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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Fahrt nach dem englischen Lager bei Skutari.

Ich komme eben von dem Besuch des englischen Lagers bei Skutari,
gegenüber Konstantinopel, zurück. Der Ausflug war mehrmals schon früher
von mir beschlossen gewesen, immer indeß traten Hindernisse, meistens geschäft¬
liche Abhaltungen, dazwischen. Heute Morgen endlich wußte ich mich von
jeder Verbindlichkeit, welche mich hätte zurückhalten können, frei, füllte meine
Börse mit der nothwendigen kleinen > Münze, steckte ein Fernglas in die Tasche
und schlenderte die schmale und schmuzige Straße, welche von der großen Rue
de Vera, an der östreichischen Gesandtschaft und sonst weiter nach Tovvana
führt, hinunter. Der Frühling ist eben in seiner höchsten Pracht entfaltet;
die Kugelakazien vor dem Palais des Herrn v. Brück strotzen in unvergleich¬
licher Ueppigkeit, und allerwärts wo ein Baum hinter den türkischen Häusern
des letztgenannten Stadttheils hervorschaut, empfängt man den Eindruck einer
von der Südlage gekräftigten Vegetation. Toppana grenzt unmittelbar ans
Meer. Es ist der Punkt, wo bei weitem die meisten Boote, welche entweder
Reisende vom Bord der Schiffe oder Einwohner des jenseits dem Hafen gele¬
genen Stambuls, oder endlich der asiatischen Schwesterstadt Skutari ans
perotische Ufer zu führen haben, landen. Viele Stellen oder Anlandegerüste
springen dort ins Meer hinaus und rechts und links an denselben stehen in
langen Reihen, mit dem Schnabel dem Ufer zugekehrt, und zum. Theil auf
demselben gründend, die schmucken Kalks, leichte Kähne, wie man sie hier zur
Beschiffung des goldenen Hornes und des Bosporus gebraucht. Sie sind
außerordentlich schlank und zierlich und werden zumeist nur von einem einzigen
Ruderer (der Kaikschi) regiert. Derselbe sitzt der Richtung, nach welcher er
hinsteuert, den Rücken zuwendend, auf einer schmalen Unterhaut, indeß der
Passagier sich auf dem Boden des Fahrzeuges, wo nicht allzu saubere Polster
zu liegen pflegen, niedersetzt, letzteres, damit der Schwerpunkt nicht zu hoch
gerückt wird. Um nicht umzuschlagen, muß man genau die Mitte halten.
Reiches oder wenigstens geschmackvolles Schnitzwerk bedeckt das Innere Und
die beiden Schnäbel des Kalks, welches so scharf gebaut ist, daß ein einziger
Ruderer mit zwei Riemen (Nuder) es mit überraschender Schnelligkeit zu be¬
wegen im Stande ist.

Wie gewöhnlich empfing mich an der großen mittleren Stelle (Anlande¬
platz) zu der ich meinen Weg genommen, eine Schar um Passagiere werdender
Kaikschi, von der ein jeder sein Fahrzeug bestens anpries. Kapitän! Lsnim
KaiK pel t.<zwi8 -- Capitän, mein Kalk ist sehr reinlich! hieß es von allen


Fahrt nach dem englischen Lager bei Skutari.

Ich komme eben von dem Besuch des englischen Lagers bei Skutari,
gegenüber Konstantinopel, zurück. Der Ausflug war mehrmals schon früher
von mir beschlossen gewesen, immer indeß traten Hindernisse, meistens geschäft¬
liche Abhaltungen, dazwischen. Heute Morgen endlich wußte ich mich von
jeder Verbindlichkeit, welche mich hätte zurückhalten können, frei, füllte meine
Börse mit der nothwendigen kleinen > Münze, steckte ein Fernglas in die Tasche
und schlenderte die schmale und schmuzige Straße, welche von der großen Rue
de Vera, an der östreichischen Gesandtschaft und sonst weiter nach Tovvana
führt, hinunter. Der Frühling ist eben in seiner höchsten Pracht entfaltet;
die Kugelakazien vor dem Palais des Herrn v. Brück strotzen in unvergleich¬
licher Ueppigkeit, und allerwärts wo ein Baum hinter den türkischen Häusern
des letztgenannten Stadttheils hervorschaut, empfängt man den Eindruck einer
von der Südlage gekräftigten Vegetation. Toppana grenzt unmittelbar ans
Meer. Es ist der Punkt, wo bei weitem die meisten Boote, welche entweder
Reisende vom Bord der Schiffe oder Einwohner des jenseits dem Hafen gele¬
genen Stambuls, oder endlich der asiatischen Schwesterstadt Skutari ans
perotische Ufer zu führen haben, landen. Viele Stellen oder Anlandegerüste
springen dort ins Meer hinaus und rechts und links an denselben stehen in
langen Reihen, mit dem Schnabel dem Ufer zugekehrt, und zum. Theil auf
demselben gründend, die schmucken Kalks, leichte Kähne, wie man sie hier zur
Beschiffung des goldenen Hornes und des Bosporus gebraucht. Sie sind
außerordentlich schlank und zierlich und werden zumeist nur von einem einzigen
Ruderer (der Kaikschi) regiert. Derselbe sitzt der Richtung, nach welcher er
hinsteuert, den Rücken zuwendend, auf einer schmalen Unterhaut, indeß der
Passagier sich auf dem Boden des Fahrzeuges, wo nicht allzu saubere Polster
zu liegen pflegen, niedersetzt, letzteres, damit der Schwerpunkt nicht zu hoch
gerückt wird. Um nicht umzuschlagen, muß man genau die Mitte halten.
Reiches oder wenigstens geschmackvolles Schnitzwerk bedeckt das Innere Und
die beiden Schnäbel des Kalks, welches so scharf gebaut ist, daß ein einziger
Ruderer mit zwei Riemen (Nuder) es mit überraschender Schnelligkeit zu be¬
wegen im Stande ist.

