Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Röcke aus Wolle und einen weißen, breiten, zu beiden Seiten nach oben
hinaufgebogenen Hut nebst Rosenkranz. Allerliebst freundlich und mit lieblicher
Aussicht auf Schwetz und die Niederung sind die sogenannten Promenaden,
die rund um die Stadt führen, ein Werk des Verschönerungsvereins. Und
eine Meile von der Stadt ab liegt in sehr romantischer Lage der Ort Alehäuser
an der Weichsel, einst Bischoffitz, mit Trümmern einer alten Burg. Hier
wächst der prachtvollste Weizen des culmer Gaues. Selbst die Handelsherren
an der londoner Börse fragen begierig nach althauser Weizen.

Von Culm ab erweitert sich nordwärts daS fruchtbare, von kleinen Kanälen
durchschnittene Weichselthal, und reich lohnend ist eine Wasserfahrt durch das¬
selbe stromab, zunächst nach dem jenseits gelegenen, reizenden Orte Sartowitz
hin. Hier auf steilem Bergkegel, der sich hart am Strome schroff erhebt und
durch Schluchten und einen breiten Graben von der Umgegend abgesondert ist,
stand einst des berüchtigten Pomerellenherzogs Swantepolk zweite Hauptburg.
Von ihr aus überfiel er die Schiffe auf der Weichsel und zog plündernd und
mordend in das dem Orden angehörige blühende Culmerland, bis er und seine
Beste den siegreichen Kreuzherren erlag. Nun steht statt der drohenden Burg
dort oben die stille Kapelle der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der
Weichselschiffer, deren jeder im Vorüberfahren gern eine fromme Spende dem
heranrudernden Glöckner übergibt, so oft das Glöcklein oben seinen frommen
Willkommsgruß herniedersendet. Durch eine Fülle der mannigfaltigsten
schattenreichen Bäume und blühender Rosenbüsche steigt man auf bequemen
Gängen zur Höhe hinan und findet ein Panorama vor sich ausgebreitet,
dem an Reichhaltigkeit und Schönheit bis Danzig hin kein zweites gleich¬
kommt. Stromaufwärts winkt uns die älteste Metropole der Weichsel¬
lande, das vielthürmige Culm vom hohen User seinen Abschiedsgruß zu, dem
tief zu Füßen drüben die Schwesterstadt Schwetz liegt; im Norden wird der
Horizont durch die Feftungswälle von Graudenz scharf begrenzt, und malerisch
daneben liegt die alte Stadt am AbHange des thurmgekröntcn Schloßberges.
Vor uns und zu beiden Seiten aber breiten sich die üppigen Niederungsgefilde
aus, wie ein buntfarbiges Schachbret, während den Hintergrund waldige
Höhen mit dunkelm Grün schließen. Der breite Strom, der die Landschaft
unten so wundervoll belebt, schlängelt sich als silbernes Band in einer Länge
von 7 Meilen vor uns hin, und von den prächtigen Rinderherden echt hollän¬
dischen Stammes, die im saftigen Grase der grünen Inseln unten weiden,
klingt harmonisches Glockengeläute zu uns herauf. Tagelang könnte man hier
weilen. Promenaden, Buschwerk, sammetweiche Rasenplätze mit Blumen¬
beeten wechselnd, umgeben weithin den Hügel. Im Schatten alter Linden
ruht das gutsherrliche Wohnhaus, in der Mitte eines weiten duftigen
Gartens. Bis auf das Dach dieses freundlichen Hauses sendet der Augurim-


Röcke aus Wolle und einen weißen, breiten, zu beiden Seiten nach oben
hinaufgebogenen Hut nebst Rosenkranz. Allerliebst freundlich und mit lieblicher
Aussicht auf Schwetz und die Niederung sind die sogenannten Promenaden,
die rund um die Stadt führen, ein Werk des Verschönerungsvereins. Und
eine Meile von der Stadt ab liegt in sehr romantischer Lage der Ort Alehäuser
an der Weichsel, einst Bischoffitz, mit Trümmern einer alten Burg. Hier
wächst der prachtvollste Weizen des culmer Gaues. Selbst die Handelsherren
an der londoner Börse fragen begierig nach althauser Weizen.

Von Culm ab erweitert sich nordwärts daS fruchtbare, von kleinen Kanälen
durchschnittene Weichselthal, und reich lohnend ist eine Wasserfahrt durch das¬
selbe stromab, zunächst nach dem jenseits gelegenen, reizenden Orte Sartowitz
hin. Hier auf steilem Bergkegel, der sich hart am Strome schroff erhebt und
durch Schluchten und einen breiten Graben von der Umgegend abgesondert ist,
stand einst des berüchtigten Pomerellenherzogs Swantepolk zweite Hauptburg.
