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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Mehemed Pascha.

Sie haben den Wunsch ausgesprochen, dann und wann von mir ein poli¬
tisches Porträt übersendet zu bekommen. Es hat nicht an mir gelegen, wenn
derselbe seither unerfüllt geblieben ist, Ihnen bekannte Verhältnisse, in denen ich
mich hier befinde, haben mich daran verhindert. Ein Zeichner gebraucht vor allen
Dingen Muse, um sorgsam Zug sür Zug wiedergeben zu können; mit einer blo¬
ßen Skizze würde Ihnen wenig gedient sein.

Das Bildniß, welches ich heute vor den Augen Ihrer Leser aufzurollen ge¬
denke, ist das Mehemed Paschas, des neu ernannten Kapndans oder Minister-
vorstauds der osmanischen Marine. -- Es war an einem regnichten Morgen,
als ich mich zu Adrianopel auf den Weg machte, um zum Serail zu gehen , bey
damaligen Residenz des in Rede stehenden Staatsmannes.*) Dieses Palais ge¬
hört zu den großartigsten seiner Art im ganzen türkischen Reiche, woraus man
uicht den Schluß ziehen darf, daß es im übrigen Europa für besonders imposant
erachtet werden würde. Durch einen weiten Vorhof gelangt man zum Haupt¬
eingang. Die Hauptfronte weist eine Unzahl Fenster auf und trägt einen grün¬
lichen, nicht eben geschmackvollen Anstrich.

Auf der Treppe wurde ich von einem ein wenig französisch redenden Secretär
des Paschas empfangen, und in el)i kleines Zimmer geführt, in welchem sich außer
einem Divan und einem Tische kein weiteres Meuble befand. Auf dem Tisch lag
ein Kupferstich mit englischer Unterschrift. Es war ein in London verfertigtes
Porträt des Gouverneurs von Adrianopel und stammte aus der Zeit (18ö0), wo
derselbe dort die Stelle eines osmanischen Botschafters bekleidete, dieselbe, welche
heute der fauarivtische Grieche Mussurns innehat. Das Bildniß war, wie sich
nicht verkennen läßt, von der Hand eines der ersten Künstler Englands, und
machte mich auf den Mann gespannt, den ich kennen lernen sollte.

Der Secretär war hinausgegangen, um mich anzumelden, nud kam nach
einigen Minnten mit der Meldung zurück, daß der Müschir (Feldmarschall) mich
erwarte. Vor der Thür des großen Empfaugzimmers hing ein Vorhang, den
zwei Pfeifenstopfer aufmachten, worauf ich eintrat. Es war ein Saal, in dem ich
mich befand. Rings an den Wänden standen Stühle und fränkische Sophas;
auf einem derselben, nahe an einem Fenster, saß ein in schwarzen Ueberrock mit
Stehkragen gekleideter Mau", de" ich sofort als den Pascha erkannte und als
solchen begrüßte. Er erhob sich ein wenig von seinem Sche, wies mir den dem
Sopha, ans welchem er saß, zunächst stehenden Stuhl an und winkte einem Mvh-



Mchemed Pascha war bis zum 30- vorigen Monats Gencralstatthaltcr von Adrianopel
oder Edrene.
Mehemed Pascha.

Sie haben den Wunsch ausgesprochen, dann und wann von mir ein poli¬
tisches Porträt übersendet zu bekommen. Es hat nicht an mir gelegen, wenn
derselbe seither unerfüllt geblieben ist, Ihnen bekannte Verhältnisse, in denen ich
mich hier befinde, haben mich daran verhindert. Ein Zeichner gebraucht vor allen
Dingen Muse, um sorgsam Zug sür Zug wiedergeben zu können; mit einer blo¬
ßen Skizze würde Ihnen wenig gedient sein.

Das Bildniß, welches ich heute vor den Augen Ihrer Leser aufzurollen ge¬
denke, ist das Mehemed Paschas, des neu ernannten Kapndans oder Minister-
vorstauds der osmanischen Marine. — Es war an einem regnichten Morgen,
als ich mich zu Adrianopel auf den Weg machte, um zum Serail zu gehen , bey
damaligen Residenz des in Rede stehenden Staatsmannes.*) Dieses Palais ge¬
hört zu den großartigsten seiner Art im ganzen türkischen Reiche, woraus man
uicht den Schluß ziehen darf, daß es im übrigen Europa für besonders imposant
erachtet werden würde. Durch einen weiten Vorhof gelangt man zum Haupt¬
eingang. Die Hauptfronte weist eine Unzahl Fenster auf und trägt einen grün¬
lichen, nicht eben geschmackvollen Anstrich.

Auf der Treppe wurde ich von einem ein wenig französisch redenden Secretär
des Paschas empfangen, und in el)i kleines Zimmer geführt, in welchem sich außer
einem Divan und einem Tische kein weiteres Meuble befand. Auf dem Tisch lag
ein Kupferstich mit englischer Unterschrift. Es war ein in London verfertigtes
Porträt des Gouverneurs von Adrianopel und stammte aus der Zeit (18ö0), wo
derselbe dort die Stelle eines osmanischen Botschafters bekleidete, dieselbe, welche
heute der fauarivtische Grieche Mussurns innehat. Das Bildniß war, wie sich
nicht verkennen läßt, von der Hand eines der ersten Künstler Englands, und
machte mich auf den Mann gespannt, den ich kennen lernen sollte.

Der Secretär war hinausgegangen, um mich anzumelden, nud kam nach
einigen Minnten mit der Meldung zurück, daß der Müschir (Feldmarschall) mich
erwarte. Vor der Thür des großen Empfaugzimmers hing ein Vorhang, den
zwei Pfeifenstopfer aufmachten, worauf ich eintrat. Es war ein Saal, in dem ich
mich befand. Rings an den Wänden standen Stühle und fränkische Sophas;
auf einem derselben, nahe an einem Fenster, saß ein in schwarzen Ueberrock mit
Stehkragen gekleideter Mau», de« ich sofort als den Pascha erkannte und als
solchen begrüßte. Er erhob sich ein wenig von seinem Sche, wies mir den dem
Sopha, ans welchem er saß, zunächst stehenden Stuhl an und winkte einem Mvh-



Mchemed Pascha war bis zum 30- vorigen Monats Gencralstatthaltcr von Adrianopel
oder Edrene.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/69>, abgerufen am 23.07.2024.