von Gewalt.
Später indes" war es bei einem Auflaufe, wo die Rotte des berüchtigte" Klewing, verstärkt
durch Matrosen und anderes Gesindel, daS Hans Krösus zu stürmen suchte, nöthig geworden,
das Bajonett zu brauchen. Als der fliehende Janhagel hierauf mit Steine" zu werfe" ""fing,

früher Professor und als tüchtiger Jurist bekannt, mag ein angehender Sech¬
ziger, der andere, Preußer, als Biedermann von untadelhafter Rechtschaffen-
heit allenthalben verehrt, als Rechtsgelehrter ersten Ranges weit über die
Grenzen der Herzogthümer hinaus geschätzt, ein Fünfziger sein. Ihre Ab¬
setzung — denn so muß man es wol nennen — war somit nicht auf Grund
ihrer Bejahrtheit oder sonstigen Unfähigkeit zu rechtfertigen. Sie war wirklich
eine Strafe, und daß eine solche damit gemeint war, wurde auch sehr bald be¬
kannt. In Privatbriefcn sprach man es aus: der passive Widerstand der Hol¬
steiner gegen die Wünsche der Regierung habe sich in das Appellationsgericht
geflüchtet, und man habe durch den Angriff auf diese Behörde zeigen wollen,
wessen man sich bei fortgesetzter Renitenz zu gewärtigen habe.

Worin aber in aller Welt konnte diese so übelvermerkte Renitenz bestanden
haben? In nichts Anderm, als darin, daß von dem Appellationsgericht der
Obergerichtsrath Franke aus Glückstadt, den Scheel zum Mitgliede desselben
bestimmt hatte, als unbrauchbar zurückgewiesen worden war. Der Herr Candi-
dat hatte nämlich bei der schriftlichen und mündlichen Prüfung, welcher er sich
zu diesem Zwecke der Bestimmung des Gesetzes gemäß unterwerfen mußte,
vorzüglich im Cvncursproceß eine unverzeihliche Unwissenheit an den Tag ge¬
legt — eine Unwissenheit, die um so unverzeihlicher und unbegreiflicher war,
als der Appellationsrath in sps früher über den Gegenstand aus vier Büchern
ein fünftes compilirt hatte. Das Gericht als Prüfungsbehörde konnte einen
solchen Ignoranten, wenn es sich nicht einer Gewissenlosigkeit schuldig machen
wollte, selbstverständlich nicht in die Mitte derer aufnehmen, denen die höchste
Entscheidung in Rechtssachen anvertraut war. Der Minister Scheel, dem frei¬
lich nicht zugemuthet werden darf, ein zartes Gewissen beurtheilen oder auch
nur verstehen zu können, sah darin lediglich eine Widersetzlichkeit. Ihm war,
wie seinen Collegen in Schleswig bei der Zusammensetzung des flensburger
Appellationsgerichts, die Frage, ob mehr oder minder Fachkenntniß? voll¬
kommen gleichgiltig, wenn der Kandidat nur seiner Vergangenheit nach ver¬
sprach, ein unterthäniger Diener und allezeit willfähriger Vollstrecker des in
Kopenhagen deeretirenden Willens zu sein. Dies war aber bei Franke in
vollem Maße der Fall. Er ist eine vom Kopf bis zu den Füßen servile Na¬
tur, wie er bei,mehr als einer Gelegenheit und unter andern bei der Frei¬
sprechung Krösus zur Genüge bewiesen hat*).



*) Pvlizeimeistcr Krohn war als umsichtiger und energischer Charakter im Jahre -IUi-8
»ach Flensburg versetzt worden, um den dortigen dänischen Pöbel im Zaume zu hatte». Dies
gelang mit Hilfe einiger Gensdarmen eine geraume Zeit ohne Anwendung von Gewalt.
Später indes» war es bei einem Auflaufe, wo die Rotte des berüchtigte» Klewing, verstärkt
durch Matrosen und anderes Gesindel, daS Hans Krösus zu stürmen suchte, nöthig geworden,
das Bajonett zu brauchen. Als der fliehende Janhagel hierauf mit Steine» zu werfe» »»fing,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/23>, abgerufen am 15.01.2025.