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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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nicht zu jeder Zeit nach allen Seiten hin die erforderliche freie Hand haben wer¬
den. Europa darf sich also Nußland gegenüber nicht mit der Repression begnü¬
gen, es muß vielmehr, wenn es vor Rußland Ruhe haben will, zur Präventiv."
schreiten.^ Ebenso richtig stellt er dar, wie die Frage, ob die Türkei erhalten
werden solle, als eine ganz secundäre aufgefaßt werden muß> Zunächst kommt es
darauf an, Rußland in die Unmöglichkeit zu versehen, diese Eventualität auszu¬
beuten. Das Weitere kann dann ruhig dem Laufe der Ereignisse überlassen blei¬
ben. -- Wir empfehlen diese kleine Schrift unsern Lesern als eine getreue und
klare Darstellung des Sachverhalts.




Wochenbericht.
Konstantinipel,

-- Ganz Stambul hat sich heute bei
heiterem Sonnenschein an seine Tagesgeschäfte begeben können, was insofern angemerkt
zu werden verdient, als sich während der letztvergangenen Wochen zumeist ein mit Wol¬
ken verhangener Himmel über die Stadt und beide Ufer der Meerenge ausbreitete. Da¬
bei ist es indeß im Freien keineswegs gemüthlich zu nennen; wir haben in diesem Au¬
genblick -- 2" N. Die Gossen auf den Straßen starren in Eis und ans den Dächern
liegen zu harten Massen gefroren die Neste des letzten Schneefalls, während die Berge
der Umgegend ihre weißen Kuppen in der Morgensonne strahlen lassen.

In Konstantinopel selbst nehmen zwei bevorstehende Ereignisse augenblicklich alle
Aufmerksamkeit in Anspruch. Zunächst hat mair die Ankunft der englisch-französischen
Expcditionscorps zu erwarten, und daraus gedenkt der Sultan eine militärische Prome¬
nade nach dem Norden, vorläufig wol nur bis Adrianopel, anzutreten.

Wo die französischen und englischen Armeecorps landen werden, scheint noch nicht
bestimmt zu sein. Wenn anch mancherlei Gerüchte darüber im Umlauf sind, darf man
dennoch denselben nicht zu viel Gewicht beilegen, weil sie möglicherweise zu der Ab¬
sicht ausgestreut wurden: über die näheren Zielpunkte der Expeditionen zu täuschen.
Ein unmittelbarer Erfolg an der Donau wird sich wol kaum auf der Operatiousliuic
von Volo oder Durazzv über Widdiu gegen Krajowa erreichen lassen. Will man
mit Nachdruck agiren, so muß mau selbstredend in der Nähe der Donaumündnngen
landen und die russische Armee in den Fürstentümern, namentlich in der Walachei,
damit in den Rücken fassen. Die Verbündeten können alsdann leicht möglich die Rus¬
sen zu einer Entscheidungsschlacht mit verwendeter Front zwingen, deren Verlust letztere
entweder in die Donau stürzen oder ihnen keinen anderen Ausweg als eine Rettung
auf östreichisches Gebiet überlassen würde.

Was die Sultaus-Reise anlangt, so wird der Monarch sich von einem kleinen
Heere begleiten lassen. Einige Jnfantericrcgimcnter und' das herrliche Neserveartillc-
ricrcgimcnt, die seither ruhig in Konstantinopel garmsonirtcn, sind hierzu schon be¬
stimmt. Andere Truppentheile erwarten noch desfallsige Ordres. Es ist mehr als
wahrscheinlich, daß die Diplomaten von Pera, im besonderen der englische, französische und
sardinische Gesandte, dem Padischcch das Geleit geben und zunächst ebenfalls in Adria-
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nicht zu jeder Zeit nach allen Seiten hin die erforderliche freie Hand haben wer¬
den. Europa darf sich also Nußland gegenüber nicht mit der Repression begnü¬
gen, es muß vielmehr, wenn es vor Rußland Ruhe haben will, zur Präventiv.»
schreiten.^ Ebenso richtig stellt er dar, wie die Frage, ob die Türkei erhalten
werden solle, als eine ganz secundäre aufgefaßt werden muß> Zunächst kommt es
darauf an, Rußland in die Unmöglichkeit zu versehen, diese Eventualität auszu¬
beuten. Das Weitere kann dann ruhig dem Laufe der Ereignisse überlassen blei¬
ben. — Wir empfehlen diese kleine Schrift unsern Lesern als eine getreue und
klare Darstellung des Sachverhalts.




Wochenbericht.
Konstantinipel,

— Ganz Stambul hat sich heute bei
heiterem Sonnenschein an seine Tagesgeschäfte begeben können, was insofern angemerkt
zu werden verdient, als sich während der letztvergangenen Wochen zumeist ein mit Wol¬
ken verhangener Himmel über die Stadt und beide Ufer der Meerenge ausbreitete. Da¬
bei ist es indeß im Freien keineswegs gemüthlich zu nennen; wir haben in diesem Au¬
genblick — 2" N. Die Gossen auf den Straßen starren in Eis und ans den Dächern
liegen zu harten Massen gefroren die Neste des letzten Schneefalls, während die Berge
der Umgegend ihre weißen Kuppen in der Morgensonne strahlen lassen.

In Konstantinopel selbst nehmen zwei bevorstehende Ereignisse augenblicklich alle
Aufmerksamkeit in Anspruch. Zunächst hat mair die Ankunft der englisch-französischen
Expcditionscorps zu erwarten, und daraus gedenkt der Sultan eine militärische Prome¬
nade nach dem Norden, vorläufig wol nur bis Adrianopel, anzutreten.

