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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Englische Literatur.
Sammlung englischer Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen. Heraus¬
gegeben von Ludwig Herrig. Band 1--7. Berlin. Enslin. --
Der Giaur. Hebräische Gesänge. Von Lord Byron. Aus dem Eng¬
lischen übersetzt von Friederike Friedmann. Leipzig, Brockhaus. --

Wir haben die Herrigsche Sammlung schon früher einmal angezeigt, wir
wollen jetzt, da wieder drei neue Bändchen erschienen sind, noch einmal näher
darauf eingehen. Es treten uns zunächst vier Stücke von Shakespeare ent¬
gegen: Macbeth und der Kaufmann von Venedig, vom Herausgeber, Othello
von Siepers und Romeo von Heussi. An eine deutsche Ausgabe Shakespeares
machen wir folgende Anforderungen: einmal sollen uns die sprachlichen Schwie¬
rigkeiten erklärt werden, die von den Engländern selbst als solche empfunden
werden, mit so geringer Ausdehnung des kritischen Apparats, als irgend mög¬
lich. Sodann sollen uns in sachlicher Beziehung die scenischen Einrichtungen
und die literarhistorischen Voraussetzungen der Shakespeareschen Zeit, soweit
es zum Verständniß des Einzelnen nothwendig ist, vermittelt werden. Als
Einleitung scheint uns überall nothwendig,. das, was wir von der Zeit der
Entstehung des Stückes wissen, namentlich aber die Quellen und die Art und
Weise, wie Shakespeare sie benutzt hat, mitzutheilen. In dem Falle,, wo
die Quellen noch aufbewahrt sind, würden wir es für angemessen erachten,
sie in ihrer ganzen Ertension aufzunehmen, damit jedem der Vergleich mög¬
lich ist.

Für vollkommen überflüssig erachten wir philosophisch-ästhetische Einleitungen.
In dieser Gattung ist unsre Literatur so reich, daß man mehr durch das Ueber¬
maß der Hilfsmittel verwirrt wird. Es würde hier vollständig genügen, da
wo in dem Shakespeareschen Texte handgreifliche Widersprüche oder UnVerständ¬
lichkeiten vorkommen, daraus hinzuweisen und sie wo möglich zu erklären. --
Von diesem Gesichtspunkt aufgefaßt würde die gegenwärtige Ausgabe, soviel
Verdienstliches sie in ihrem Einzelnen enthält, nur annäherungsweise genügen.
Am meisten hat uns die Ausgabe von Siepers befriedigt, obgleich uns auch
hier manche Anmerkungen aufgestoßen sind, deren Berechtigung uns sehr zwei¬
felhaft erscheint; am wenigsten die von Heusst. Die ästhetischen Einleitungen hätten
bei sämmtlichen vier Stücken wegbleiben können. Für die Kenntniß der Quel¬
len ist manches Verdienstliche geleistet. Im allgemeinen sollte bei den Anmer¬
kungen der Grundsatz festgehalten werden, daß in zweifelhaften Fällen eher zu¬
viel als zu wenig gethan würde. Denn auch für denjenigen, der sich ernstlicher
mit der englischen Literatur beschäftigt, bietet Shakespeare ganz unendliche
Schwierigkeiten, und der kritische Apparat der Engländer ist uns theils ümm-


Englische Literatur.
Sammlung englischer Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen. Heraus¬
gegeben von Ludwig Herrig. Band 1—7. Berlin. Enslin. —
Der Giaur. Hebräische Gesänge. Von Lord Byron. Aus dem Eng¬
lischen übersetzt von Friederike Friedmann. Leipzig, Brockhaus. —

Wir haben die Herrigsche Sammlung schon früher einmal angezeigt, wir
wollen jetzt, da wieder drei neue Bändchen erschienen sind, noch einmal näher
darauf eingehen. Es treten uns zunächst vier Stücke von Shakespeare ent¬
gegen: Macbeth und der Kaufmann von Venedig, vom Herausgeber, Othello
von Siepers und Romeo von Heussi. An eine deutsche Ausgabe Shakespeares
machen wir folgende Anforderungen: einmal sollen uns die sprachlichen Schwie¬
rigkeiten erklärt werden, die von den Engländern selbst als solche empfunden
werden, mit so geringer Ausdehnung des kritischen Apparats, als irgend mög¬
lich. Sodann sollen uns in sachlicher Beziehung die scenischen Einrichtungen
und die literarhistorischen Voraussetzungen der Shakespeareschen Zeit, soweit
es zum Verständniß des Einzelnen nothwendig ist, vermittelt werden. Als
Einleitung scheint uns überall nothwendig,. das, was wir von der Zeit der
Entstehung des Stückes wissen, namentlich aber die Quellen und die Art und
Weise, wie Shakespeare sie benutzt hat, mitzutheilen. In dem Falle,, wo
die Quellen noch aufbewahrt sind, würden wir es für angemessen erachten,
sie in ihrer ganzen Ertension aufzunehmen, damit jedem der Vergleich mög¬
lich ist.