Von ihr aus überfiel er die Schiffe auf der Weichsel und zog plündernd und
mordend in das dem Orden angehörige blühende Culmerland, bis er und seine
Beste den siegreichen Kreuzherren erlag. Nun steht statt der drohenden Burg
dort oben die stille Kapelle der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der
Weichselschiffer, deren jeder im Vorüberfahren gern eine fromme Spende dem
heranrudernden Glöckner übergibt, so oft das Glöcklein oben seinen frommen
Willkommsgruß herniedersendet. Durch eine Fülle der mannigfaltigsten
schattenreichen Bäume und blühender Rosenbüsche steigt man auf bequemen
Gängen zur Höhe hinan und findet ein Panorama vor sich ausgebreitet,
dem an Reichhaltigkeit und Schönheit bis Danzig hin kein zweites gleich¬
kommt. Stromaufwärts winkt uns die älteste Metropole der Weichsel¬
lande, das vielthürmige Culm vom hohen User seinen Abschiedsgruß zu, dem
tief zu Füßen drüben die Schwesterstadt Schwetz liegt; im Norden wird der
Horizont durch die Feftungswälle von Graudenz scharf begrenzt, und malerisch
daneben liegt die alte Stadt am AbHange des thurmgekröntcn Schloßberges.
Vor uns und zu beiden Seiten aber breiten sich die üppigen Niederungsgefilde
aus, wie ein buntfarbiges Schachbret, während den Hintergrund waldige
Höhen mit dunkelm Grün schließen. Der breite Strom, der die Landschaft
unten so wundervoll belebt, schlängelt sich als silbernes Band in einer Länge
von 7 Meilen vor uns hin, und von den prächtigen Rinderherden echt hollän¬
dischen Stammes, die im saftigen Grase der grünen Inseln unten weiden,
klingt harmonisches Glockengeläute zu uns herauf. Tagelang könnte man hier
weilen. Promenaden, Buschwerk, sammetweiche Rasenplätze mit Blumen¬
beeten wechselnd, umgeben weithin den Hügel. Im Schatten alter Linden
ruht das gutsherrliche Wohnhaus, in der Mitte eines weiten duftigen
Gartens. Bis auf das Dach dieses freundlichen Hauses sendet der Augurim-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100643"/>
          <p xml:id="ID_536" prev="#ID_535"> Röcke aus Wolle und einen weißen, breiten, zu beiden Seiten nach oben<lb/>
hinaufgebogenen Hut nebst Rosenkranz. Allerliebst freundlich und mit lieblicher<lb/>
Aussicht auf Schwetz und die Niederung sind die sogenannten Promenaden,<lb/>
die rund um die Stadt führen, ein Werk des Verschönerungsvereins. Und<lb/>
eine Meile von der Stadt ab liegt in sehr romantischer Lage der Ort Alehäuser<lb/>
an der Weichsel, einst Bischoffitz, mit Trümmern einer alten Burg. Hier<lb/>
wächst der prachtvollste Weizen des culmer Gaues. Selbst die Handelsherren<lb/>
an der londoner Börse fragen begierig nach althauser Weizen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_537" next="#ID_538"> Von Culm ab erweitert sich nordwärts daS fruchtbare, von kleinen Kanälen<lb/>
durchschnittene Weichselthal, und reich lohnend ist eine Wasserfahrt durch das¬<lb/>
selbe stromab, zunächst nach dem jenseits gelegenen, reizenden Orte Sartowitz<lb/>
hin. Hier auf steilem Bergkegel, der sich hart am Strome schroff erhebt und<lb/>
durch Schluchten und einen breiten Graben von der Umgegend abgesondert ist,<lb/>
stand einst des berüchtigten Pomerellenherzogs Swantepolk zweite Hauptburg.<lb/>
Von ihr aus überfiel er die Schiffe auf der Weichsel und zog plündernd und<lb/>
mordend in das dem Orden angehörige blühende Culmerland, bis er und seine<lb/>
Beste den siegreichen Kreuzherren erlag. Nun steht statt der drohenden Burg<lb/>
dort oben die stille Kapelle der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der<lb/>
Weichselschiffer, deren jeder im Vorüberfahren gern eine fromme Spende dem<lb/>
heranrudernden Glöckner übergibt, so oft das Glöcklein oben seinen frommen<lb/>
Willkommsgruß herniedersendet. Durch eine Fülle der mannigfaltigsten<lb/>
schattenreichen Bäume und blühender Rosenbüsche steigt man auf bequemen<lb/>
Gängen zur Höhe hinan und findet ein Panorama vor sich ausgebreitet,<lb/>
dem an Reichhaltigkeit und Schönheit bis Danzig hin kein zweites gleich¬<lb/>
kommt. Stromaufwärts winkt uns die älteste Metropole der Weichsel¬<lb/>
lande, das vielthürmige Culm vom hohen User seinen Abschiedsgruß zu, dem<lb/>
tief zu Füßen drüben die Schwesterstadt Schwetz liegt; im Norden wird der<lb/>
