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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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edeln, und als sie einen Kuß bekommen, erschrocken ausrufen: "El, was war
das?" inner diesen Umständen wird der Zuschauer freilich außer Fasfuyg ge¬
setzt, als plötzlich ein großes Wesen von der Unschuld und Keuschheit gemacht
wird, als nicht blos die Oberpriesterin, sondern auch eine ganze Reihe von an¬
dern Priestern Gurlis Blut-verlangen. Schreckliche, gewitterschwangere Wol¬
ken breiten sich jetzt über die Scene aus, die früher von den Bibis, Lulus,
Tutus, Amazillis und Jtalis so heiter und unschuldsvoll belebt wurde. Ja,
selbst der tugendhafte und ganz vorurtheilsfreie Inka und der ebenso tugendhafte
und Vorurtheilsfreie Oberpriester, der über allen Pöbelwahn hoch erhaben ist,
.sehen sich veranlaßt, mit Achselzucken das Todesurtheil quszusprechen, Der
Inka kniet mehre Mal nieder, um um Erleuchtung zu beten; es wird immer
schrecklicher. Roll", ein peruanischer Kriegsheld, der Gurte still geliebt, und der
als resignirter, edler Menschenfeind, als zweiter Man'nau, finster durch das
Stück geht, stürzt plötzlich mit einem Haufen Bewaffneter auf die Scene und
will durch ein Verbrechen die Geliebte retten. Aber diese spricht, groß und
edel: "Ehre dem Gesetz. Kniee nieder und bitte um Gnade." Dies geschieht
und er wird begnadigt! Da erhebt sich der Oberpriester und hält einen Vor¬
trage "Die rohen Zeiten des Religionsstifters seien vorüber. Er schuf das
Gesetz der Keuschheit; denn damals, da nur Sinnlichkeit herrschte und die
Vernunft ein Kind war, wäre ohne dieses Gesetz der Tempel an festlichen
Tagen ein Tummelplatz der Wollüste geworden. So zwang ihn die Noth, ,der
Natur in ihr großes Rad zu greifen. Aber eine lange, lange Reihe von
Jahren hat das.Gesetz des Schicklichen in das Gefühl des Schicklichen ver¬
wandelt. Wo dieses herrscht, ist jenes nicht mehr nöthig." Diese weise Lehre
leuchtet denn auch dem gebildeten Volke der Peruaner ein, der souveräne Fürst
hebt das Gesetz auf und spricht Kora frei, und sämmtliche Gurlis, Amazillis,
Jtalis, Bibis, Tutus und Lulus haben nun die volle Freiheit, der Stimme
der Natur zu folgen und zu lieben wie die Schwalben im Sommer. -- Auch
zu diesem Stück hat der Dichter "1795 eine Fortsetzung geliefert: die Spanier
in Peru. Kora und ihr Geliebter sind glücklich verheirathet und haben eine
kleine Guru auf ihrem Schoße, mehre Frauen Und Kinder sind gruppenweise
um sie vertheilt, da kommt der finstere Pizarro und stört dieses Paradies der
Unschuld und Natur. Allein dadurch wird dem edlen Rolla Gelegenheit ge¬
geben, seine Aufopferungsfähigkeit zu bethätigen. Erst befreit er unter schreck¬
licher Lebensgefahr seinen Nebenbuhler aus, dem Gefängniß, obgleich Kora ihn
noch eben sehr hart behandelt hat, dann verschmäht er tugendhaft den Dolch,
den ihm Elvira, die geistreiche und abenteuerliche Geliebte des Pizarro in die
Hand drückt, um den Tyrannen zu ermorden, endlich rettet er die kleine Guru,
deren Raub die Mutter in eine entsetzliche Verzweiflung gestürzt hat und kommt
dabei um.


edeln, und als sie einen Kuß bekommen, erschrocken ausrufen: „El, was war
das?" inner diesen Umständen wird der Zuschauer freilich außer Fasfuyg ge¬
setzt, als plötzlich ein großes Wesen von der Unschuld und Keuschheit gemacht
wird, als nicht blos die Oberpriesterin, sondern auch eine ganze Reihe von an¬
dern Priestern Gurlis Blut-verlangen. Schreckliche, gewitterschwangere Wol¬
ken breiten sich jetzt über die Scene aus, die früher von den Bibis, Lulus,
Tutus, Amazillis und Jtalis so heiter und unschuldsvoll belebt wurde. Ja,
selbst der tugendhafte und ganz vorurtheilsfreie Inka und der ebenso tugendhafte
und Vorurtheilsfreie Oberpriester, der über allen Pöbelwahn hoch erhaben ist,
.sehen sich veranlaßt, mit Achselzucken das Todesurtheil quszusprechen, Der
Inka kniet mehre Mal nieder, um um Erleuchtung zu beten; es wird immer
schrecklicher. Roll«, ein peruanischer Kriegsheld, der Gurte still geliebt, und der
als resignirter, edler Menschenfeind, als zweiter Man'nau, finster durch das
Stück geht, stürzt plötzlich mit einem Haufen Bewaffneter auf die Scene und
will durch ein Verbrechen die Geliebte retten. Aber diese spricht, groß und
edel: „Ehre dem Gesetz. Kniee nieder und bitte um Gnade." Dies geschieht
und er wird begnadigt! Da erhebt sich der Oberpriester und hält einen Vor¬
trage „Die rohen Zeiten des Religionsstifters seien vorüber. Er schuf das
Gesetz der Keuschheit; denn damals, da nur Sinnlichkeit herrschte und die
Vernunft ein Kind war, wäre ohne dieses Gesetz der Tempel an festlichen
Tagen ein Tummelplatz der Wollüste geworden. So zwang ihn die Noth, ,der
Natur in ihr großes Rad zu greifen. Aber eine lange, lange Reihe von
Jahren hat das.Gesetz des Schicklichen in das Gefühl des Schicklichen ver¬
wandelt. Wo dieses herrscht, ist jenes nicht mehr nöthig." Diese weise Lehre
leuchtet denn auch dem gebildeten Volke der Peruaner ein, der souveräne Fürst
hebt das Gesetz auf und spricht Kora frei, und sämmtliche Gurlis, Amazillis,
Jtalis, Bibis, Tutus und Lulus haben nun die volle Freiheit, der Stimme
der Natur zu folgen und zu lieben wie die Schwalben im Sommer. — Auch
zu diesem Stück hat der Dichter "1795 eine Fortsetzung geliefert: die Spanier
in Peru. Kora und ihr Geliebter sind glücklich verheirathet und haben eine
kleine Guru auf ihrem Schoße, mehre Frauen Und Kinder sind gruppenweise
um sie vertheilt, da kommt der finstere Pizarro und stört dieses Paradies der
Unschuld und Natur. Allein dadurch wird dem edlen Rolla Gelegenheit ge¬
geben, seine Aufopferungsfähigkeit zu bethätigen. Erst befreit er unter schreck¬
licher Lebensgefahr seinen Nebenbuhler aus, dem Gefängniß, obgleich Kora ihn
noch eben sehr hart behandelt hat, dann verschmäht er tugendhaft den Dolch,
den ihm Elvira, die geistreiche und abenteuerliche Geliebte des Pizarro in die
Hand drückt, um den Tyrannen zu ermorden, endlich rettet er die kleine Guru,
deren Raub die Mutter in eine entsetzliche Verzweiflung gestürzt hat und kommt
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/333>, abgerufen am 22.12.2024.