Für vollkommen überflüssig erachten wir philosophisch-ästhetische Einleitungen.
In dieser Gattung ist unsre Literatur so reich, daß man mehr durch das Ueber¬
maß der Hilfsmittel verwirrt wird. Es würde hier vollständig genügen, da
wo in dem Shakespeareschen Texte handgreifliche Widersprüche oder UnVerständ¬
lichkeiten vorkommen, daraus hinzuweisen und sie wo möglich zu erklären. —
Von diesem Gesichtspunkt aufgefaßt würde die gegenwärtige Ausgabe, soviel
Verdienstliches sie in ihrem Einzelnen enthält, nur annäherungsweise genügen.
Am meisten hat uns die Ausgabe von Siepers befriedigt, obgleich uns auch
hier manche Anmerkungen aufgestoßen sind, deren Berechtigung uns sehr zwei¬
felhaft erscheint; am wenigsten die von Heusst. Die ästhetischen Einleitungen hätten
bei sämmtlichen vier Stücken wegbleiben können. Für die Kenntniß der Quel¬
len ist manches Verdienstliche geleistet. Im allgemeinen sollte bei den Anmer¬
kungen der Grundsatz festgehalten werden, daß in zweifelhaften Fällen eher zu¬
viel als zu wenig gethan würde. Denn auch für denjenigen, der sich ernstlicher
mit der englischen Literatur beschäftigt, bietet Shakespeare ganz unendliche
Schwierigkeiten, und der kritische Apparat der Engländer ist uns theils ümm-


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[0477] Englische Literatur. Sammlung englischer Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen. Heraus¬ gegeben von Ludwig Herrig. Band 1—7. Berlin. Enslin. — Der Giaur. Hebräische Gesänge. Von Lord Byron. Aus dem Eng¬ lischen übersetzt von Friederike Friedmann. Leipzig, Brockhaus. — Wir haben die Herrigsche Sammlung schon früher einmal angezeigt, wir wollen jetzt, da wieder drei neue Bändchen erschienen sind, noch einmal näher darauf eingehen. Es treten uns zunächst vier Stücke von Shakespeare ent¬ gegen: Macbeth und der Kaufmann von Venedig, vom Herausgeber, Othello von Siepers und Romeo von Heussi. An eine deutsche Ausgabe Shakespeares machen wir folgende Anforderungen: einmal sollen uns die sprachlichen Schwie¬ rigkeiten erklärt werden, die von den Engländern selbst als solche empfunden werden, mit so geringer Ausdehnung des kritischen Apparats, als irgend mög¬ lich. Sodann sollen uns in sachlicher Beziehung die scenischen Einrichtungen und die literarhistorischen Voraussetzungen der Shakespeareschen Zeit, soweit es zum Verständniß des Einzelnen nothwendig ist, vermittelt werden. Als Einleitung scheint uns überall nothwendig,. das, was wir von der Zeit der Entstehung des Stückes wissen, namentlich aber die Quellen und die Art und Weise, wie Shakespeare sie benutzt hat, mitzutheilen. In dem Falle,, wo die Quellen noch aufbewahrt sind, würden wir es für angemessen erachten, sie in ihrer ganzen Ertension aufzunehmen, damit jedem der Vergleich mög¬ lich ist. Für vollkommen überflüssig erachten wir philosophisch-ästhetische Einleitungen. In dieser Gattung ist unsre Literatur so reich, daß man mehr durch das Ueber¬ maß der Hilfsmittel verwirrt wird. Es würde hier vollständig genügen, da wo in dem Shakespeareschen Texte handgreifliche Widersprüche oder UnVerständ¬ lichkeiten vorkommen, daraus hinzuweisen und sie wo möglich zu erklären. — Von diesem Gesichtspunkt aufgefaßt würde die gegenwärtige Ausgabe, soviel Verdienstliches sie in ihrem Einzelnen enthält, nur annäherungsweise genügen. Am meisten hat uns die Ausgabe von Siepers befriedigt, obgleich uns auch hier manche Anmerkungen aufgestoßen sind, deren Berechtigung uns sehr zwei¬ felhaft erscheint; am wenigsten die von Heusst. Die ästhetischen Einleitungen hätten bei sämmtlichen vier Stücken wegbleiben können. Für die Kenntniß der Quel¬ len ist manches Verdienstliche geleistet. Im allgemeinen sollte bei den Anmer¬ kungen der Grundsatz festgehalten werden, daß in zweifelhaften Fällen eher zu¬ viel als zu wenig gethan würde. Denn auch für denjenigen, der sich ernstlicher mit der englischen Literatur beschäftigt, bietet Shakespeare ganz unendliche Schwierigkeiten, und der kritische Apparat der Engländer ist uns theils ümm-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/476>, abgerufen am 23.07.2024.