Wo die französischen und englischen Armeecorps landen werden, scheint noch nicht
bestimmt zu sein. Wenn anch mancherlei Gerüchte darüber im Umlauf sind, darf man
dennoch denselben nicht zu viel Gewicht beilegen, weil sie möglicherweise zu der Ab¬
sicht ausgestreut wurden: über die näheren Zielpunkte der Expeditionen zu täuschen.
Ein unmittelbarer Erfolg an der Donau wird sich wol kaum auf der Operatiousliuic
von Volo oder Durazzv über Widdiu gegen Krajowa erreichen lassen. Will man
mit Nachdruck agiren, so muß mau selbstredend in der Nähe der Donaumündnngen
landen und die russische Armee in den Fürstentümern, namentlich in der Walachei,
damit in den Rücken fassen. Die Verbündeten können alsdann leicht möglich die Rus¬
sen zu einer Entscheidungsschlacht mit verwendeter Front zwingen, deren Verlust letztere
entweder in die Donau stürzen oder ihnen keinen anderen Ausweg als eine Rettung
auf östreichisches Gebiet überlassen würde.

Was die Sultaus-Reise anlangt, so wird der Monarch sich von einem kleinen
Heere begleiten lassen. Einige Jnfantericrcgimcnter und' das herrliche Neserveartillc-
ricrcgimcnt, die seither ruhig in Konstantinopel garmsonirtcn, sind hierzu schon be¬
stimmt. Andere Truppentheile erwarten noch desfallsige Ordres. Es ist mehr als
wahrscheinlich, daß die Diplomaten von Pera, im besonderen der englische, französische und
sardinische Gesandte, dem Padischcch das Geleit geben und zunächst ebenfalls in Adria-
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[0035] nicht zu jeder Zeit nach allen Seiten hin die erforderliche freie Hand haben wer¬ den. Europa darf sich also Nußland gegenüber nicht mit der Repression begnü¬ gen, es muß vielmehr, wenn es vor Rußland Ruhe haben will, zur Präventiv.» schreiten.^ Ebenso richtig stellt er dar, wie die Frage, ob die Türkei erhalten werden solle, als eine ganz secundäre aufgefaßt werden muß> Zunächst kommt es darauf an, Rußland in die Unmöglichkeit zu versehen, diese Eventualität auszu¬ beuten. Das Weitere kann dann ruhig dem Laufe der Ereignisse überlassen blei¬ ben. — Wir empfehlen diese kleine Schrift unsern Lesern als eine getreue und klare Darstellung des Sachverhalts. Wochenbericht. Konstantinipel, — Ganz Stambul hat sich heute bei heiterem Sonnenschein an seine Tagesgeschäfte begeben können, was insofern angemerkt zu werden verdient, als sich während der letztvergangenen Wochen zumeist ein mit Wol¬ ken verhangener Himmel über die Stadt und beide Ufer der Meerenge ausbreitete. Da¬ bei ist es indeß im Freien keineswegs gemüthlich zu nennen; wir haben in diesem Au¬ genblick — 2" N. Die Gossen auf den Straßen starren in Eis und ans den Dächern liegen zu harten Massen gefroren die Neste des letzten Schneefalls, während die Berge der Umgegend ihre weißen Kuppen in der Morgensonne strahlen lassen. In Konstantinopel selbst nehmen zwei bevorstehende Ereignisse augenblicklich alle Aufmerksamkeit in Anspruch. Zunächst hat mair die Ankunft der englisch-französischen Expcditionscorps zu erwarten, und daraus gedenkt der Sultan eine militärische Prome¬ nade nach dem Norden, vorläufig wol nur bis Adrianopel, anzutreten. Wo die französischen und englischen Armeecorps landen werden, scheint noch nicht bestimmt zu sein. Wenn anch mancherlei Gerüchte darüber im Umlauf sind, darf man dennoch denselben nicht zu viel Gewicht beilegen, weil sie möglicherweise zu der Ab¬ sicht ausgestreut wurden: über die näheren Zielpunkte der Expeditionen zu täuschen. Ein unmittelbarer Erfolg an der Donau wird sich wol kaum auf der Operatiousliuic von Volo oder Durazzv über Widdiu gegen Krajowa erreichen lassen. Will man mit Nachdruck agiren, so muß mau selbstredend in der Nähe der Donaumündnngen landen und die russische Armee in den Fürstentümern, namentlich in der Walachei, damit in den Rücken fassen. Die Verbündeten können alsdann leicht möglich die Rus¬ sen zu einer Entscheidungsschlacht mit verwendeter Front zwingen, deren Verlust letztere entweder in die Donau stürzen oder ihnen keinen anderen Ausweg als eine Rettung auf östreichisches Gebiet überlassen würde. Was die Sultaus-Reise anlangt, so wird der Monarch sich von einem kleinen Heere begleiten lassen. Einige Jnfantericrcgimcnter und' das herrliche Neserveartillc- ricrcgimcnt, die seither ruhig in Konstantinopel garmsonirtcn, sind hierzu schon be¬ stimmt. Andere Truppentheile erwarten noch desfallsige Ordres. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Diplomaten von Pera, im besonderen der englische, französische und sardinische Gesandte, dem Padischcch das Geleit geben und zunächst ebenfalls in Adria- ''''' i *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/34>, abgerufen am 22.12.2024.