Horizont durch die Feftungswälle von Graudenz scharf begrenzt, und malerisch<lb/>
daneben liegt die alte Stadt am AbHange des thurmgekröntcn Schloßberges.<lb/>
Vor uns und zu beiden Seiten aber breiten sich die üppigen Niederungsgefilde<lb/>
aus, wie ein buntfarbiges Schachbret, während den Hintergrund waldige<lb/>
Höhen mit dunkelm Grün schließen. Der breite Strom, der die Landschaft<lb/>
unten so wundervoll belebt, schlängelt sich als silbernes Band in einer Länge<lb/>
von 7 Meilen vor uns hin, und von den prächtigen Rinderherden echt hollän¬<lb/>
dischen Stammes, die im saftigen Grase der grünen Inseln unten weiden,<lb/>
klingt harmonisches Glockengeläute zu uns herauf. Tagelang könnte man hier<lb/>
weilen. Promenaden, Buschwerk, sammetweiche Rasenplätze mit Blumen¬<lb/>
beeten wechselnd, umgeben weithin den Hügel. Im Schatten alter Linden<lb/>
ruht das gutsherrliche Wohnhaus, in der Mitte eines weiten duftigen<lb/>
Gartens.  Bis auf das Dach dieses freundlichen Hauses sendet der Augurim-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0189] Röcke aus Wolle und einen weißen, breiten, zu beiden Seiten nach oben hinaufgebogenen Hut nebst Rosenkranz. Allerliebst freundlich und mit lieblicher Aussicht auf Schwetz und die Niederung sind die sogenannten Promenaden, die rund um die Stadt führen, ein Werk des Verschönerungsvereins. Und eine Meile von der Stadt ab liegt in sehr romantischer Lage der Ort Alehäuser an der Weichsel, einst Bischoffitz, mit Trümmern einer alten Burg. Hier wächst der prachtvollste Weizen des culmer Gaues. Selbst die Handelsherren an der londoner Börse fragen begierig nach althauser Weizen. Von Culm ab erweitert sich nordwärts daS fruchtbare, von kleinen Kanälen durchschnittene Weichselthal, und reich lohnend ist eine Wasserfahrt durch das¬ selbe stromab, zunächst nach dem jenseits gelegenen, reizenden Orte Sartowitz hin. Hier auf steilem Bergkegel, der sich hart am Strome schroff erhebt und durch Schluchten und einen breiten Graben von der Umgegend abgesondert ist, stand einst des berüchtigten Pomerellenherzogs Swantepolk zweite Hauptburg. Von ihr aus überfiel er die Schiffe auf der Weichsel und zog plündernd und mordend in das dem Orden angehörige blühende Culmerland, bis er und seine Beste den siegreichen Kreuzherren erlag. Nun steht statt der drohenden Burg dort oben die stille Kapelle der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Weichselschiffer, deren jeder im Vorüberfahren gern eine fromme Spende dem heranrudernden Glöckner übergibt, so oft das Glöcklein oben seinen frommen Willkommsgruß herniedersendet. Durch eine Fülle der mannigfaltigsten schattenreichen Bäume und blühender Rosenbüsche steigt man auf bequemen Gängen zur Höhe hinan und findet ein Panorama vor sich ausgebreitet, dem an Reichhaltigkeit und Schönheit bis Danzig hin kein zweites gleich¬ kommt. Stromaufwärts winkt uns die älteste Metropole der Weichsel¬ lande, das vielthürmige Culm vom hohen User seinen Abschiedsgruß zu, dem tief zu Füßen drüben die Schwesterstadt Schwetz liegt; im Norden wird der Horizont durch die Feftungswälle von Graudenz scharf begrenzt, und malerisch daneben liegt die alte Stadt am AbHange des thurmgekröntcn Schloßberges. Vor uns und zu beiden Seiten aber breiten sich die üppigen Niederungsgefilde aus, wie ein buntfarbiges Schachbret, während den Hintergrund waldige Höhen mit dunkelm Grün schließen. Der breite Strom, der die Landschaft unten so wundervoll belebt, schlängelt sich als silbernes Band in einer Länge von 7 Meilen vor uns hin, und von den prächtigen Rinderherden echt hollän¬ dischen Stammes, die im saftigen Grase der grünen Inseln unten weiden, klingt harmonisches Glockengeläute zu uns herauf. Tagelang könnte man hier weilen. Promenaden, Buschwerk, sammetweiche Rasenplätze mit Blumen¬ beeten wechselnd, umgeben weithin den Hügel. Im Schatten alter Linden ruht das gutsherrliche Wohnhaus, in der Mitte eines weiten duftigen Gartens. Bis auf das Dach dieses freundlichen Hauses sendet der Augurim-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/189
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/189>, abgerufen am 25.08.2024.