Wie gewöhnlich empfing mich an der großen mittleren Stelle (Anlande¬
platz) zu der ich meinen Weg genommen, eine Schar um Passagiere werdender
Kaikschi, von der ein jeder sein Fahrzeug bestens anpries. Kapitän! Lsnim
KaiK pel t.<zwi8 — Capitän, mein Kalk ist sehr reinlich! hieß es von allen


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[0430] Fahrt nach dem englischen Lager bei Skutari. Ich komme eben von dem Besuch des englischen Lagers bei Skutari, gegenüber Konstantinopel, zurück. Der Ausflug war mehrmals schon früher von mir beschlossen gewesen, immer indeß traten Hindernisse, meistens geschäft¬ liche Abhaltungen, dazwischen. Heute Morgen endlich wußte ich mich von jeder Verbindlichkeit, welche mich hätte zurückhalten können, frei, füllte meine Börse mit der nothwendigen kleinen > Münze, steckte ein Fernglas in die Tasche und schlenderte die schmale und schmuzige Straße, welche von der großen Rue de Vera, an der östreichischen Gesandtschaft und sonst weiter nach Tovvana führt, hinunter. Der Frühling ist eben in seiner höchsten Pracht entfaltet; die Kugelakazien vor dem Palais des Herrn v. Brück strotzen in unvergleich¬ licher Ueppigkeit, und allerwärts wo ein Baum hinter den türkischen Häusern des letztgenannten Stadttheils hervorschaut, empfängt man den Eindruck einer von der Südlage gekräftigten Vegetation. Toppana grenzt unmittelbar ans Meer. Es ist der Punkt, wo bei weitem die meisten Boote, welche entweder Reisende vom Bord der Schiffe oder Einwohner des jenseits dem Hafen gele¬ genen Stambuls, oder endlich der asiatischen Schwesterstadt Skutari ans perotische Ufer zu führen haben, landen. Viele Stellen oder Anlandegerüste springen dort ins Meer hinaus und rechts und links an denselben stehen in langen Reihen, mit dem Schnabel dem Ufer zugekehrt, und zum. Theil auf demselben gründend, die schmucken Kalks, leichte Kähne, wie man sie hier zur Beschiffung des goldenen Hornes und des Bosporus gebraucht. Sie sind außerordentlich schlank und zierlich und werden zumeist nur von einem einzigen Ruderer (der Kaikschi) regiert. Derselbe sitzt der Richtung, nach welcher er hinsteuert, den Rücken zuwendend, auf einer schmalen Unterhaut, indeß der Passagier sich auf dem Boden des Fahrzeuges, wo nicht allzu saubere Polster zu liegen pflegen, niedersetzt, letzteres, damit der Schwerpunkt nicht zu hoch gerückt wird. Um nicht umzuschlagen, muß man genau die Mitte halten. Reiches oder wenigstens geschmackvolles Schnitzwerk bedeckt das Innere Und die beiden Schnäbel des Kalks, welches so scharf gebaut ist, daß ein einziger Ruderer mit zwei Riemen (Nuder) es mit überraschender Schnelligkeit zu be¬ wegen im Stande ist. Wie gewöhnlich empfing mich an der großen mittleren Stelle (Anlande¬ platz) zu der ich meinen Weg genommen, eine Schar um Passagiere werdender Kaikschi, von der ein jeder sein Fahrzeug bestens anpries. Kapitän! Lsnim KaiK pel t.<zwi8 — Capitän, mein Kalk ist sehr reinlich! hieß es von allen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/429>, abgerufen am 22.12.2024.