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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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interessiren und die auch im weitern Verlauf nur ganz zufällig, wie es dem Ver¬
fasser grade einfällt, eine Stellung gewinnen. Doch würde hier durch Kritik und
nachdenke" noch manches zu verbessern sein, und wir möchten dem Verfasser mehr
Talent zuschreiben, als dem des vorhergehenden Romans, sowie wir auch den
Gegenstand für zweckmäßiger halten. Lobenswerth ist noch, wenn man an den
herrschenden Ton unserer Romane denkt, daß sich die Personen dieses Romans
im allgemeinen so benehmen, wie sie sich schicklicherweise benehmen sollen nud daß,
wenn eine Abweichung stattfindet, der Dichter nie unklar darüber ist. Feinere
Züge kommen im ganzen wenig vor. Die Geschichte ist aus dem groben, aus
dem sinnlichen Material herausgearbeitet. --


Aus der Welt des Herzens. Roman von Oswald Tiedemann. A Bände-
Zwickau, Those. --

Das Talent und die Bildungsstufe des Verfassers ist ungleich geringer, als
das des vorigen. Er scheint sich die Aufgabe gesetzt zu haben, von dem Schan-
spielcrleben und seinen Beziehungen ein idealistrtes Bild zu geben. Das läßt
sich auf zweierlei Weise denken, entweder humoristisch oder durch künstlerischen
Ernst. Das erste hat Goethe im Wilhelm Meister auf das glücklichste. erreicht,
das zweite wird immer seine sehr großen Schwierigkeiten haben, da in der wirk¬
lichen Darstellung des Künstlerlebens das Handwerk doch zu sehr hervor¬
treten muß, um das Festhalten einer einheitlichen idealen Stimmung zu verstatten.
Offenbar hat der Verfasser beabsichtigt, nach dieser Seite hin zu idealisiren, aber
es ist ihm mit seiner Anerkennung des Schauspielerlebens kein rechter Ernst.
Der Held und die Heldin des Stückes betragen sich immer wie vornehme Leute,
die nur nebenbei und gewissermaßen incognito die Küustlerlanfbahn betreten haben.
Daneben wechseln in der Darstellung Empfindsamkeit und unnatürlich gesteigerte
Stimmung mit trivialen Geschichten und trivialen Gedanken ab. Die Charaktere,
obgleich nicht sehr künstlich angelegt, verwandeln doch in jedem Angenblicke ihre
Physiognomie, und, was das Schlimmste ist, zuletzt werden wir in das Gebiet
der Criminaljustiz eingeführt, die mit einer höchst bedenklichen künstlerischen
Nachlässigkeit behandelt wird. --


Der Jahrmarkt zu Lorenzkirchen, Volksgemälde von > Albert Reinhold.
Zwickau, Those. --

Bei dem Titel Volksgcmälde glaubten wir uns in das Genre der Dorf¬
geschichten versetzt, indeß schon der Stil belehrt uns eines andern. "Der Wan¬
derer stand noch im Blütenlenz des Daseins. Ans dem schlanken Körper wiegte
sich der Kopf eines Antinous. Lichtbraune Locken küßten in ungeregelter Fülle die
weiße Stirn u. s. w." Freilich) auf der nächsten Seite: "Ihr werdet es nicht
gut lesen können, der Kerl schreibt eine etwas undeutliche Pfote." Aber dann


interessiren und die auch im weitern Verlauf nur ganz zufällig, wie es dem Ver¬
fasser grade einfällt, eine Stellung gewinnen. Doch würde hier durch Kritik und
nachdenke» noch manches zu verbessern sein, und wir möchten dem Verfasser mehr
Talent zuschreiben, als dem des vorhergehenden Romans, sowie wir auch den
Gegenstand für zweckmäßiger halten. Lobenswerth ist noch, wenn man an den
herrschenden Ton unserer Romane denkt, daß sich die Personen dieses Romans
im allgemeinen so benehmen, wie sie sich schicklicherweise benehmen sollen nud daß,
wenn eine Abweichung stattfindet, der Dichter nie unklar darüber ist. Feinere
Züge kommen im ganzen wenig vor. Die Geschichte ist aus dem groben, aus
dem sinnlichen Material herausgearbeitet. —


Aus der Welt des Herzens. Roman von Oswald Tiedemann. A Bände-
Zwickau, Those. —

Das Talent und die Bildungsstufe des Verfassers ist ungleich geringer, als
das des vorigen. Er scheint sich die Aufgabe gesetzt zu haben, von dem Schan-
spielcrleben und seinen Beziehungen ein idealistrtes Bild zu geben. Das läßt
sich auf zweierlei Weise denken, entweder humoristisch oder durch künstlerischen
Ernst. Das erste hat Goethe im Wilhelm Meister auf das glücklichste. erreicht,
das zweite wird immer seine sehr großen Schwierigkeiten haben, da in der wirk¬
lichen Darstellung des Künstlerlebens das Handwerk doch zu sehr hervor¬
treten muß, um das Festhalten einer einheitlichen idealen Stimmung zu verstatten.
Offenbar hat der Verfasser beabsichtigt, nach dieser Seite hin zu idealisiren, aber
es ist ihm mit seiner Anerkennung des Schauspielerlebens kein rechter Ernst.
Der Held und die Heldin des Stückes betragen sich immer wie vornehme Leute,
die nur nebenbei und gewissermaßen incognito die Küustlerlanfbahn betreten haben.
Daneben wechseln in der Darstellung Empfindsamkeit und unnatürlich gesteigerte
Stimmung mit trivialen Geschichten und trivialen Gedanken ab. Die Charaktere,
obgleich nicht sehr künstlich angelegt, verwandeln doch in jedem Angenblicke ihre
Physiognomie, und, was das Schlimmste ist, zuletzt werden wir in das Gebiet
der Criminaljustiz eingeführt, die mit einer höchst bedenklichen künstlerischen
Nachlässigkeit behandelt wird. —


Der Jahrmarkt zu Lorenzkirchen, Volksgemälde von > Albert Reinhold.
Zwickau, Those. —

Bei dem Titel Volksgcmälde glaubten wir uns in das Genre der Dorf¬
geschichten versetzt, indeß schon der Stil belehrt uns eines andern. „Der Wan¬
derer stand noch im Blütenlenz des Daseins. Ans dem schlanken Körper wiegte
sich der Kopf eines Antinous. Lichtbraune Locken küßten in ungeregelter Fülle die
weiße Stirn u. s. w." Freilich) auf der nächsten Seite: „Ihr werdet es nicht
gut lesen können, der Kerl schreibt eine etwas undeutliche Pfote." Aber dann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/97>, abgerufen am 22.12.2024.