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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Sinne ist die untere, neue Brücke der Kai der Hauptstadt. Es gibt keinen
Ort, wo Steamer bequemer und unmittelbarer anzulegen vermochten, und alle
kleineren ziehen deshalb von dieser Gelegenheit Nutzen.

Aber ich bin durch das bunte Treiben auf dem großen schwimmenden
Verbindungswege weit von dem abgezogen worden, worüber ich Ihnen ur¬
sprünglich berichten wollte. Ich sprach von den englischen Truppen und
Offizieren und habe noch mancherlei von ihnen zu'erzählen. Die Differenzen,
welche zwischen ihnen und den Bewohnern von Skutari entstanden waren,
sind glücklich, geschlichtet worden; man hat britischerseits die Zügel der
Disciplin straffer angezogen, ist ausgiebig mit strengen Strafen gewesen und
hat dadurch vermieden, was immer bedauernswerth ist und als letztes Mittel
im fernen Hintergrunde stehen bleiben sollte, die Statuirung eines Erempels
durch Erschießen, wie dies zu Gallipoli unter den Befehlen des französischen
Generals Canrobert geschehen ist. Daß demohngeachtet kleine Reibungen und
sozusagen Neckereien statthaben, kann nicht im mindesten auffallend erscheinen.
Ich setze fast voraus, daß die Korrespondenten deutscher Zeitungen bereits
über den Auftritt zwischen zwei englischen Marketenderinnen und einem Haufen
türkischer Weiber, von dem man sich hier vor mehren Wochen erzählte, be¬
richteten. Die Engländerinnen hatten mit einem türkischen, ihre Sprache ler¬
nenden Offizier nach Stambul zu gehen verabredet, um dort Einkäufe zu
machen. Sie nahmen ihren Weg über die nämliche neue Brücke, von der
oben die Rede war. Dabei geschah es, daß eine Dame ihren Arm unter den
des Türken legte und sich dergestalt führen ließ. Alle drei hatten noch wenige
Schritte auf Stambuls Boden gethan, als ihnen mehre türkische Frauen
begegneten, zu denen sich rasch andere gesellten, bis ein kleiner Haufe bei¬
sammen war. Sofort begann zwischen den muselmännischen Weibern und dem
Offizier ein Wortwechsel. Das ist doch allem Anschein nach einer der Unsrigen,
riefen die Türkinnen, und dessenungeachtet geht er mit den beiden Frauen aus
Frankistan! Es blieb nicht bei diesen Reflexionen; die Holz- oder Klotzschuhe
(Paulinen), aus denen die osmanischen Weiber einherschreiten, waren alsbald
ausgezogen und es erfolgte eine Attacke, vorerst nur gegen den Türken. Da
entschlossen sich die rasch sich fassenden Töchter Albions, den Streit allein aus-
zufechten. Sie hängen' ihrem Begleiter rasch ihre Umschlagetücher um, reichen
ihm ihre Sonnenschirme zu und trampeln die Aermel ihrer Kleider auf, um
einen offensiven Rückschlag auszuführen. Die beiden Borerinnen rücken den
türkischen Weibern dicht auf den Leib; nach wenig Augenblicken bluten einige
Nasen und sind zwei oder drei Augen blau, art -- so erzählen die Englän¬
derinnen -- ehe zehn Minuten vergehen, ist das Feld frei. Die Türken vor
den Kaffeehäusern erzählten sich die Affaire untereinander mit Schmunzeln, und
sagten ruhig: NasoliÄUick!


Sinne ist die untere, neue Brücke der Kai der Hauptstadt. Es gibt keinen
Ort, wo Steamer bequemer und unmittelbarer anzulegen vermochten, und alle
kleineren ziehen deshalb von dieser Gelegenheit Nutzen.

Aber ich bin durch das bunte Treiben auf dem großen schwimmenden
Verbindungswege weit von dem abgezogen worden, worüber ich Ihnen ur¬
sprünglich berichten wollte. Ich sprach von den englischen Truppen und
Offizieren und habe noch mancherlei von ihnen zu'erzählen. Die Differenzen,
welche zwischen ihnen und den Bewohnern von Skutari entstanden waren,
sind glücklich, geschlichtet worden; man hat britischerseits die Zügel der
Disciplin straffer angezogen, ist ausgiebig mit strengen Strafen gewesen und
hat dadurch vermieden, was immer bedauernswerth ist und als letztes Mittel
im fernen Hintergrunde stehen bleiben sollte, die Statuirung eines Erempels
durch Erschießen, wie dies zu Gallipoli unter den Befehlen des französischen
Generals Canrobert geschehen ist. Daß demohngeachtet kleine Reibungen und
sozusagen Neckereien statthaben, kann nicht im mindesten auffallend erscheinen.
Ich setze fast voraus, daß die Korrespondenten deutscher Zeitungen bereits
über den Auftritt zwischen zwei englischen Marketenderinnen und einem Haufen
türkischer Weiber, von dem man sich hier vor mehren Wochen erzählte, be¬
richteten. Die Engländerinnen hatten mit einem türkischen, ihre Sprache ler¬
nenden Offizier nach Stambul zu gehen verabredet, um dort Einkäufe zu
machen. Sie nahmen ihren Weg über die nämliche neue Brücke, von der
oben die Rede war. Dabei geschah es, daß eine Dame ihren Arm unter den
des Türken legte und sich dergestalt führen ließ. Alle drei hatten noch wenige
Schritte auf Stambuls Boden gethan, als ihnen mehre türkische Frauen
begegneten, zu denen sich rasch andere gesellten, bis ein kleiner Haufe bei¬
sammen war. Sofort begann zwischen den muselmännischen Weibern und dem
Offizier ein Wortwechsel. Das ist doch allem Anschein nach einer der Unsrigen,
riefen die Türkinnen, und dessenungeachtet geht er mit den beiden Frauen aus
Frankistan! Es blieb nicht bei diesen Reflexionen; die Holz- oder Klotzschuhe
(Paulinen), aus denen die osmanischen Weiber einherschreiten, waren alsbald
ausgezogen und es erfolgte eine Attacke, vorerst nur gegen den Türken. Da
entschlossen sich die rasch sich fassenden Töchter Albions, den Streit allein aus-
zufechten. Sie hängen' ihrem Begleiter rasch ihre Umschlagetücher um, reichen
ihm ihre Sonnenschirme zu und trampeln die Aermel ihrer Kleider auf, um
einen offensiven Rückschlag auszuführen. Die beiden Borerinnen rücken den
türkischen Weibern dicht auf den Leib; nach wenig Augenblicken bluten einige
Nasen und sind zwei oder drei Augen blau, art — so erzählen die Englän¬
derinnen — ehe zehn Minuten vergehen, ist das Feld frei. Die Türken vor
den Kaffeehäusern erzählten sich die Affaire untereinander mit Schmunzeln, und
sagten ruhig: NasoliÄUick!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/467>, abgerufen am 22.12.2024.